Berlin. Liefern Leopard 2 und Co. nicht, was erwartet wurde? Ein Militäranalyst sagt: Die Panzer bringen es nicht. Warum er recht haben könnte.
Sind Panzer westlicher Bauart für den Krieg in der Ukraine ungeeignet? Zu diesem Schluss kommt ein ukrainischer Militäranalyst im "Wall Street Journal". Taras Chmut, Marineinfanterist und Direktor der "Come back alive"-Stiftung, sagte dem Blatt: "Viele der westlichen Panzer funktionieren (in der Ukraine) nicht, weil sie nicht auf einen Abnutzungskrieg ausgelegt sind, sondern auf Konflikte mit geringer oder mittlerer Intensität." Wenn man sie "in eine Großoffensive wirft, dann liefern sie einfach nicht ab".
Chmut, dessen Organisation Spenden sammelt um Ausrüstung und Ausbildung für ukrainische Soldatinnen und Soldaten zu beschaffen, riet den westlichen Verbündeten der Ukraine stattdessen einfache und günstige Systeme in großer Stückzahl zu liefern.
Russland wirft Panzermassen in die Schlacht
Es geht um Masse statt Klasse, eine Strategie, die Russland in der Ausrüstung seiner Streitkräfte seit vielen Jahrzehnten verfolgt. Die Pläne Putins, den T-80 wieder vom Band laufen zu lassen, sprechen in dieser Hinsicht Bände.
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Sein Superpanzer Armata bleibt ein Schreckgespenst, nicht zu realisieren, nicht in den anvisierten Stückzahlen. Die Panzer der bewährten T-Baureihen aber sind, anders als der Armata und ihre westlichen Gegenstücke, als Gebrauchsgegenstände konzipiert. Schnell gebaut und relativ billig, können sie in großer Zahl in eine Offensive geworfen werden. Wird einer beschädigt oder zerstört, nimmt ein neuer seinen Platz ein.
Ihr Verlust ist eingepreist, entsprechend einfacher sind T-72 und Co. konstruiert. Sie sollen einen Angriff nicht überleben müssen, im Depot warten Dutzend weitere auf ihren Einsatz. Und: Sie sind darauf ausgelegt, von Wehrpflichtigen bedient zu werden. Deren Ausbildung ist viel rudimentärer, als die von Berufssoldaten, die im Westen einen Großteil der Kräfte darstellen.
Vereinfacht gesagt ist die russische Armee vor allem darauf ausgelegt, ihren Gegner mit schierer Masse zu überwältigen und dabei Verluste in Kauf zu nehmen. Eine ebenso brutale wie effektive Form der Kriegsführung.
Das zeigt sich auch im Ukraine-Krieg: Das niederländische Open Source Intelligence Blog Oryx, eine anerkannte Quelle für Verluste in dem Konflikt, zählt rund 2300 verlorene russische Panzer seit Kriegsbeginn. Eine gigantische Zahl, die den Angreifer aber nicht davon abhält, seinen Krieg fortzusetzen.
Sie entspricht ziemlich exakt der Zahl an Panzern und Sturmgeschützen, die die Wehrmacht 1943 für die Schlacht von Kursk – gemeinhin als größte Panzerschlacht der Geschichte bekannt – zusammenzog und von denen die deutschen Truppen innerhalb von zwei Wochen rund 1200 verloren. "Unternehmen Zitadelle" endete in einer Niederlage und dem folgenden endgültigen Zusammenbruch der Ostfront. Nazideutschland war nicht mehr in der Lage, die Verluste auszugleichen. Russland stand, und steht, nicht vor diesem Problem.
Westliche Panzer sind auf den Kampf gegen Russland ausgelegt
Der Zahl russischer Panzerverluste im Ukraine-Krieg stehen Oryx-Angaben zufolge 656 verlorene Panzer auf ukrainischer Seite gegenüber; davon sind lediglich sechs von Typ Leopard 2 zerstört, ein britischer Challenger 2 und zwei schwedische Stridsvagn 122, die auf der deutschen Raubkatze basieren. Eine verschwindend geringe Zahl im Angesicht der russischen Verluste.
Wie also kommt Militäranalyst Chmut zu seiner Einschätzung, westliche Panzer lieferten "einfach nicht ab"? Schließlich wurden Leopard 2 und Co in den späten 70er-Jahren mit einem Feind im Kopf entwickelt: T-Panzermodelle aus sowjetischer Produktion, die in tiefen Keilen und mehreren Wellen über die norddeutsche Tiefebene nach Westen rollen.
Westliche Panzer waren, soweit man das über eine Waffe sagen kann, tatsächlich eher auf Verteidigung ausgelegt, und nicht darauf, den sowjetischen Feind anzugreifen und Richtung Moskau vorzustoßen. Eine Verteidigung zumal, für die die Nato im Zweifelsfall schneller zum Einsatz (taktischer) Atomwaffen gegriffen hätte, als der Gegner im Warschauer Pakt.
Dazu bieten westliche Panzer, unter anderem, vor allem eines: hervorragenden Schutz für ihre Besatzungen. Sie sollen, mühsam und mit viel Geld ausgebildet, möglichst lange einen Verteidigungskampf kämpfen können. Und genau das liefern die Panzer auch in der Ukraine. Panzergeneral Christian Freuding sagte unlängst im Bundeswehr-Youtube-Format "Nachgefragt": "Nach allem, was wir wissen, haben die Besatzungen (abgeschossener Leopard 2) die Zerstörung ihres Waffensystems überlebt."
Leopard 2 und Co. sind alleine nutzlos
Das Problem der westlichen Panzer in der Ukraine entsteht an anderer Stelle. Sie sind zum einen nicht in den Stückzahlen verfügbar, die es für eine Gegenoffensive, wie sie sich die Ukraine und westliche Medien vorstellt, braucht.
Und selbst wenn sie alle einmal geliefert sind: Brigadegeneral Björn Schulz, Kommandeur der Panzertruppenschule der Bundeswehr, stellt bei "Nachgefragt" fest, die westlichen Panzerlieferungen können den Krieg nicht entscheiden, sondern nur entscheidend beeinflussen. Leopard 2 und Co. sind ihren russischen Gegenstücken technologisch oft weit voraus, können Informationen schneller sammeln und verarbeiten, haben Nachtkampffähigkeiten und sind in der Lage, einen Feind aus der Bewegung heraus zu bekämpfen.
Große Vorteile – die sie allerdings nicht oder nur punktuell ausspielen können. Schulz spricht von einer "Überlegenheit von wenigen einzelnen Systemen", zu der es "in einer bestimmten Phase, in einem bestimmten Gefecht, gegenüber zahlenmäßig anderen Systemen kommen kann".
Diese Überlegenheit müsse zudem taktisch herausgearbeitet werden. Sprich: Nur der bessere Panzer gewinnt keine Schlacht, es kommt darauf an, wie er eingesetzt wird, welche Unterstützung er hat, etwa durch Infanterie, Artillerie und Luftwaffe. "Keiner kann sein Gefecht alleine führen", hält der Brigadegeneral dazu fest. Nur der Gesamtverbund sei in der Lage, "das Gefecht mit verbundenen Waffen, einen modernen Krieg, erfolgreich führen zu können".
Auch an dieser Stelle mangelt es in der Ukraine; seit Beginn der Gegenoffensive etwa klagen ukrainische Soldaten über mangelnde Luftunterstützung, versucht Selenskyj, seinen westlichen Partnern Kampfflugzeuge und weitreichende Artillerie abzuverhandeln.
Russische Verteidigung wirkt
Dazu kommt erschwerend: Russland hat sich in der Ukraine eingegraben, wartet hinter einer Hunderte Kilometer langen Verteidigungslinie auf die Ukrainer. Minengürtel und Panzersperren verhindern, dass die westlichen Panzer ihren zweiten großen Trumpf ausspielen: ihre Beweglichkeit.
Wo Minen den Weg versperren, ist es schlicht nicht möglich, einem Feind schnell in die Flanke zu fallen oder feindliche Panzer Nachts mit den eigenen zu umkreisen und sie aus der Bewegung heraus zu bekämpfen, ohne diesen die Möglichkeit zum Zurückfeuern zu geben. Was für die US-Armee mit ihren Abrams-Panzern im ersten Irak-Krieg ausgezeichnet funktioniert hat, ist in der Ukraine nur bedingt möglich.
Brigadegeneral Schulz dazu: "Es gibt (in der Ukraine) faktisch keinen Meter, wo ich frei manövrieren kann." Mienen, Panzergräben und -sperren auf der einen Seite, unzugängliches Gelände auf der anderen, dazwischen Verteidigungsstellungen für Infanterie oder Panzer. Wer hier erfolgreich sein will, muss über seinen Gegner bestens Bescheid wissen, Aufklärung betreiben, mit Drohnen und anderen einfachen Mitteln.
Insofern hat Militäranalyst Chmut nicht ganz unrecht in seiner Einschätzung, westliche Panzer "funktionieren in der Ukraine nicht". Zwar helfen die stählernen Ungetüme bei der Verteidigung, für die Offensive aber fehlen sie an vielen Stellen.
Auch der Ruf nach mehr billigen Systemen ist nachvollziehbar. Brigadegeneral Schulz deutet an, es brauche Drohnen, die bei der Aufklärung der russischen Verteidigung helfen, die "ganz gezielt Erkenntnisse geben können, da musst du jetzt mit deinem Fahrzeug angreifen". Immerhin: Die Ukrainer setzten bereits erfolgreich und mit einfachen Mitteln auf diese Aufklärung. Nur braucht es eben mehr davon. Auch interessant; Neuer Wagner-Mann an Putins Seite hat große Schwäche
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