Berlin. Dass Israel auf die Attacke des Iran antworten wird, gilt als sicher. Es droht ein Flächenbrand – mit Gefahren für die ganze Welt.
Nach dem iranischen Angriff auf Israel hält die Welt den Atem an: Die Angst vor einem regionalen Flächenbrand und vor einem umfassenden Krieg ist groß. Wie wahrscheinlich ist es, dass sich die Lage weiter verschärft? Ein Überblick über die wichtigsten Szenarien.
Szenario 1 – Israel verzichtet auf einen Gegenschlag
Israel könnte – theoretisch – auf einen Gegenschlag verzichten, um die Gefahr einer unkontrollierbaren Eskalation zu vermeiden und die eigenen Streitkräfte nicht zu überdehnen. Israel hat die islamistische Hamas im Gazastreifen zwar deutlich geschwächt, aber nicht besiegt. Nach dieser Logik würde sich Israel auf die Vernichtung der Hamas – laut Premierminister Benjamin Netanjahu Kriegsziel Nummer eins – konzentrieren. Wahrscheinlich ist dieses Szenario aber nicht.
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Szenario 2 – Internationales Bündnis sorgt für Deeskalation
Der Nahe Osten ist Hochburg der fossilen Rohstoffe. Würde die Region im Kriegs-Chaos versinken, gingen die Preise für Öl und Gas durch die Decke. Die globale Konjunktur würde abgewürgt. Um dieses Risiko einzudämmen, könnte eine internationale diplomatische Feuerwehr-Mission entstehen.
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US-PräsidentJoe Biden will unter allen Umständen vermeiden, dass sein Land – Israels Schutzmacht – im Wahljahr in einen Krieg hineingezogen wird. China appellierte an die internationale Gemeinschaft, „insbesondere an Länder mit Einfluss, eine konstruktive Rolle für den Frieden und die Stabilität der Region zu spielen“. Ähnliche Signale gab es aus Moskau. Allerdings gibt Russland dem Westen eine Mitschuld an den Spannungen in der Region.
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Auch Ägypten und Saudi-Arabien bemühen sich um eine Entschärfung der Lage. Eine internationale Koalition mit dem Ziel der Deeskalation könnte zwar versuchen, mäßigend auf Israel und den Iran einzuwirken. Dass Jerusalem auf einen Gegenschlag verzichtet, ist allerdings unwahrscheinlich.
Szenario 3 – Israels startet gezielten Gegenschlag
Israels Außenminister Israel Katz deutete eine eher gemäßigte Aktion an. „Wir haben gesagt: Wenn der Iran Israel angreift, werden wir im Iran angreifen. Und dieses Bekenntnis ist immer noch gültig“, erklärte er am Sonntag. Die konkrete Frage einer möglichen Reaktion werde in einem angemessenen Rahmen unter Vorsitz von Netanjahu besprochen.
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„Israel wird wahrscheinlich kombinierte, aber selektive Angriffe durchführen. Es könnte Militärbasen im Iran, aber auch Stützpunkte schiitischer Milizen im Libanon, im Irak oder in Syrien attackieren. Dabei dürften Drohnen, ballistische Raketen und Kampfflugzeuge mit Abstandswaffen zum Einsatz kommen“, sagte Wolfgang Richter, ehemaliger Bundeswehr-Oberst und Militärexperte am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik, unserer Redaktion. „Ich rechne eher mit einem begrenzten Gegenschlag Israels gegen ausgewählte Ziele als mit einem voll umfänglichen Angriff auf den Iran, der zu einem Flächenbrand führen könnte.“ So könnten zum Beispiel die iranischen Luftwaffenstützpunkte attackiert werden, von denen aus die Angriffe auf Israel gestartet wurden.
„Ein großangelegter israelischer Gegenschlag wäre aber weder im Interesse Israels noch in dem der USA. Denn dann wäre man in einem offenen Krieg mit unabsehbaren Konsequenzen: Diese Eskalationsstufe wollen jedenfalls die USA und der Iran vermeiden“, betont Richter.
Szenario 4 – Israel attackiert iranische Atomanlagen
Einige Nahost-Experten bezeichnen den Angriff des Irans auf Israel als Akt der kalkulierten Abschreckung. Aus Teheraner Sicht sei die mutmaßlich israelische Attacke auf die iranische Botschaft in Damaskus, bei der so viele hochrangige Offiziere der Revolutionsgarden wie noch nie getötet wurden, ein Tabu-Bruch.
Dass der Iran erstmals Israel direkt attackiert hat, zeugt jedoch von der gestiegenen Risikobereitschaft des Mullah-Regimes. Teheran betrachtet Israel durch den seit mehr als sechs Monate andauernden Gaza-Krieg als geschwächt. Bei der Abwehr eines Mehrfronten-Krieges sei es von mächtigen Verbündeten wie den USA, Großbritannien oder Frankreich abhängig, schreiben iranische Staatsmedien.
Bei einem schweren Gegenschlag Israels – zum Beispiel auf iranische Atomanlagen – besteht die Gefahr, dass der Iran weiter eskaliert. Bei einer massiven Vergeltungsaktion steht zu befürchten, dass nicht nur der Iran, sondern auch seine mit ihm verbündeten schiitischen Milizen im Libanon, in Syrien, im Irak und im Jemen eine konzertierten Mehrfronten-Angriff gegen Israel starten.
Das wiederum birgt das Risiko eines weiteren schweren Gegenschlags Israels – die Eskalationsspirale wäre nach oben offen. Der Nahe Osten stünde in Flammen. Würden dann die USA, Großbritannien, Frankreich oder Deutschland (Sicherheit Israels als „Staatsräson“) Israel beistehen?
Aber selbst wenn Israel nur eine moderate Vergeltungsaktion durchführt, läge eine Eskalation in der Luft. Irans Armeechef Mohammed Bagheri drohte Israel mit scharfen Konsequenzen, egal wie ein Gegenschlag ausfallen würde: „Wir habe keinerlei Absicht, den Einsatz fortzuführen, aber wenn das zionistische Regime (Israel, die Red.) eine Aktion gegen die islamische Republik Iran unternimmt – ob das auf unserem Boden ist oder gegen unsere Zentren in Syrien oder anderswo – dann wäre unser nächster Einsatz sicher gewichtiger als dieser hier“, betonte Bagheri. Auch vor diesem Hintergrund steckt Israel bei der Wahl seiner Mittel in einem strategischen Dilemma.
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