Berlin. Windscheid hält „toxische“ Männlichkeit für gefährlich. Hier erklärt er, was helfen könnte und was sich Männer von Frauen abschauen können.
- Das Thema Männlichkeit treibt TV-Psychologe Leon Windscheid schon lange um
- Etwa die Tatsache, dass Männer, obwohl es ihnen schlecht geht, selten Therapien in Anspruch nehmen
- Hier verrät Windscheid, was helfen könnte, damit es der Männerwelt wieder besser geht
Ab dem 8. September führt Promi–Psychologe Leon Windscheid in drei „Terra Xplore“–Sendungen in die verschiedenen Aspekte der viel zitierten „Toxischen Männlichkeit“ (18.30 Uhr im ZDF) ein. Doch der 35–Jährige beschäftigt sich mit allen Fragen, die sich um das menschliche Bewusstsein drehen. Auf diese Weise ist es ihm auch gelungen, den Hauptpreis bei „Wer wird Millionär?“ zu gewinnen. Was dafür nötig war, erklärt er im Interview.
In Ihren Veröffentlichungen beschäftigen Sie sich immer wieder mit den „Geheimnissen der Psyche“. Welche würden Sie denn gerne noch lüften?
Leon Windscheid: Unser Gehirn ist und bleibt für mich der faszinierendste Ort im Universum. Momentan beschäftige ich mich mit dem Phänomen des Perfektionismus und dem Gefühl, nie genug zu sein und immer mehr von sich abverlangen zu müssen. Das wird auch das Thema meiner neuen Tour „Alles Perfekt“ sein, die Ende November startet.
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Ist es nicht eine Grundeigenschaft des Menschen, immer besser werden zu wollen?
Windscheid: Die einfachste Antwort ist: „Nimm mal den Gang raus und entspanne dich mal.“ Aber der Mensch hat die Grundmotivation, sich weiterzuentwickeln. Die meisten Lebewesen sind an Wachstum interessiert. Deshalb muss es die Lösung sein, eine Balance zu finden. Einerseits will ich weiterkommen, andererseits darf ich nicht zu einem Rennpferd werden, das die ganze Zeit mit Scheuklappen dahin rennt und sich selbst die Sporen in die Seite haut.
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Waren Sie jemals ein Rennpferd?
Windscheid: Ich befürchte schon. Ich habe vor kurzem auf meinem Computer ein Dokument von 2014 gefunden, das hieß „Leons Lebensplan“. Da stand drin: „Du machst das Studium fertig, dann gehst du zu McKinsey und promovierst. Dann gehst du nochmal an eine Top-Uni im Ausland, und dann steigst du voll in die Unternehmensberatung ein.“
„Ich werde nachts wach und merke, dass es mir nicht gut geht“
Und jetzt denken Sie anders?
Windscheid: Etwas davon ist noch in mir drin. Ich bin ehrgeizig und will Ziele erreichen, was auch grundsätzlich richtig ist. Aber es gibt eben Momente, da werde ich nachts wach und merke, dass es mir körperlich nicht gut geht, weil ich mir zu viel aufgeladen habe. Ich habe die neue Show auch deshalb entwickelt, weil ich herausfinden möchte, was die richtige Balance ist.
In Ihrem neuen ZDF-Format beschäftigen Sie sich mit der Frage: „Wann ist ein Mann ein Mann?“ Was haben Sie dabei herausgefunden?
Windscheid: Das Thema Psychologie ist vielmehr ein Frauenthema, was ich schon allein daran merke, dass mir auf Instagram 80 Prozent Frauen folgen. Therapien werden mehr von Frauen angeboten. So gibt es in der Psychologie die große Diskussion, ob wir nicht die Männer vergessen. Auch wenn wir Männer Jahrtausende lang viel falsch gemacht haben, wollen wir in der Sendung zeigen, dass es verdammt vielen Männern nicht gut geht. Die Lösung besteht darin, dass wir das Mannsein nicht mehr so eng fassen. Es kann heißen, mit trainiertem Bizeps am Grill zu stehen und mit den Jungs ein Bier zu trinken, oder aber auch sich die Fingernägel zu lackieren und Röcke zu tragen.
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„Das Thema ‚Geschlecht‘ ist für mich eine Art Selbstbedienungsbuffet“
Fühlen Sie sich als Mann wohl in Ihrer Haut?
Windscheid: Ich bin gerne ein Mann. Ich mag es, dass ich eine gewisse Größe und eine tiefe Stimme habe. Es gibt auch vieles an mir, das ich überhaupt nicht mag – etwa, dass ich langsam eine kleine Tonsur auf dem Hinterkopf bekomme. Aber das Thema „Geschlecht“ ist für mich eher eine Art Selbstbedienungsbüffet. Es gibt Punkte, die als klassisch weiblich betrachtet werden, die ich für mich in Anspruch nehme – etwa sich mit seinen Gefühlen zu beschäftigen oder sich für soziale Verbindungen einzusetzen. Ich möchte das Beste aus beiden Welten. Damals auf dem Schulhof wurden Sprüche gedroschen wie: „Boa, ist das schwul“. Man wollte damit zeigen, dass man bloß kein Mädchen war. Heute denke ich mir: Wie diskriminierend und albern.
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Den Männern widmen Sie in dem Format drei Folgen. Frauen gelten ja als komplexer. Bedeutet das, dass man das weibliche Geschlecht mit wesentlich mehr Episoden behandeln müsste?
Windscheid: Die Forschung zeigt, dass es viel mehr Überlappung zwischen Männern und Frauen gibt. Abgesehen davon gibt es ja auch mehr als zwei klar voneinander abgegrenzte Geschlechter. Jedenfalls ist es ein Trugschluss zu sagen, Männer sind rationaler und können nicht fühlen und Frauen sind komplexer. Vieles wird uns von einer Gesellschaft antrainiert und anerzogen, die zwischen Männern und Frauen drastische Unterschiede macht. Ich will nicht die Geschlechtsunterschiede weg erklären, aber wir erschaffen einen beträchtlichen Anteil selbst. Wenn wir eine Staffel über Frauen machen würden, würden wir also auch nur drei Folgen benötigen.
Sie haben Ihre psychologischen Studien auch für andere Zwecke genutzt. Zum Beispiel haben Sie eine Million bei Günther Jauch gewonnen. Wie schafft man das?
Windscheid: Mit 80 Prozent Glück. Die anderen zehn Prozent bestehen daraus, dass man sich mit Jauch gut versteht und die restlichen zehn sind Wissen. Ich habe drei Monate lang zehn Stunden pro Tag gelernt. Ich hatte gerade meine Doktorarbeit eingereicht und konnte mich voll auf die Show konzentrieren. Man kann sich auf alles vorbereiten. Ich habe zum Beispiel auch in Boxershorts vor meinen Freunden gesessen, während diese mir Fragen gestellt haben, um der Angst vor Publikum zu sitzen etwas entgegenzuwirken. Das hat tatsächlich zu einem gewissen Grad funktioniert. Das menschliche Hirn ist dazu und zu vielem mehr in der Lage.
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Haben Sie es eigentlich jemals bereut, sich ein Schiff gekauft zu haben?
Windscheid: Alle haben mir davon abgeraten. Aber als der Freund, mit dem ich das angegangen bin, und ich die künftige MS Günther gesehen haben, wussten wir sofort: Die wird es. Und sie läuft als Event- und Kulturlocation besser denn je. Inzwischen arbeiten dort 40 Leute und wir sind bis zum St. Nimmerleinstag ausgebucht.
Kann man eigentlich Glück psychologisch anziehen?
Windscheid: Wir werden mit unterschiedlichsten Grundvoraussetzungen geboren, und mit solchen Erklärungen versuchen wir zu begründen, dass alles gerecht und fair ist. Aber das ist es oft nicht. Ich kann höchstens etwas zu meinem Glück beitragen, indem ich nett zu anderen bin. Wenn ich andere gut behandle, sollte zumindest die Wahrscheinlichkeit steigen, dass ich gut behandelt werde.
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