Berlin. Ein Körpersprache-Profi analysiert die US-Präsidentschaftsanwärter im TV-Duell. Er sagt: Mit einer Reaktion kam Biden fast smart rüber.
Desaströs für Joe Biden, so lautet die einhellige Meinung von Beobachtern zum TV-Duell. Selbst Mitglieder der Demokratischen Partei sind schockiert. Dabei waren es weniger die Aussagen des amtierenden US-Präsidenten, die für Aufsehen sorgen, sondern der Gesamteindruck. Körpersprache-Experte Stefan Verra erklärt, wie Donald Trump Punkte für sich machen konnte – und wo Joe Biden smart wirkte.
Herr Verra, was kann man über die körpersprachlichen Signale sagen, die die beiden Kandidaten beim Duell ausgesendet haben?
Stefan Verra: Schon in den ersten fünf Sekunden war klar, was uns erwarten wird! Joe Biden geht auf die Bühne und wirkt sehr alt. Das Duell hat auch gezeigt, wie sehr die Körpersprache Einfluss auf unser Wahlverhalten hat: Wenn wir jetzt Menschen fragen würden, die sich die ganze Debatte angeschaut haben, worum es inhaltlich gegangen ist und wer für welche Punkte steht, dann wird fast niemand eine Antwort haben. Es wird jetzt weltweit nur mehr über den Zustand der Kandidaten gesprochen.
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Das Alter war schon im Vorfeld eines der größten Handicaps für Joe Biden …
Richtig, aber was heißt schon Alter? Da geht es immer um die Amplitude der Körpersprache. Mit fortschreitendem Alter werden unsere Bewegungen kleiner. Joe Biden kam in Trippelschritten auf die Bühne. Das sieht man oft im Seniorenheim, wo die alten Menschen ihre Füße langsam nach vorn schieben. Da ist nichts zu beschönigen. Das Nächste ist: Er hebt die Hand, zeigt einmal auf sein Rednerpult, sehr zögerlich. Und das Unangenehmste ist das kleinste Signal: Er wendet seinen Kopf nur sehr wenig. Die Bewegung kommt fast ausschließlich aus den Augenwinkeln. Das kennt jeder Autofahrer. Je älter man wird, desto schwerer tut man sich, sich nach hinten zu drehen.
Zur Person
Stefan Verra ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten. Zu seinen Auftraggebern zählen die Nato, US Navy sowie Unternehmen und Organisationen. Verra schreibt Bücher und gibt Körpersprache-Tipps in den sozialen Netzwerken.
Donald Trump ist nur ein paar Jahre jünger als Biden. Wie hat er auf Sie gewirkt?
Das ist interessant: Er macht körpersprachlich eigentlich alles richtig. Er muss nur aufpassen, nicht zu extrem zu sein, um die Wähler, die politisch in der Mitte stehen und noch unentschlossen sind, nur ja nicht zu verschrecken. Die eindeutigen Demokraten wird er ohnehin nicht bekommen. Er kommt also auf die Bühne, ein sehr missmutiger Blick, Sakko offen, er schlendert fast zum Rednerpult. Das ist eine Aussage für sich! Offensichtlich will er mit diesem Schlendern sagen: Ja gut, dann mache ich es halt, aber Lust habe ich keine.
Trump ist also körpersprachlich eindeutig der Sieger dieses Duells?
Selbst wenn man eigentlich eher auf Joe Bidens Seite gestanden hat, muss man sagen: Das war wirklich eine sehr schwache Performance. Wenn man beide beobachtet hat, wurde klar: Donald Trump hat, auch wenn er nicht dran war, kleine Bewegungen im Gesicht erkennen lassen. Ganz anders bei Joe Biden: Wenn er zuhörte, war sein Gesicht wie eingefroren. Sein Blick starrte ins Leere, der Mund war leicht geöffnet. Eigentlich ein Zeichen dafür, dass sein Gehirn voll im Einsatz ist und er sich konzentriert. Die Teile des Hirns, die sonst für die Bewegungsabläufe zuständig sind, sind völlig ausgeschaltet. Man kennt das von kleinen Kindern, wenn man sie vor den Fernseher setzt. Das Signal ist: Da ist jemand überfordert. Aber das ist paradox, denn Bidens Antworten waren inhaltlich viel tiefgehender und konsistenter als Trumps, der Allgemeinplätze verbreitete wie „Wir müssen die Wirtschaft stärken“.
Konkret: Wie hat Trump Sie mit seiner Mimik und Gestik überzeugt?
Trump ist zwar nur wenig jünger als Biden. Aber in dem Fall zählt auch der Vergleich zwischen beiden. Trump ist viel beweglicher und vielfältiger in seinen Bewegungen, er spielt mit seiner Mimik. Seine Bewegungen gehen auf Brusthöhe, er unterstützt seine Aussagen mit seinen Handbewegungen. Das wirkt sehr lebendig. Allerdings müssen wir das immer im Verhältnis sehen: Mit Barack Obama oder Giorgia Meloni daneben würden wir schnell merken, dass auch Trump gar keine so jugendliche Ausstrahlung hat.
Wo hat Joe Biden körpersprachlich punkten können?
Er hat immerhin aufblitzen lassen, wie einfach es wäre, smart zu wirken. Als Donald Trump behauptet, er habe zwei Intelligenztests haushoch bestanden, hält Biden das offenkundig für völlig absurd. Er zieht einen Mundwinkel nach oben, wirkt plötzlich sehr süffisant, fast schon spitzbübisch. Solche schnellen Reaktionen lassen ihn weitaus wacher wirken als all die inhaltlichen Aussagen, die er getätigt hat.
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Joe Biden hat ein gesundheitliches Problem mit seiner Stimme. Wie sehr hat das seinen Auftritt beeinträchtigt?
Schon bei der ersten Wortmeldung fällt auf, wie viel schwächer seine Stimme im Vergleich zu Trump und den beiden Moderatoren ist. Er räuspert sich sehr oft, hält viel zu lange die Faust vor seinen Mund, und er blinzelt dabei sehr oft. Joe Biden hat von Kindheit an ein paar sprachliche Probleme. Das wäre nicht das große Thema, aber das Gesamtbild, die heisere Stimme, das leise Sprechen, diese Monotonie in der Stimme – damit hat er einfach verwirkt, kraftvoll rüberzukommen. Der Auftritt hat ernste Zweifel daran geweckt, dass er dieses Amt weitere vier Jahre ausüben könnte.
Welche Wirkung hatte der Split-Screen, bei dem man beide Kandidaten gleichzeitig sehen konnte?
Der Vorteil ist, dass man wie im echten Leben nicht nur den Redner sieht, sondern immer die gesamte Umgebung. Das wollen wir als Zuschauer, deswegen ist es eine gute Idee. Trotzdem ist es etwas befremdlich, weil sie mehrere Meter voneinander entfernt standen. Eine natürlichere Sichtweise wäre besser, indem beide dichter beieinanderstehen. Letztlich gibt uns auch der Abstand Aufschluss darüber, wie zwei Menschen aufeinander reagieren.
Haben Sie die Abneigung, die offenbar zwischen beiden herrscht, auch anhand ihrer Körpersprache erkannt?
Donald Trump ist niemand, der besonders viel Positives ausstrahlt. Außerdem zeigt er seine Emotionen deutlicher. Joe Biden ist in seiner Wirkung insgesamt positiver. Aber seine Bewegungen sind so klein, dass man nur schwer erkennen kann, was Biden nun gerade empfindet und wie er zu den Aussagen Donald Trumps steht.
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