Washington. Der Druck auf den Präsidenten nach dem TV-Debakel wird größer. Michelle Obama hätte bessere Chancen gegen Trump – Kamala Harris auch.
Es sind für Joe Biden ungünstig kommunizierende Röhren. Der Versuch des Weißen Hauses, die mitleiderregende TV-Debatten-Vorstellung des US-Präsidenten vor einer Woche in Atlanta als Ausreißer darzustellen, fällt in sich zusammen. Gleichzeitig bekommt die Biden-steht-das-durch-Front Risse.
So sehr, dass der 81-Jährige laut New York Times gegenüber Vertrauten erstmals einen Rückzug von der Kandidatur nicht mehr kategorisch ausgeschlossen haben soll. Biden sei sich darüber bewusst, dass seine Wahlkampagne vor dem Aus stünde, wenn er die Wähler nicht zügig davon überzeugen könne, dass er dem Amt gewachsen ist, schreibt das Blatt.
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Darum seien die kommenden Tage absolut kritisch, das wisse Biden. Auftritte mit Aussetzern wie beim Fernseh-Duell mit Donald Trump könne sich der älteste Präsident der USA nicht mehr leisten, so die NY Times. Regierungssprecher Andrew Bates sagt, der Bericht sei „absolut falsch“. Biden selber erklärte am Mittwoch bei einer Telefonkonferenz mit Parteifreunden: „Ich trete an. Niemand schiebt mich raus. Ich weiche nicht. Ich bleibe bis zum Ende in diesem Rennen und wir werden gewinnen.“
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Biden kann sich keinen weiteren Faux-pas mehr leisten
Erste Demokraten im Kongress rufen unterdessen offiziell nach dem Rückzug des 81-Jährigen. So sagte der Texaner Lloyd Doggett, Biden müsse den Weg für eine Verjüngung ebnen, um seine bewundernswerte Karriere nicht zu verschatten.
Aus den Formulierungen von einflussreichen Parteimitgliedern sind Absatzbewegungen zu erkennen. So sagte die frühere Nr. 3 im Staat, Nancy Pelosi, dass Joe Biden die „berechtigte” Frage beantworten müsse, ob sein teils geistesabwesender Aufritt bei CNN eine „Episode” gewesen sei. Oder ob es sich um einen „Gesundheitszustand” handele. Genau das ist unklar.
Biden selber erklkärte bei einer Wahlveranstaltung in McLean vor den Toren Washingtons, er sei in den Wochen zuvor oft um die Welt gereist (Frankreich, Italien etc.) und habe nicht auf seine Berater gehört. „Ich war nicht sehr schlau.” Am Abend des Duells mit Trump sei er auf der Bühne „fast eingeschlafen”.
Joe Biden sagt über sich selbst: „Ich war nicht sehr schlau“
Bidens Stabschef Jeff Zients verpflichtete am Mittwoch alle Mitarbeiter der Regierungszentrale zu einer Telefon-Konferenz, in der eine einheitliche Kommunikationsstrategie festgelegt werden soll. Dahinter steht wachsender Unmut in der Belegschaft. Mitarbeiter des Weißen Hauses beschreiben die derzeitige Stimmung als „furchtbar bis verzweifelt”. Grund: Biden und sein engster Kreis schotteten sich „ungeschickt” ab vor der anschwellenden Bugwelle der Kritik, die dem ältesten Präsidenten der US-Geschichte den Rückzug vor dem Parteitag in sieben Wochen in Chicago nahelegt.
Passend dazu: Aus Regierungskreisen sickern immer mehr anonyme Stimmen an die Öffentlichkeit durch, die beschreiben, dass engste Mitarbeiter mindestens seit einem Jahr einen deutlichen Abfall der mentalen Fähigkeiten Bidens miterlebt haben wollen. Das sagt der frühere „Watergate”-Skandal-Enthüller Carl Bernstein. Er beschreibt eine Situation, in der Biden von jetzt auf gleich völlig versteift gewesen sei. Man habe einen Stuhl herbeischaffen müssen, um einen Fall zu verhindern.
Laut Bernstein gab es seit Anfang 2023 bis zu 20 Vorfälle, bei denen Biden hinter verschlossenen Türen plötzlich den Faden verlor und nicht mehr wiederfand. Der damalige Stabschef des Präsidenten, Ron Klain, habe Hinweise auf das „Problem” wiederholt zurückgewiesen. Weil parteiinterne Umfragen ergeben haben sollen, dass Biden vor allem in wahlentscheidenden Bundesstaaten wie Michigan und Pennsylvania nach der Debatte Stimmenanteile eingebüßt hat, will das Weiße Haus die Schadensbegrenzung intensivieren.
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Kamala Harris: Einige Demokraten befürworten sie als Nachfolgerin
In einem seltenen Fernsehinterview wird Biden am Freitag und Sonntag auf den ABC-Moderator George Stephanopolous treffen. Er war in den 1990er Jahren Bill Clintons Kommunikationschef. Biden wird dann mit zwei neue Nuancen konfrontiert. Eine Umfrage des „Reuters/Ipsos”-Verbundes zeigt, dass die frühere First Lady Michelle Obama (die partout nicht in die Politik will) die einzige Demokratin wäre, die Donald Trump im November deutlich (50:39 Prozent) schlagen könnte. Joe Biden und seine potenziellen Erben von Gavin Newsom (kalifornischer Gouverneur) bis Gretchen Whitmer (Michigan) liegen erkennbar schlechter.
Hingegen steigt Bidens oft kritisierte Vizepräsidentin Kamala Harris in der Wählergunst. Nach einer neuen CNN-Umfrage werden der früheren Generalstaatsanwältin Kaliforniens erstmals bessere Chancen gegen Trump eingeräumt als Biden. Der frühere Präsidentschaftskandidat Tim Ryan stellte sich am Dienstag demonstrativ hinter die 59-Jährige. Er lobte ihre Arbeit und stellte fest, dass sich die Demokraten nicht erlauben könnten, bei der Suche nach einem etwaigen Biden-Nachfolger die erste afro-amerikanische Vize-Präsidentin der Geschichte der USA zu übergehen.
James Clyburn, der einflussreiche schwarze Kongress-Abgeordnete aus South Carolina, ohne den Biden 2020 nie die Präsidentschaftskandidatur erlangt hätte, signalisierte bereits Harris seine Unterstützung zu, falls Joe Biden aussteigt. Der Druck auf den Präsidenten, „seine Entscheidung zum Weitermachen zu überdenken”, sagte ein ehemaliger US-Botschafter am Mittwoch dieser Zeitung, „wird in den nächsten Tagen noch riesig”.
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