Moskau. Zur Amtseinführung spart Russlands Präsident Wladimir Putin nicht an Prunk und Protz. Muss er übertünchen, was nicht so rund läuft?

Drei Tage dauert das Spektakel, mit dem sich der alte und neue russische Präsident in Szene setzen will. Am Dienstag die Amtseinführung und Vereidigung von Wladimir Putin, am Mittwoch der Gipfel der Eurasischen Wirtschaftsunion mit vielen ausländischen Staatsgästen und am Donnerstag dann auf dem Roten Platz in Moskau die traditionelle Siegesparade zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Quasi als Vorgeschmack können die Russen seit Tagen schon auf dem Park Pobeda, dem Siegespark in der Moskauer Innenstadt, Beutepanzer aus dem Ukrainekrieg besichtigen. Darunter auch ein deutscher Leopard-2-Panzer, unzerstört und angeblich fahrbereit.

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Drei Tage Inszenierung, doch viele Moskauerinnen und Moskauer interessiert das Ganze nur wenig. Sie verbringen die arbeitsfreien Tage lieber auf der Datscha außerhalb der Stadt. Dennoch strotzt der der Machtapparat im Kreml im dritten Jahr der Invasion vor Selbstbewusstsein – weil die russische Armee in der Ukraine auf dem Vormarsch ist, und auch weil die westlichen Sanktionen die Kriegsmaschinerie bisher weder stoppen noch das Land wirtschaftlich in die Knie zwingen konnten.

Putin legt Amtseid ab – und richtet Botschaft an den Westen

Am Dienstagmittag legte Putin den Eid für eine weitere Amtszeit ab. Damit beginnen für ihn sechs weitere Jahre als Staatschef. Die Zeremonie im Moskauer Kreml fand vor hochrangigen Gästen statt. Zu sehen war auch Ramsan Kadyrow, der angeblich schwer kranke Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien. Die Ukraine forderte dazu auf, Putin nicht mehr als legitimes Staatsoberhaupt von Russland anzusehen. Die USA blieben der Amtseinführung fern. Genauso wie die meisten Botschafter der EU-Mitgliedstaaten – darunter auch jener Deutschlands. Andere EU-Länder, wie zum Beispiel Frankreich, wollten Vertreter schicken.

„Wir sind ein einziges und großes Volk, und gemeinsam werden wir alle Hindernisse überwinden. Gemeinsam werden wir gewinnen“, sagte Putin bei seiner Vereidigung. „Wir werden das Schicksal Russlands selbst bestimmen, und nur für uns selbst — für heutige und zukünftige Generationen.“ Und weiter: „Wir lehnen den Dialog mit den westlichen Staaten nicht ab — die Wahl liegt bei ihnen.“

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Schon früher hatte der russische Präsident erklärt, eine neue multipolare Weltordnung anzustreben – weg von einer Vormachtstellung der USA. Die wirtschaftliche Dynamik sei gut, die Basis solide, sagte Putin Ende April. Russland verkauft Öl und Gas, vor allem in Richtung China und Indien. Die Kriegswirtschaft ist hochgefahren, Russland rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent in diesem Jahr. Die Beschäftigungslage sei gut, die Einkommen der Russinnen und Russen stabil, so Experten. „Die Erfolge Russlands bei der Adaption an den Krieg haben tatsächlich die Erwartungen übertroffen“, meint der Politologe Maxim Samorukow von der US-Denkfabrik Carnegie. „Es scheint, dass sich in Russland alles – vom militärisch-industriellen Komplex bis zu den Schulen – erfolgreich an die neue militärische Realität angepasst hat. Der Kreml kann es sich jetzt leisten, gegen die Ukraine und den Westen in den Krieg zu ziehen, solange es nötig ist.“

Putin mit innenpolitischen Problemen: Im Machtgebälk des Kreml knirscht es

Doch innenpolitisch kommt Russland nicht zur Ruhe. Und das wird für Wladimir Putin zum Problem. Die Sicherheitslage im Land ist alles andere als stabil. Der Schrecken über den Terroranschlag auf die Konzerthalle Crocus City Hall bei Moskau mit mindestens 144 Toten und Hunderten Verletzten hallt nach. Der Fall des hochrangigen Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanow beschäftigt die Öffentlichkeit. Er sitzt in Untersuchungshaft, wird verdächtigt, Bestechungsgelder angenommen zu haben. Das Vorgehen gegen den Vertrauten von Verteidigungsminister Sergei Schoigu zeigt nach Meinung von Experten, dass es im Machtgebälk des Kreml knirscht. „Die Widersprüche im Inneren des Systems wachsen“, sagt etwa der Politologe Andrei Perzew.

Der Anschlagsort von Ende März: Die Konzerthalle Crocus City Hall in Moskau ist niedergebrannt. Mindestens 144 Menschen verloren bei dem Terroranschlag ihr Leben.
Der Anschlagsort von Ende März: Die Konzerthalle Crocus City Hall in Moskau ist niedergebrannt. Mindestens 144 Menschen verloren bei dem Terroranschlag ihr Leben. © Bai Xueqi/XinHua/dpa | Unbekannt

Noch frisch ist die Erinnerung an den Aufstand des Chefs der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, vor einem Jahr. Dieser hatte Verteidigungsminister Schoigu massive Korruption und schwere Versäumnisse vorgeworfen. Prigoschin musste aufgeben, er starb bei einem bis heute nicht aufgeklärten Flugzeugabsturz. Die Grenzregionen zur Ukraine, vor allem Belgorod, sind ständig Angriffen von ukrainischer Seite ausgesetzt. Immer wieder gibt es Vorwürfe, dass Putin seine Sicherheitsversprechen nicht einhalten könne.

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Putins Wiederwahl war eine Wahl mitten im Krieg. Doch ein großes Wahlkampfthema war der Krieg nicht. Für Putin stehe das Thema natürlich an erster Stelle, meint der unabhängige russische Politologe Alexander Kynew. Doch in der russischen Bevölkerung mache sich Kriegsmüdigkeit breit. „Jedes Gespräch über den Krieg führt zu der Frage: Wann hört er auf?“, meint Kynew. „Die Staatsmacht hat darauf keine Antwort. Deshalb geht sie der Diskussion aus dem Weg.“ Ernsthafte Friedensverhandlungen sind aber nicht in Sicht.

Zwar betont Moskau fast täglich die Bereitschaft zu solchen Verhandlungen. Aber es bleiben Zweifel, dass Putin es ernst meint.

Noch ist Russland stabil. Wenn Putin 2030 erneut gewählt wird, dürfte er auch auf die längste Zeit eines russischen Herrschers zusteuern. Bereits 2028 hätte er den sowjetischen Diktator Josef Stalin eingeholt und später vielleicht auch Katharina die Große, die Russland 34 Jahre lang regiert hatte.