Berlin. „Danni Lowinski“-Star Nadja Becker über ihre Erfahrungen mit Alltagssexismus und ihre neue Rolle, die alles andere als komfortabel ist.

Am bekanntesten ist Nadja Becker für die Serie „Danni Lowinski“. Doch nun könnte die 45-jährige Schauspielerin in einem neuen Erfolgsformat durchstarten. In der Hauptabendreihe „Feuerwehrfrauen“ (erste Folge am 13. September um 20.15 Uhr in der ARD) ist sie als eine der Titelheldinnen zu sehen. Auch wenn ihr vieles an diesem Beruf nicht angenehm wäre – die nötige Durchsetzungskraft bringt sie auf jeden Fall mit. Diese hat sie auch in der Auseinandersetzung mit Alltagssexismus trainiert.

Was verbindet Sie mit der Feuerwehrfrau Anja?

Nadja Becker: Ich bin wie sie eine patente Frau. Das habe ich wahrscheinlich von meiner Mutter geerbt. Daher würde ich in einer Notsituation, in der ich zum Glück noch nicht war, wohl auch gut funktionieren. Denn ich bin gut im Improvisieren.

Auch interessant

An welche Notsituationen denken Sie da?

Becker: Es gibt den Mythos von Müttern, die Autos hochstemmen, um ihre Kinder, die darunter liegen, zu befreien. Dieser Instinkt funktioniert bei mir ganz gut, auch wenn ich da nicht ins Detail gehen möchte.

Nadja Becker: „Frauen sind härter im Nehmen als Männer“

Heißt das, dass Sie auch für die Freiwillige Feuerwehr geeignet wären?

Becker: Eher nicht. Das habe ich schon bei den Dreharbeiten gemerkt. Es ist zum Beispiel wahnsinnig anstrengend, diese Ausrüstung zu tragen. Ich weiß nicht, wie viele Kilos das sind. Hinzu kommt noch der Helm, der die ganze Zeit am Kopf drückt. Bequem war das nicht.

Hätten Sie sich nicht eine gemütlichere Rolle aussuchen können?

Becker: Schauspieler loten gerne in ihrem Beruf Grenzen aus. Ich muss mich dafür ja in kein echtes Feuer stürzen, sondern lerne dafür die unterschiedlichen Herangehensweisen und Perspektiven meiner Figuren kennen.

Was war denn das Extremste, was Sie real erlebt haben?

Becker: Das ist sicher die Geburt meiner Tochter. Manches am Muttersein habe ich mir so vorgestellt, anderes ist super extrem, das hat mich überrascht.

Bereit für den Einsatz: Nadja Becker (r.) an der Seite von Katja Danowski in der neuen ARD-Filmreihe „Feuerwehrfrauen“.
Bereit für den Einsatz: Nadja Becker (r.) an der Seite von Katja Danowski in der neuen ARD-Filmreihe „Feuerwehrfrauen“. © ARD Degeto/Niklas Marc Heinecke | ARD Degeto

Sie sprachen gerade von den körperlichen Belastungen bei der Feuerwehr. Sind Sie als Frau dafür nicht besser geeignet, weil Sie mit den Anstrengungen von Geburt und Mutterschaft zurechtkommen müssen?

Becker: Ich glaube auf jeden Fall, dass Frauen härter im Nehmen sind als Männer, was aber nicht heißt, dass sie für solche Berufe unbedingt besser geeignet sind. Bei einem Job wie Feuerwehrmann passt es natürlich, wenn man groß und breitschultrig ist, schon allein, weil die Instrumente so viel wiegen. Trotzdem sollte eine Frau die Möglichkeit haben, diesen und jeden anderen Beruf, den sie ausüben möchte, zu ergreifen, wenn sie das will.

Das könnte Sie auch interessieren: Leon Windscheid – „Es geht verdammt vielen Männern nicht gut“

Hatten Sie in jüngeren Jahren eigentlich den Eindruck, dass Sie den Männern völlig gleichgestellt sind?

Becker: Sagen wir mal so, mir ist im Alltag und im Beruf immer wieder Sexismus begegnet. Als „MeToo“ aufkam, habe ich mich gefragt, ob mir auch schon mal was passiert ist. Und mir ist klar geworden, dass ich das eigentlich oft erlebe.

Mehr aus der Serie „Meine erste Liebe“

Nadja Becker über Sexismus: „Gehe in die Konfrontation“

Wie konkret kann man sich das vorstellen?

Becker: Es gibt zum Beispiel Erhebungen, dass Frauen dazu tendieren, auf dem Bürgersteig auszuweichen, während Männer in der Regel geradeaus gehen, weil sie gewohnt sind, dass die anderen ausweichen. Als ich mal versucht habe, selbst so zu gehen, bin ich unzählige Male angerempelt worden. Als junge Frau werden ständig deine Grenzen überschritten und auch jetzt, wo ich älter bin, passiert mir das noch. Nur dass ich jetzt eben oft in die Konfrontation gehe.

Und Sie gehen immer noch geradeaus – auch im übertragenen Sinne?

Becker: Das tue ich, ja. Vielleicht wäre ich deshalb bei der Feuerwehr doch ganz gut aufgehoben. Ich übernehme gerne Verantwortung.

„Feuerwehrfrauen“ handelt von einer Freiwilligen Feuerwehr im ländlichen Norddeutschland, die von einer mysteriösen Brandserie in Atem gehalten wird.
„Feuerwehrfrauen“ handelt von einer Freiwilligen Feuerwehr im ländlichen Norddeutschland, die von einer mysteriösen Brandserie in Atem gehalten wird. © ARD Degeto/Andrea Küppers | ARD Degeto

Kommen diese Selbstsicherheit und Souveränität auch vom Älterwerden?

Becker: Wahrscheinlich. Früher habe ich mich gefragt, warum das Leben ein stetiges Auf und Ab ist und warum es nicht einfach mal immer gut sein kann. Jetzt im Alter ist mir klar geworden, dass es Nonstop-Stabilität und Stetigkeit einfach nicht gibt.

Nadja Becker über Dreharbeiten: „Sind nun mal nicht in Hollywood“

Und deshalb suchen Sie auch bei Ihrer Arbeit extreme Erfahrungen?

Becker: Na ja, ich habe ein kleines Kind, und bei den Kämpfen des Alltags weiß ich nicht, ob ich mich zurzeit in eine Rolle hineinwerfen würde, die mich komplett auffrisst. Ein Kollege meinte einmal, er würde einen furchtbaren Dreh, bei dem ein toller Film herauskommt, immer einer guten Drehzeit vorziehen, bei der ein mittelmäßiger Film entsteht. Aber ich möchte mein Leben nicht für ein Projekt aufopfern. Wir sind nun mal nicht in Hollywood. Die Schauspieler dort haben ein Jahr oder länger Zeit, um sich auf eine Rolle vorzubereiten. Ich kriege tendenziell morgen den Text fürs E-Casting, die nächste Woche muss ich zum Casting nach Berlin und drehe dann wenige Wochen später.

Lesen Sie auch: Uwe Ochsenknecht – „Meine Familie war ziemlich dysfunktional“

Gehen Sie bei Drehs auch im übertragenen Sinne geradeaus, selbst wenn Sie angerempelt werden?

Becker: Ich mache vieles, aber das muss dann auch gut begründet sein. Früher gab es den klassischen Fall, wenn man in bestimmten Szenen sein T-Shirt ausziehen sollte – Stichwort „MeToo“. Aber mit der Begründung „Das sieht gut aus“ kann man mich definitiv nicht dazu bewegen. Was ich suche, das ist ein wirklich gutes Miteinander auf Augenhöhe. Mit schlauen Menschen, die lustig sind und nicht alles so ernst nehmen, ist das Arbeiten und Leben wirklich eine tolle Sache, und diesen Austausch wünsche ich mir immer.