Berlin. Die Ampel-Regierung ist zerbrochen. Was heißt das für die Rentenfinanzen? Die Deutsche Rentenversicherung gibt einen Ausblick.
Kräftige Lohnerhöhungen in diesem Jahr kommen auch den über 21 Millionen Rentnern in Deutschland zugute. Nach Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) steigen die Bezüge der Ruheständler im kommenden Juli um 3,6 Prozent. Bei einer Monatsrente von 1000 Euro macht das ein Plus von 36 Euro, bei 1500 Euro sind es 54 Euro. Allerdings weist die DRV darauf hin, dass es sich um eine vorläufige Schätzung handelt. Die für die Anpassung notwendigen endgültigen Zahlen zur Lohnentwicklung liegen erst im März des kommenden Jahres vor.
Die jüngst beschlossene Erhöhung der Pflegebeiträge um 0,2 Prozentpunkte hat für die Rentner allerdings kuriose Folgen. Da sie die Anhebung im Gegensatz zu Arbeitnehmern alleine bezahlen müssen, steigt ihre Bruttorente leicht um 0,1 Prozentpunkte an. Denn sonst wird die Haltelinie beim Rentenniveau unterschritten. Auch die praktische Umsetzung wird sich wohl kompliziert gestalten. Da die Rentenversicherung wenigstens drei Monate Vorlauf braucht, um die höheren Sätze auch automatisch einzuziehen, ist das bis zum Beginn der Beitragssteigerung im Januar nicht mehr zu schaffen.
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Deshalb richtet sich die DRV darauf ein, die Erhöhung erst im Juli mit der allgemeinen Rentenanpassung von der Rente abzuziehen. Das bedeutet, dass die Rentner im Juli einmalig 1,4 Prozent weniger bekommen, ab August dann monatlich 0,2 Prozent. Eine bis in den Sommer hinein dauernde Regierungsbildung würde die Anpassung nicht verzögern. Eine Bundestagsmehrheit ist für die Rentenerhöhung nicht nötig. Das können die Bundesregierung und der Bundesrat entscheiden. Und die alte Regierung bleibt ja geschäftsführend bis zur Wahl einer neuen im Amt.
Ampel-Aus: Mehr Rentner, weniger Geld
Auch auf mittlere Sicht können die Rentner den Prognosen zufolge mit weiter steigenden Bezügen rechnen. Bis 2029 erhöhen sie sich um fast 18 Prozent. Doch die Ausgaben der Rentenversicherung steigen nicht nur dadurch kräftig an. Auch die wachsende Zahl der Rentner sorgt für deutlich höhere Ausgaben. Diese steigen in den kommenden fünf Jahren um 26 Prozent, die Einnahmen nur um 18 Prozent. Eine Anhebung des Beitragssatzes ist damit programmiert. In den beiden kommenden Jahren bleibt es bei 18,6 Prozent. Das ermöglichen die hohen Rücklagen der Rentenversicherung. Ende dieses Jahres hat die DRV mehr als 43 Milliarden Euro auf der hohen Kante. Die Rücklagen gleichen die Unterdeckung der Ausgaben zunächst aus. 2027 könnten sie dann so weit aufgebraucht sein, dass der Beitragssatz zunächst um 0,3 Prozentpunkt angehoben werden muss. „Das wäre die erste Anhebung seit 20 Jahren“, sagt Alexander Gunkel, DRV-Vorstand der Arbeitgeberseite. Ende des Jahrzehnts wird der Beitragssatz dann die Marke von 20 Prozent durchbrechen.
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Allerdings ist die Rentenversicherung verärgert über politische Eingriffe in ihre Finanzen. Insgesamt zehn Milliarden Euro habe die Bundesregierung durch Kürzungen des Bundeszuschusses der Rentenkasse zu Lasten der Beitragszahler entzogen und so den Bundeshaushalt entlastet, kritisiert Gunkel. In den kommenden Jahren soll es noch einmal zwei Milliarden Euro weniger geben. „Die Bundesregierung bricht damit zum wiederholten Male feste Finanzierungszusagen“, ärgert sich Anja Piel, die für die Arbeitnehmerseite im DRV-Vorstand sitzt.
„Die Rentenversicherung wird weiter zuverlässig die Rente zahlen“
Die weitere Entwicklung der Alterssicherung ist derzeit in vielen Punkten ungewiss. Das liegt unter anderem an der Frage, ob das von der Bundesregierung geplante Rentenpaket II noch verabschiedet wird. Es sieht eine langfristige Festschreibung des Rentenniveaus bei 48 Prozent vor und die Einführung eines Generationenkapitals auf Aktienbasis. Wahrscheinlich ist die Zustimmung des Parlaments nicht mehr. Der Unterschied zur gegenwärtigen Rechtslage ist beträchtlich, wie die DRV errechnet hat. So steigt der Beitragssatz mit dem Rentenpaket bis Ende des nächsten Jahrzehnts von heute 18,6 Prozent des Bruttolohns auf 22,4 Prozent an, ohne Rentenpaket nur auf 21,4 Prozent. Auf der anderen Seite bliebe das Rentenniveau mit Paket bei 48 Prozent, ohne würde es auf nur noch 45 Prozent sinken.
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Die vermutlich ausbleibenden Reformen dieses Jahres haben erst mit Verzögerung Auswirkungen auf die gesetzliche Rente. Zunächst einmal ändert sich gar nichts. „Die Rentenversicherung wird weiter zuverlässig die Rente zahlen“, versichert Gunkel. Ab 2026 könnte dann allerdings das Rentenniveau unter die Marke von 48 Prozent sinken. Das würde aber keine Kürzung der Renten bedeuten, sondern nur einen geringeren Anstieg der Bezüge. Bis Ende des kommenden Jahres ist das Rentenniveau noch auf mindestens 48 Prozent festgeschrieben. Auch der Beitragssatz bleibt aufgrund dieser Haltelinie im kommenden Jahr stabil.
Die gesetzliche Alterssicherung ist ein finanzieller Riese
Auch andere Bestandteile des Rentenpakets II wirken sich auf die Rentenfinanzen aus, positiv wie negativ. Sollten die Anreize für Arbeitnehmer zum längeren Verbleib im Berufsleben doch noch verabschiedet werden, erwartet Gunkel daraus Belastungen für die Rentenkasse von etwa einer Milliarde Euro. Vorgesehen war zum Beispiel eine Prämie für die betreffenden Arbeitnehmer sowie die beitragsfreie Auszahlung der Löhne nach dem Erreichen der Altersgrenze. Werden diese Regelungen nicht umgesetzt, fällt die Finanzprognose der Rentenkasse entsprechend besser aus. Das Generationenkapital hat nach Einschätzung Gunkels keine Chance mehr auf eine Umsetzung. Das habe in dieser Form keine Partei gefordert, sondern sei nur ein Kompromiss der Ampelparteien.
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Zu konkreten Forderungen an eine neue Bundesregierung mag sich die Rentenversicherung derzeit nicht äußern. Man spreche mit allen Parteien, heißt es nur. Am weiteren Reformbedarf lässt die DRV allerdings keinen Zweifel. „Wichtig ist, notwendige Reformen frühzeitig auf den Weg zu bringen“, sagt Gunkel. Ungelöst ist zum Beispiel immer noch die Einbeziehung der Selbstständigen in die gesetzliche Rente.
Die gesetzliche Alterssicherung ist ein finanzieller Riese. In diesem Jahr steigen die Einnahmen durch hohe Lohnsteigerungen um gut fünf Prozent auf rund 305 Milliarden Euro. Darin enthalten sind auch Bundeszuschüsse von über 100 Milliarden Euro, unter anderem für die Anrechnung von Kindererziehungsleistungen. Dennoch bleibt am Jahresende wohl ein Minus von etwa zwei Milliarden Euro zu verzeichnen. Das Minus wird aus den Rücklagen gedeckt.