Tokio. Inzwischen könnte Trump Nordkorea als Atommacht anerkennen. Sich auf den Diktator einzulassen, dürfte einen strategischen Grund haben.

Die Bilder gingen damals um die Welt: Donald Trump, ein für seinen Rechtspopulismus und eine oft wirre Rhetorik untypischer US-Präsident, schüttelte die Hand von Kim Jong-un, dem immer wieder mit Raketen zündelnden Diktator Nordkoreas. Die Lenker zweier Staaten, die seit Jahrzehnten verfeindet waren, feierten sich plötzlich wie gute Freunde, wollten über die Sanktionen gegen Nordkorea sowie dessen Atomprogramm verhandeln. Ehe sie sich nach drei ergebnislosen Treffen doch wieder mit Krieg drohten.

Diese kurze Affäre zwischen Trump und Kim dominierte um die Jahre 2018 und 2019, als Trump zum ersten Mal Präsident der USA war, die Weltöffentlichkeit. Und nun, wo der 78-Jährige erneut im Amt ist, deutet viel auf eine zweite Auflage dieser „Bromance“ hin. „Ich glaube, er wird froh sein, zu sehen, dass ich wieder da bin“, erklärte Trump praktisch mit seiner Amtseinführung am 20. Januar. In Trumps Stab sind auch mehrere Personalien versammelt, die sich seit Jahren mit Nordkorea beschäftigen. 

Weniger als die Frage, ob die USA auf Nordkorea zugehen, scheint nun interessant, wann dies geschehen wird. So bezeichnete Trump Nordkorea auch als „Atommacht“ – was von vorigen Regierungen tunlichst vermieden wurde. Nordkoreas Atomprogramm ist denn der treibende Grund, warum die Vereinten Nationen harte Sanktionen gegen Nordkorea verhängt haben. Die vorigen Treffen zwischen Trump und Kim drehten sich um die Frage, unter welchen Bedingungen Kim sein Atomprogramm beenden könnte. 

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Nordkorea ist der wohl größte Gewinner des Ukraine-Kriegs

Nun wird in mehreren Kreisen davon ausgegangen, dass die USA unter Trump Nordkorea de facto als Atommacht hinnehmen könnten. Ziel neuerlicher Gespräche könnte dann sein, zunächst ein Ende der seit Jahren wiederkehrenden Raketentests zu erreichen. Dies etwa schätzt Jenny Town vom US-amerikanischen Thinktank Stimson Center. „Es wäre eine Vereinfachung, De-Nuklearisierung als eine Entweder-Oder-Sache zu sehen. Es gibt keine realistische Möglichkeit, eine schnelle De-Nuklearisierung zu erreichen.“

Wobei Kim diesmal deutlich schwerer zu haben wäre als 2018. Nordkorea ist der wohl größte Gewinner des neuerlichen Ausbruchs des Ukraine-Kriegs im Februar 2022. Als diverse liberale Staaten – darunter die USA und die EU-Mitglieder – auf Russlands Angriff hin Sanktionen verhängten, rückten die schon im Kalten Krieg verbündeten Staaten Nordkorea und Russland wieder enger zusammen. Denn plötzlich waren beide Staaten mit harter Sanktionspolitik belastet, halfen sich daraufhin gegenseitig.

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Während mehrere westliche Staaten die Ukraine unterstützen, beliefert Nordkorea nun nicht nur Waffen und Zubehör, sondern auch Soldaten an die russische Seite. Nordkorea erhält dafür offenbar technologische und ökonomische Hilfe aus Russland. Auch mit anderen Staaten, die den USA feindlich gegenüberstehen, wie etwa Iran, pflegt Nordkorea regen Austausch. Kim Jong-un erklärte vor der US-Präsidentschaftswahl im November auch, dass er sich von neuen Gesprächen mit den USA nichts erhoffe. 

Nordkorea liefert nicht nur Waffen und Zubehör, sondern auch Soldaten an die russische Seite im Ukraine-Krieg.
Nordkorea liefert nicht nur Waffen und Zubehör, sondern auch Soldaten an die russische Seite im Ukraine-Krieg. © ddp/Newscom | EyePress News

Experte: Trump geht es um eine Schwächung der Beziehungen zwischen Nordkorea und China

Dies muss aber nicht so bleiben. Davon geht jedenfalls Mason Richey aus, Professor an der Hankuk University for Foreign Studies in Seoul und Autor einer gerade erschienenen Studie, die in Kooperation mit dem Seoul-Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung erstellt wurde. Richey sieht ein von Trump wiederholt lauthals angekündigtes schnelles Ende des Ukraine-Kriegs als möglichen Beginn neuerlicher Verhandlungen der USA mit Nordkorea. 

„Wenn es Trump und seinem Team gelingt, Russland und die Ukraine auf diplomatischem Wege zu Verhandlungen über eine Beendigung des Krieges zu bewegen, würde Pjöngjangs Wert für Russland wahrscheinlich rapide sinken“, so Richey. Die bisherige Unterstützung Russlands für Nordkorea würde demnach abnehmen. „Dann könnte Kim nach diplomatischen Möglichkeiten mit den USA suchen.“ 

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Nur wozu das Ganze, wenn sich Nordkorea auf eine De-Nuklearisierung kaum wird einlassen können? Richey vermutet, dass es Trump vor allem auf eine Schwächung der Beziehungen zwischen Nordkorea und China anlegt. China, das Trump als größten Rivalen sieht, ist der mit großem Abstand wichtigste Handelspartner Nordkoreas. Kim Jong-un wiederum hat die Annäherung an Russland auch deshalb genützt, weil so Nordkoreas Abhängigkeit von Chinas etwas ausbalanciert worden ist. 

Innenpolitische Lage in Südkorea könnte Auswirkungen haben

Was neue Verhandlungen zwischen den USA und Nordkorea zudem begünstigen könnte, ist die Entwicklung der innenpolitischen Lage in Südkorea über die kommenden Monate. Nach der gescheiterten Kriegsrechtserklärung des Rechtspopulisten Yoon Suk-yeol im Dezember steuert das Land nun wahrscheinlich auf Neuwahlen zu, wo statt den bisher regierenden Konservativen die Demokratische Partei als Favoritin gilt. Diese ist historisch am Austausch mit Nordkorea orientiert. 

Staatskrise in Südkorea
Südkoreas suspendierter Präsident Yoon Suk Yeol während seines Amtsenthebungsverfahrens vor dem Verfassungsgericht. © DPA Images | Jeon Heon-kyun

Auch um 2018, als Trump und Kim sich persönlich kennenlernten, regierte im mit den USA verbündeten Südkorea die Demokratische Partei. Neben den USA verharrt denn auch Südkorea seit dem Ausbruch des Koreakriegs 1950 – der drei Jahre später nur in einen Waffenstillstand mündete – formal im Kriegszustand mit Nordkorea. Verhandlungen mit Nordkorea müssen die USA eng mit Südkorea abstimmen, das Nordkoreas Territorium und Staatsbürger formal als dem eigenen Staat zugehörig sieht. 

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Unter dem amtsenthobenen Präsidenten Yoon Suk-yeol und seiner rechtsgerichteten Konservativen Partei wären Verhandlungen mit Kim Jong-un dagegen praktisch unmöglich. Kim und Yoon haben sich wiederholt mehr oder weniger subtil mit Krieg gedroht. Sollte Yoons Amtsenthebung bald vom Verfassungsgericht als rechtmäßig erklärt werden und die Demokratische Partei die Neuwahlen gewinnen, dürfte sich insofern auch Kim Jong-un freuen. 

Denn bei neuerlichen Gesprächen mit den USA müsste der nordkoreanische Diktator vermutlich nicht mehr über ein Ende seines Atomwaffenprogramms verhandeln. Dass er dazu nicht bereit ist, weiß Trump ja schon. Und der will es offenbar trotzdem noch einmal versuchen.

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