Berlin. Das Ausland blickt gebannt auf die nahende Wahl. Allerdings zeigt sich schon deutlich, wen Deutschlands Partnerländer am liebsten hätten.
Die Bundestagswahl kommt nun doch schneller als gedacht, der Winter-Wahlkampf stellt die Parteien vor Herausforderungen. Im Ausland blickt man gebannt auf die Lage in Deutschland – und hegt insgeheim schon Präferenzen, wen man am liebsten an der Spitze der Bundesregierung hätte.
Dirk Hautkapp, USA: Egal wer – Deutschland wird ein rauer Wind entgegenkommen
Deutschland schwächelt, Amerika hat genug mit sich selbst zu tun – darum köchelt die Frage, wer im Frühjahr in Berlin die Regierung übernimmt, in Washington auf Sparflamme. Offizielle Äußerungen der designierten Spitze um Donald Trump zu Amtsinhaber Olaf Scholz und Herausforderer Friedrich Merz gibt es nicht.
Wer in Trumps Umfeld nachfragt, hört Erwartbares: „Scholz ist ganz klar ein Joe Biden-Mann und war gegen uns. Merz kommt aus der Wirtschaft und weiß, wie Deals gehen.” Dass der Christdemokrat für den US-Finanzinvestor BlackRock gearbeitet hat, mache ihn bei Trump „tendenziell empfänglicher”. Trumps Berater Richard Grenell, Ex-US-Botschafter in Berlin, verfüge über „gute Drähte” zum Merz-Vertrauten Jens Spahn. Am Ende des Tages werde Trump allein auf das Kanzler-Durchsetzungsvermögen „in einer heute noch nicht absehbaren Regierungskonstellation” schauen. „Egal ob Scholz, Merz oder sonst wer – Deutschland wird, was Nato, Ukraine und Wirtschaft angeht, ein rauer Wind entgegenkommen.”
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Denis Trubetskoy, Ukraine: Traumszenario für Kiew ist klar
Zwar herrscht in der Ukraine keine Begeisterung darüber, dass es nun auch in Deutschland politisch kriselt, während sich die USA auf die zweite Präsidentschaft von Donald Trump vorbereiten. Auf die möglichen Ergebnisse der vorgezogenen Bundestagswahl wird in Kiew jedoch überwiegend positiv geschaut. Jedoch wird der Aufstieg der AfD und des BSW doch mit großer Sorge wahrgenommen. Eine von CDU/CSU und Friedrich Merz angeführte Regierung gilt jedoch eindeutig als Wunschvorstellung, obwohl es auch Expertenstimmen gibt, die davon ausgehen, dass sich deren reale Politik gegenüber Russland trotz der deutlichen Rhetorik von Merz kaum von der Linie von Olaf Scholz unterscheiden wird.
Das absolute Traumszenario für Kiew wäre klar: Eine schwarz-grüne Koalition, die aus zwei Parteien bestehen würde, die am meisten an der Seite der Ukraine stehen, zumal Robert Habeck und Annalena Baerbock gute persönliche Beziehungen zum Präsidenten Wolodymyr Selenskyj pflegen. Aber auch mit einer Neuauflage der Großen Koalition wird die Ukraine leben können, obwohl die diskutierte Personalie Rolf Mützenich als Außenminister erwartungsgemäß kritisch wahrgenommen wird.
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Maria Sterkl, Israel: Merz gibt sich weniger kritisch als die aktuelle Bundesregierung
In Israel gibt es eine Präferenz für eine von der CDU-CSU geführte Regierung – schon allein deshalb, weil Israels Regierung generell lieber mit Konservativen zusammenarbeitet. Ob Friedrich Merz die Fußstapfen der in Israel überaus beliebten Angela Merkel ausfüllen kann, bleibt abzusehen. Er gibt sich jedoch Mühe, und das wird in Israel positiv wahrgenommen.
Merz war bereits mehrmals in Israel zu Besuch und hat prominente Politiker getroffen. Was die umstrittene Kriegsführung in Gaza betrifft, gibt er sich weniger kritisch als die aktuelle Bundesregierung. Ob das nur Wahlkampfrhetorik ist oder auch ein Ausblick auf die Politik eines Kanzlers Merz, ist schwer zu sagen: Der CDU-Chef ist Jurist und kann Deutschlands völkerrechtliche Verpflichtungen nicht ignorieren. Das könnte zu Spannungen mit Israel führen.
Gerd Höhler, Türkei: Verhältnis zwischen Türkei und EU könnte sich verändern
Olaf Scholz hinterlässt dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan ein schönes Abschiedsgeschenk: Nach langer Blockade stimmt die Bundesregierung der Lieferung von Eurofighter-Kampfflugzeugen an die Türkei doch noch zu. Revidieren wird die Entscheidung auch die nächste Bundesregierung nicht. Von einem Kanzler Merz hätte Erdogan aber in der Migrationspolitik eine härtere Linie zu erwarten. Merz hat sich immerhin dafür ausgesprochen, der Türkei bei der Versorgung der dort lebenden Flüchtlinge finanziell zu helfen. Auch im Verhältnis zu Europa könnte sich etwas für Erdogan positiv bewegen: Der CDU-Chef schlägt eine „Sonderbeziehung“ der EU mit der Türkei vor.
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Gerd Höhler, Griechenland: Gemessen wird in Athen vor allem am Thema Migration
Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis und Kanzler in spe Friedrich Merz gehören als Konservative zur selben politischen Familie in Europa. Das lässt eine enge Zusammenarbeit erwarten, zumal beide als Pragmatiker gelten. Einig sind sie sich in der Forderung nach mehr Anstrengungen Europas in der Verteidigungspolitik. Gemessen wird Merz in Athen aber vor allem am Thema Migration: Mitsotakis fordert seit langem von der EU eine gerechtere Verteilung von Asylanten auf alle Mitgliedsstaaten. Pläne für Zurückweisungen an den deutschen Grenzen hat Mitsotakis bereits deutlich kritisiert.
Micaela Taroni, Italien: Meloni fühlt sich konservativem Flügel der CDU am nächsten
Die geplatzte Koalition in Deutschland und die hektische Debatte über Neuwahlen werden auch in Italien mit großem Interesse beobachtet. Bisher galt Deutschland seinen politischen Partnern in Italien als Garant für Stabilität. Inzwischen sitzt die rechtspopulistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni seit zwei Jahren in Rom fest im Sattel, mit der konkreten Aussicht, es weitere drei Jahre zu bleiben, während in Nachbarländern wie Österreich und Frankreich solide Koalitionen ins Wanken geraten sind. Melonis neofaschistische Regierungspartei „Fratelli d‘Italia“ fühlt sich dem konservativen Flügel der CDU parteipolitisch und inhaltlich am nächsten. Schutz der Tradition und der Familie, Einsatz für den Erhalt der nationalen Industrie und der Kampf gegen die illegale Einwanderung, Kritik an der überbordende Bürokratie in Brüssel sind einige Themen, die Melonis Partei mit der CDU teilt.
Meloni pflegt gute Beziehungen zum Chef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), obwohl ihre Gruppierung in Europa der Partei der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) angehört. Einen guten Draht hat Meloni auch zur EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU), mit der sie immer wieder Strategie in Sachen Migration berät. Weniger Sympathie hat die italienische Ministerpräsidentin dagegen für die AfD. Anders als Meloni setzt die AfD auf eine möglichst große Nähe zu Russland, die Regierung in Rom unterstützt dagegen konkret die ukrainische Regierung.
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Stefan Brändle, Frankreich: Menschliche Komponente spielt in der deutsch-französischen Beziehung stets mit
Im Elysée-Palast wird man Olaf Scholz keine Tränen nachweinen: Präsident Emmanuel Macron kam mit dem Hanseaten nie klar. Der Sauerländer Friedrich Merz gilt als frankophiler, zugänglicher. Diese menschliche Komponente spielt in der komplexen deutsch-französischen Beziehung stets mit. Politisch befürchten die Franzosen allerdings weniger Nachsicht der CDU mit der Pariser Ausgabenpolitik. In Sachen Ukraine könnten Merz und Macron eher einig werden – Stichwort Taurus – , auch wenn Berlin von Paris mehr französisches Engagement fordern dürfte.