Seoul. Schweizer Uhren, Luxuskarossen und ein Palast an der Küste – inklusive Reitbahn. Der Diktator lebt auf großem Fuß. Sein Volk schaut zu.

Wer in westlichen Ländern an Nordkorea denkt, denkt oft an Hunger. Kein Wunder: Ein vielzitierter Report der Vereinten Nationen schätzte kurz vor der Pandemie, dass 40 Prozent der 26 Millionen Menschen im ostasiatischen Land unterernährt waren. Noch während Covid-19 weltweit seine Kreise zog und Nordkorea seine Grenzen geschlossen hielt, erklärte Diktator Kim Jong-un unter Tränen, die Entwicklungsziele seien verfehlt worden. Auch Geflüchtete berichten regelmäßig, in Nordkorea mangele es an allem.

Zumindest einem im Land mangelt es allerdings an kaum etwas: Kim Jong-un, der sich „Oberster Führer“ nennt und das Land seit 2011 in dritter Generation als eine Art kommunistischer Diktator regiert. Der 40-jährige, der sich zuletzt Russlands Präsident Wladimir Putin angenähert hat und dem verfeindeten Südkorea seither umso lauter mit Krieg droht, lebt in seinem weitgehend armen Land auf sehr großem Fuß.

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Bilder, Videos und Satellitenaufnahmen zeigen nicht nur, dass Kim Jong-un über eine 80 Meter lange Luxusyacht verfügt. Ihm gehören offenbar auch mehrere Villen – neben der offiziellen „Residenz 55“ in Pjöngang etwa ein Sommerdomizil in der Stadt Wonsan an der Ostküste. Dort soll es einen Privatstrand, einen Bahnhof und eine Reitbahn geben.

In Nordkorea mangelt es an allem – Kim Jong-un protzt mit Schweizer Uhren

Der Mann, der westliche Länder gern als feindlich betrachtet, fährt auch gern westliche Autos. Bevor ihm sein politischer Freund Wladimir Putin im Februar eine Limousine des russischen Staatskarossenbauers Aurus schenkte, war Kim in einem Mercedes Maybach, einem Rolls Royce und einem Geländewagen von Lexus zu sehen – und das, obwohl die Fahrzeuge gar nicht zu ihm gelangt sein dürften.

Diese von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA veröffentlichte Aufnahme soll Kim Jong Un (l) und seine Tochter Ju Ae (2.v.l) beim Beobachten eines Tests einer atomwaffenfähige Interkontinentalrakete zeigen.
Diese von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA veröffentlichte Aufnahme soll Kim Jong Un (l) und seine Tochter Ju Ae (2.v.l) beim Beobachten eines Tests einer atomwaffenfähige Interkontinentalrakete zeigen. © FUNKE Foto Services | Uncredited

Aufgrund wiederholter Raketentests und des damit zusammenhängenden Atomwaffenprogramms haben die Vereinten Nationen Sanktionen gegen das Land verhängt, das noch dazu durch schwere Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht. Auch der Handel mit Luxusgütern ist von den Strafmaßnahmen betroffen. Doch nach Auslandsreisen von Staatsdienern kommt alles Mögliche ins Land – oder aber über die Landgrenzen mit Russland und China, wo die Sanktionen kaum geachtet werden.

Eine Liebe zu Luxus ist dabei längst nicht nur bei Kim Jong-un selbst zu beobachten. Seine gesamte Entourage genießt mehrere Annehmlichkeiten, die selbst in wohlhabenden Industriestaaten als üppig gelten würden. So trug Kim Ju-ae, die Tochter des „Obersten Führers“, die zuletzt immer wieder bei offiziellen Anlässen auftauchte, beim Start einer Interkontinentalrakete eine Kapuzenjacke der französischen Marke Dior, die im Webshop rund 1900 Euro kostet.

Kim Jong-un und seine Familie leben im Luxus, doch das Volk bleibt gelassen

Kim Yo-jong, die Schwester des Diktators und mittlerweile zweite Stimme im Staat, zeigte auf einem Besuch in Russland im vergangenen Jahr eine französische Handtasche, die laut dem südkoreanischen Sender KBS rund 7000 Euro wert ist. Und die Gattin von Kim Jong-un, Ri Sol-ju, fällt bei ihren öffentlichen Auftritten mit modischen Statements auf, die auch auf die roten Teppiche westlicher Gala-Events passen würden. Immer wieder an ihrem wie auch am Arm des Diktators zu sehen: Schweizer Uhren.

Nordkoreas Machthaber Kim ruft zu Aufbau von "Volksparadies" auf

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    Viele dieser Bilder sind auch der nordkoreanischen Gesellschaft bekannt. Die Frage drängt sich auf, ob dies in einem offiziell kommunistischen Staat nicht zu Missmut in der Bevölkerung führen müsste. Vladimir Tikhonov, Koreanistikprofessor an der Universität Oslo und Experte für Nord- und Südkorea, glaubt nicht daran. „Für die Stabilität eines Regimes braucht man drei Dinge: Eine Art nationalistische Identifikation, den Eindruck ökonomischen Wachstums und zumindest ein kleines Stück Meritokratie.“

    „Pjönghattan“: Kim plant Luxuswohnungen für Regimetreue und Funktionäre

    Während der Nationalismus durch die Staatsideologie Juche geprägt und durch den ewigen Konflikt mit Südkorea, den USA und Japan befeuert werde, erfuhr Nordkorea zumindest bis zur Pandemie auch Wirtschaftswachstum. Durch die nun enge Kooperation mit Russland könnte einiges davon zurückkommen. „Auch Meritokratie ist vorhanden“, so Tikhonov. „Die Menschen wissen, was sie tun müssen, um vom Regime honoriert zu werden.“ Eine Karriere im Militär sorge etwa für Sicherheit und Lohn.

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    Im Jahr 2021, also mitten in der Pandemie, enthüllte Kim etwa einen Plan rund um Luxuswohnungen, die vorbildlichen Arbeitskräften zum Geschenk gemacht werden sollten. 800 Apartments mit Terrassen am Fluss Pothong in Pjöngjang sollen an verdiente Personen aus den Sektoren Bildung, Wissenschaft, Kultur und natürlich dem Funktionärstum gehen. Schon 2017 hatte Kim in der Hauptstadt feierlich Wolkenkratzer mit bis zu 80 Stockwerken eröffnet. Das Viertel wird auch „Pjönghattan“ genannt.

    Luxus als Lohn für Loyalität: „Nordkoreas Belohnungspolitik ist kapitalistisch“

    Denn Nordkorea verfügt über eine größere wohlhabende Schicht. „Donju“ nennt man sie, was sich mit „Gelddinger“ übersetzt. Jenseits des Staatsdienstes reichen die Quellen des Wohlstands von Familienmitgliedern in Japan über Devisenhandel bis zum Schwarzmarkt. In der Hauptstadt soll man mit einem Vermögen von 100.000 US-Dollar als reich gelten, in ländlichen Regionen schon mit einem Zwanzigstel davon. Kaufhäuser stehen aber in jeder Provinz – mit Markenprodukten von Adidas, Rolex und Chanel.

    Luxus ist oft der Lohn für Loyalität. „Nordkoreas Belohnungspolitik ist kapitalistisch“, urteilt Tikhonov. Wobei der Kapitalismus hier Grenzen hat. Bevor Kim Jong-un zum Staatschef wurde, hatte dessen älterer Bruder Jong-nam als Favorit für den Posten gegolten. Der war offenbar in Ungnade gefallen, nachdem er auf einem Bummel durch Disneyland in Tokio gesehen worden war. Die Bilder wirkten so, als könnte das Leben in Japan mehr Spaß machen als im gelobten Nordkorea. Das durfte natürlich nicht sein.