Berlin. Kommt die Ukraine jetzt doch an Marschflugkörper? Ein neuer Plan kursiert – und Militärexperte Masala hat eine klare Einschätzung dazu.

Er zählt zu den bekanntesten Militärexperten in Deutschland: Carlo Masala. Der 55-Jährige lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um die beiden Konflikte in der Ukraine und in Israel.

Deutschland erwägt offenbar einen Ringtausch für Marschflugkörper. Demnach gibt es Überlegungen, Nato-Partnern wie Großbritannien oder Frankreich Taurus-Raketen der Bundeswehr zu liefern. Im Gegenzug würden diese Länder dann ähnliche, nicht ganz so leistungsstarke Waffensysteme in die Ukraine exportieren. Was ist der Unterschied etwa zwischen den britischen Systemen und dem deutschen Taurus-System?

Carlo Masala: In erster Linie ist es die Reichweite. Taurus-Marschflugkörper fliegen deutlich weiter, nämlich bis zu 500 Kilometer weit. Bei den britischen Systemen des Typs „Storm Shadow“ gibt es zwei Varianten: eine für die eigene britische Luftwaffe und eine für den Export. Die Exportvariante kommt auf eine Reichweite von 250 Kilometern. In beiden Fällen liegt der Unterschied zur Taurus darin, dass der Pilot dichter an sein Ziel heranmuss, also potenziell einer größeren Gefahr ausgesetzt ist.

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Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass es zu diesem Ringtausch kommt?

Das ist nicht unwahrscheinlich. Bundeskanzler Olaf Scholz hätte die Debatte damit innenpolitisch vom Hals. Vor Kurzem hat die Ampel-Koalition einen Unionsantrag auf eine Taurus-Lieferung im Bundestag noch abgewehrt. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat angekündigt, die Ampel-Fraktionen würden im Februar einen eigenen Entwurf zur Taurus-Frage vorlegen. Mit dem Ringtausch würde der Kanzler diesem Vorstoß zuvorkommen. Deshalb erwarte ich auch eine rasche Entscheidung.

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Würde auch etwas dagegen sprechen?

Nein, eigentlich nicht. Die Ukraine kann die Marschflugkörper zwar gut gebrauchen – von einem echten Gamechanger kann man nicht sprechen, einen einzelnen Gamechanger gibt es im Krieg nicht. Aber die Debatte um mögliche deutsche Taurus-Lieferungen hält nun schon ein halbes Jahr an – die Ukraine hat es aufgegeben, uns darum zu bitten. Stattdessen wird in Kiew gesehen: Die Deutschen sind mittlerweile die größten militärischen Unterstützer der Ukraine. Wir werden ja geradezu umgarnt, kritische Worte von dort hören wir schon lange nicht mehr.

In der ukrainisch-russischen Grenzregion bei Belgorod ist am Mittwoch ein Militärflugzeug abgestürzt, Dutzende Menschen sind dabei offenbar ums Leben gekommen. Wer könnte hinter dem Flugzeugabsturz stecken?

Das ist noch völlig unklar. Man müsste auch wissen, wer genau in dem Flugzeug gesessen hat. Waren es tatsächlich ukrainische Kriegsgefangene? Die Russen behaupten, die Ukraine stecke dahinter. In der Tat gibt es Berichte, wonach die Russen versäumt haben sollen, die Ukrainer über diesen Gefangenentransport zu informieren und um einen besonderen Schutz dieses Luftraums zu bitten – diese Berichte sind allerdings mit großer Vorsicht zu genießen. Dass die Ukraine nun eine internationale Untersuchung des Vorfalls einfordert, ist verständlich. Aber dazu wird es nicht kommen, Russland wird das nicht zulassen.

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Was halten Sie von der These, eine westliche Abwehrrakete könne das Flugzeug abgeschossen haben?

Das wäre nur denkbar, wenn ein Patriot-System sehr nah an der Grenze stationiert gewesen wäre. Dafür haben wir allerdings keine Belege.

Kann der Vorfall Folgen für den Kriegsverlauf haben?

Nein. Ein Flugzeug ist im Grenzgebiet abgestürzt, das hat für den Krieg keine Auswirkungen.

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