Jerusalem. Am Freitag könnten erste Geiseln von der Hamas freigelassen werden. Viele von ihnen dürften dringend ärztliche Behandlungen benötigen.
Nach der Übereinkunft zwischen Israel und der Hamas verzögert sich die vereinbarte Freilassung von den in den Gazastreifen verschleppten Geiseln. Laut aktuellem Stand sollen am Freitag die ersten Personen überstellt werden – ursprünglich war von Donnerstag die Rede gewesen. Der Grund für die Verzögerung seien „Komplikationen in letzter Minute“ gewesen, heißt es.
Derweil äußerte sich der Vertrauensarzt der Angehörigen der Geiseln, Hagai Levine. Für die Familien habe die Anspannung ein Ausmaß erreicht, das einer „emotionalen Achterbahn“ gleicht, sagte er. „Sie wissen nicht, wie viele ihrer Angehörigen freigelassen werden, sie wissen nicht wann, und sie wissen nicht, wer es sein wird.“
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Hamas-Geiseln: Betreuung „extrem komplex“
Alle Geiseln, die in Israel ankommen, sollen sofort in eines von sechs Krankenhäusern überstellt werden. Die Betreuung der Geiseln sei „extrem komplex“, sagte der Arzt. Manche der Geiseln wurden am 7. Oktober schwer verwundet, haben ein Bein verloren oder Schusswunden erlitten. Sollten sie überlebt haben, dann mit schweren Folgeschäden. Mindestens ein Drittel der Geiseln sei chronisch krank. „Es gibt Menschen mit Diabetes, und niemand weiß, wie ihr Blutzuckerspiegel in diesen Wochen behandelt wurde“, sagte Levine. „Vielleicht sind sie blind, vielleicht haben ihre Nieren versagt – wir hoffen das Beste, sind aber auf das Schlimmste vorbereitet.“
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Auch Krebspatienten, die dringend eine Chemotherapie brauchen, gebe es unter den Verschleppten. Für alle Geiseln gelte, dass sie höchstwahrscheinlich an Mangelernährung leiden und schwer traumatisiert sind, sagte Levine. Am Anfang gehe es darum, abzuklären, was die Geiseln als Erstes brauchen: „Die eine braucht nichts dringender als eine Umarmung von der Mutter, der andere braucht eine Herzoperation.“ Und bei jeder freigelassenen Frau müsse schonend überprüft werden, ob sie Opfer sexualisierter Gewalt wurde.
Israel: Soldaten speziell für Geisel-Befreiungen geschult
Schon in den vergangenen Wochen wurden die Soldaten, die die Geiseln vom Roten Kreuz übernehmen sollen, dafür speziell geschult – vor allem, was den Umgang mit den Kindern betrifft. Sie lernten, die Kinder möglichst nicht ohne Erlaubnis zu berühren, so oft wie möglich ihren Vornamen zu verwenden und keine Fragen wie „Wo ist Mama, wo ist Papa“ zu beantworten – sondern nur zu betonen, dass man das Kind „an einen sicheren Ort“ bringen werde.
Dort liege es an den engsten Verwandten, den Kindern die Horrorbotschaft zu übermitteln: So etwa im Fall der dreijährigen Avigail, deren Eltern am 7. Oktober ermordet wurden. Dutzende Geiseln müssen zudem damit fertigwerden, dass ihre Dörfer abgebrannt wurden.
Levine erklärte, dass selbst die Freilassung traumatisch sein könne: „Vielleicht hat (die dreijährige, Anm. d. Red.) Avigail in den sechs Wochen zu einer Person Vertrauen gefunden, und jetzt wird sie erneut getrennt?“ Auch aus dem Umstand, dass nur Kinder und Frauen freigelassen werden, können sich dramatische Situationen ergeben: „Was ist, wenn Mutter und Kinder freikommen, aber der Vater bleibt in Gefangenschaft?“, fragte Levine.
Vom Rest der Welt werden die Kinder und Frauen jetzt erst einmal streng abgeschirmt – selbst von Verwandten, die nicht zum engen Familienkreis gehören. „Sie brauchen jetzt vor allem Ruhe“, sagte Levine. „Auf keinen Fall sollen sie das Gefühl haben, erneut überfallen zu werden.“
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