Berlin. Erdwärme ist eine emissionsfreie und nachhaltige Möglichkeit für neue Heizungen. Warum sich Geothermie dennoch nicht für jeden lohnt.
Auf der Suche nach erneuerbaren Energiequellen geht der Blick in vielen Teilen Deutschlands in diesen Tagen nach unten, auf den Boden. Oder genauer – noch darunter. Denn unter der Oberfläche ruht eine Art energetischer Schatz. Erdwärme oder Geothermie beschreibt die Energie, die im Erdinneren durch den Zerfall von radioaktiven Elementen entsteht. Pro hundert Meter, die man dem Erdkern näherkommt, steigt die Temperatur im Schnitt um drei Grad. Und schon dicht unter der Oberfläche ist es warm genug, um mit der Energie der Erde ganze Häuser zu heißen.
Bisher wird dieses Potenzial in Deutschland wenig genutzt. Doch mit den Plänen der Bundesregierung, die Wärmeversorgung in Deutschland klimaneutral zu machen, rückt auch Geothermie zunehmend in den Blick. Grundsätzlich unterscheidet man zwei Formen der Geothermie: die oberflächennahe Geothermie, bei der Erdschichten bis 400 Meter genutzt werden, und die mitteltiefe bis tiefe Geothermie, bei der bis zu fünf Kilometer unter die Erde gebohrt wird.
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Oberflächennahe Geothermie wird häufig eingesetzt, um Einfamilienhäuser zu versorgen, funktioniert aber auch bei größeren Gebäuden. Das Prinzip ist simpel: Die Wärme des Bodens wird über wärmetragende Flüssigkeiten in Rohren aufgenommen und an die Oberfläche geleitet, wo eine Wärmepumpe sie dann in den Heizkreislauf des Hauses einspeist.
Heizung: Wärmepumpen in Kombination mit Geothermie sind effizienter als die Alternativen
Technisch gibt es verschiedenen Optionen. Erdwärmekollektoren werden großflächig ein bis eineinhalb Meter unter der Erdoberfläche verlegt, in den Rohren fließt eine Mischung aus Wasser und Frostschutzmittel, die sich auf dem Weg durch die Kollektoren erwärmt. Größere Erdarbeiten sind nötig, wenn Erdwärmesonden zum Einsatz kommen. Die Rohre laufen dann senkrecht nach unten, die Bohrungen können mehr als 100 Meter tief werden. Rund 470.000 Anlagen mit oberflächennaher Geothermie gibt es nach Angaben des Bundesverbands Geothermie in Deutschland, allein 2022 seien 31.000 neue hinzugekommen.
Wärmepumpen, die Geothermie nutzen, sind verglichen mit anderen rund 20 Prozent effizienter, sagt Martin Brandis, Experte der Energieberatung der Verbraucherzentrale. „Aber Geothermie ist in der Installation teurer, weil das Erdreich erschlossen werden muss.“ Mit Investitionskosten ab 40.000 Euro müsse man am Anfang rechnen. „Wann sich das lohnt, hängt vom individuellen Verbrauch ab“, sagt Brandis. Ohnehin sei bei Einfamilienhäusern Geothermie vor allem im Neubau interessant, im Bestand oft schwierig.
Dort liegt das größere Potenzial für die Energiewende in der mittleren und tiefen Geothermie. Denn mit der Wärme der Erde können ganze Stadtviertel geheizt werden. Die Energie ist wetterunabhängig und praktisch unbegrenzt verfügbar, und die Systeme erreichen die nötigen Temperaturen für Wärmenetze.
Expertin: Geothermie kann 2045 ein Viertel des deutschen Wärmebedarfs decken
Üblich in Deutschland ist die Nutzung sogenannter hydrothermaler Tiefengeothermie. Dabei werden Aquifere, also tiefe, wasserführende Gesteinsschichten angezapft. Die Wärme, die das geförderte Wasser mitbringt, wird über einen Wärmetauscher entzogen, das abgekühlte Wasser wird zurück in das Aquifer geleitet. Diese Wasservorräte in der Tiefe gibt es allerdings nicht überall in Deutschland. Gut geeignet für diese Art von tiefer Geothermie sind vor allem die norddeutsche Ebene, der Oberrheingraben und Teile Bayerns nördlich der Alpen. Seltener kommen tiefe Erdwärmesonden zum Einsatz.
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Das Ausbaupotenzial ist groß, sagt Eva Schill, Expertin für Geothermie vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „25 Prozent des gesamten Wärmebedarfs in Deutschland könnte man bis 2045 über Tiefengeothermie decken.“ Im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie ist die Wärme in den tieferen Erdschichten allerdings deutlich schwerer zu erschließen. Bohrungen in Tausenden Meter Tiefe sind aufwendig und teuer, was viele Versorger bisher abgeschreckt hat. Und auch bei präziser Vorbereitung ist nicht garantiert, dass die Bohrer am Ende ein Aquifer treffen.
Vor dem Hintergrund des Gesetzes zur kommunalen Wärmeplanung allerdings, das derzeit im Bundestag beraten wird und Kommunen unter anderem verpflichten soll, bestehende Wärmenetze klimaneutral umzubauen, steigt das Interesse. Zunehmend würden sich Energieversorger mit Fragen zum Thema an sie wenden, sagt Expertin Schill. Und auch der Bundesverband Geothermie verzeichnet eine steigende Aufmerksamkeit für das Thema: Workshops für Stadtwerke seien regelmäßig ausgebucht, heißt es auf Anfrage. Der Geothermie-Kongress, den der Verband organisiert, habe in diesem Jahr 25 Prozent mehr Besucher gehabt als sonst.
Geothermie: Die Bundesregierung plant mit 100 neuen Anlagen bis 2030
Auch die Bundesregierung setzt auf dem Weg zur Klimaneutralität auf Geothermie. Im vergangenen Jahr veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium Eckpunkte einer Erdwärmekampagne, die als Ziel zehn Terawattstunden Kapazität für 2030 vorgeben. 100 neue geothermische Projekte sollen bis dahin angestoßen werden. Aktuell zählt der Bundesverband Geothermie in ganz Deutschland 42 Anlagen, die tiefe Geothermie nutzen.
100 Anlagen bis 2030 würden etwa 200 neue Bohrungen bedeuten, sagt Eva Schill. „Das ist realistisch.“ Aber um dieses Ziel zu erreichen, müsse man jetzt anfangen. Denn Planung und Genehmigung können je nach Standort komplex sein. Drei Jahre könne es dauern, bis gebohrt wird, sagt Schill. „Und dann dauert es noch einmal eineinhalb oder zwei Jahre, bis etwas fließt.“ Ein Problem: Anfangen kostet Geld. Und es gibt keine Sicherheit, dass sich der Einsatz dieses Geldes tatsächlich rechnet.
„Die Investitionskosten am Anfang sind hoch, gerade für kleine und mittlere Stadtwerke“, sagt ein Sprecher des Verbands kommunaler Unternehmen. „Und man riskiert immer, am Ende zu bohren und doch keine Wärmequelle zu finden.“ Nötig seien deshalb deutlich bessere Daten über die Beschaffenheit des Bodens – und eine Versicherung für den Fall, dass der Erfolg ausbleibt. „Wir brauchen dringend die Fündigkeitsrisikoversicherung, die im Koalitionsvertrag angekündigt wurde“, heißt es vom VKU. „Ohne wird es schwierig, das Potenzial der Geothermie wirklich auszunutzen.“
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Kommunale Unternehmen wollen mehr Absicherung durch die Politik
Beides – die verbesserte Datengrundlage und eine Fündigkeitsrisikoversicherung – findet sich als Vorhaben auch in der Koalitionsvereinbarung der Ampel-Regierung. Doch bislang ist wenig passiert. Die ersten Daten zur oberflächennahen Geothermie sollen laut Wirtschaftsministerium Ende 2023 zugänglich gemacht werden. Ein Gesetz zur Absicherung des Fündigkeitsrisikos fehlt noch immer.
Doch vielleicht geht es in Zukunft auch ohne, das zeigt ein Projekt im bayerischen Geretsried. Dort hatte man vor zehn Jahren nach heißem Wasser gebohrt – fand aber nur heißen Stein. Eine Geothermie-Anlage entsteht hier jetzt allerdings trotzdem: Die kanadische Firma Eavor hat ein Verfahren entwickelt, bei dem „Loops“, also geschlossene Schlaufen aus Rohren, horizontal in den Stein getrieben werden. Wasser, das durch diese Kanäle geleitet wird, nimmt die Hitze des Steins auf und nimmt sie mit auf seinem Weg an die Oberfläche. Schon 2024, hoffen die Betreiber, sollen so die ersten Häuser geheizt werden.