Berlin. Vom Filmstar zur Ärztin: Marianne Koch denkt mit 92 noch nicht ans Aufhören. Im Interview verrät sie ihre Tipps für ein langes Leben.
Generationen von Zuschauern wurden mit Marianne Koch groß – ob als Darstellerin in Filmen wie „Des Teufels General“ oder als Mitglied des Rateteams in „Was bin ich?“. Doch für die heute 92-Jährige führte die Karriere noch viel weiter – unter anderem als Ärztin mit eigener Praxis. Heute vermittelt sie ihr Know-how in Sendungen wie „Gesundheitsgespräch“ oder veröffentlicht Ratgeber wie „Mit Verstand altern“ (dtv). Im Interview erinnert sie sich an alte Kollegen wie Clint Eastwood und berichtet, wie ihre Mutter zum Vorbild wurde.
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Wann haben Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben bewusst realisiert: Ich werde älter?
Marianne Koch: Ich glaube, als ich mit 41 Jahren nach 20 Jahren Filmkarriere wieder in den Hörsaal der Medizinischen Klinik kam. Da lag die Frage in der Luft: „Was will die Alte hier?“ Aber im Ernst: Natürlich habe ich in den letzten Jahren gewisse Einschränkungen gespürt. Wobei ich wirklich Glück habe: Ich kann normal gehen, lesen, sehen und hören, ich kann weiterhin meine Sendung „Gesundheitsgespräch“ im Bayerischen Rundfunk machen, ich kann verreisen. Also noch alles gut.
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Ist „Glück“ ein anderes Wort für „gute Gene“?
Koch: Nicht nur. Aber meine Eltern und andere Verwandte sind tatsächlich bei klarem Verstand sehr alt geworden. Wobei man selbstverständlich nicht Sklave seiner Gene ist, sondern schon ziemlich viel selbst zu einem gesunden Altern beitragen kann. Viel Bewegung, auf einen normalen Blutdruck achten, gesund ernähren, kein stärkeres Übergewicht.
Marianne Koch verrät: Das ist wichtig für ein gesundes Leben
Sind das die entscheidenden Faktoren, um jung zu bleiben?
Koch: Mit am wichtigsten sind häufige soziale Kontakte und: neugierig bleiben. Das heißt, dass man Spaß an neuen Dingen hat. Die Wissenschaft nennt das „lebenslanges Lernen“. Auch mit gewissen körperlichen Einschränkungen kann man sich für neue Sachen interessieren. Was die Altersforscher noch als entscheidend nennen, ist eine positive Grundeinstellung zum Älterwerden. Die fernöstlichen Länder sind darin ein Vorbild. Da müssen wir noch ziemlich dazulernen.
So eine Haltung setzt ja auch eine gewisse Resilienz voraus. Wie kann man die erlangen?
Koch: Ich glaube, es ist außerordentlich wichtig, dass das Selbstbewusstsein schon bei Kindern und Jugendlichen gestärkt wird – von den Eltern und von den Lehrern. Wer immer nur hört: „Das schaffst Du doch nicht“, hat es später sicher schwerer. Dagegen ist dieses Gefühl: „Ja – ich bin jemand, ich werde mich im Leben zurechtfinden“, eine große Hilfe – gerade in späteren, vielleicht schwierigen Zeiten.
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Und dieses Gefühl haben Sie offensichtlich vermittelt bekommen?
Koch: Meine Mutter war alleinerziehend. Sie hat meinem Bruder und mir immer gesagt – selbst wenn wir wieder einmal Blödsinn gemacht hatten: „Ihr seid prima Kinder. Aus Euch wird sicher etwas.“ Und was sie noch gesagt hat: „Seid mutig. Traut Euch.“ Dieses „Traut Euch“ habe ich offensichtlich verinnerlicht, weil ich in meinem Leben beruflich ja öfters neue Dinge gemacht habe.
Marianne Koch: Diesen Regisseur fand sie besonders interessant
Inwieweit war Ihre Mutter ein Vorbild für Sie, wie man richtig älter wird?
Koch: Sie war vor allem ein Vorbild, was künstlerische und wissenschaftliche Interessen angeht. Und wie man unter härtesten Bedingungen – Krieg, Bombennächte – Ruhe und Zuversicht gegenüber seinen Kindern ausstrahlt. Auch ihr Älterwerden hat sie gelassen und mit Humor gelebt.
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Wir sprachen gerade von Resilienz. Wann in Ihrer Karriere als Schauspielerin war sie am meisten gefragt?
Koch: Da mir meine Karriere als Schauspielerin von Anfang bis Ende praktisch in den Schoß gelegt wurde, brauchte ich dafür keine besondere charakterliche Widerstandskraft. Ich war auch nicht durch irgendwelche „Me too“-Karriere-Versprechen erpressbar, eben weil ich die ganze Zeit wusste, dass ich ganz sicher wieder zur Medizin zurückgehen würde.
Einer Ihrer berühmten Kollegen von damals war Clint Eastwood, mit dem Sie den Westernklassiker „Für eine Handvoll Dollar“ gedreht haben. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass er mit 94 immer noch Regie führt?
Koch: Finden Sie das so bemerkenswert? Unsere Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten um zehn bis 15 Jahre gestiegen. Clint, der ja auch Zeit seines Lebens viele interessante Dinge außerhalb seiner Filmkarriere unternahm – eine Zeit lang war er Bürgermeister von Carmel – scheint eben geistig und körperlich fit zu sein.
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Haben Sie noch spezielle Erinnerungen an ihn? Oder war die Begegnung mit Gregory Peck, mit dem Sie auch gedreht haben, vielleicht sogar eindrucksvoller?
Koch: Clint war insofern bemerkenswert, als er damals – im Gegensatz zu manchen „normalen“ Schauspielern – fast schüchtern wirkte, ohne anzugeben und sich als toller Typ darzustellen. Er sprach damals schon davon, demnächst eigene Filme zu machen.
Aber der interessanteste Mann in diesem Film war sicher der Regisseur Sergio Leone, ein Typ voller Lebenslust, Liebe zu den Leuten, zu seiner Familie, die fast immer am Set war, zu Architektur, zu gutem Essen – für mich, die ich damals aus dem noch ziemlich grauen Deutschland kam, der Inbegriff der „Italianità“. In dem Film mit Gregory Peck – „Das Unsichtbare Netz“ – hatte ich nur eine kleine Rolle. Er war natürlich sehr attraktiv und unheimlich nett zu mir – aber das war es auch.
Marianne Koch: „Der menschliche Körper ist ein Wunderwerk“
Mit 41 wandten Sie indes der Schauspielerei den Rücken zu und nahmen ihr Medizinstudium wieder auf, das Sie 1974 mit dem Staatsexamen abschlossen. Wie schwer war dieser Umstieg?
Koch: Ganz leicht. Ich war ja endlich da, wo ich immer sein wollte. Gut, am Anfang bin ich ein wenig wie ein bunter Hund durch die Hörsäle gegangen. Aber dieser Zustand hat nicht lange gedauert, denn bald haben alle gemerkt, dass es mir mit dem Studium ernst war. Und für meine Gehirnzellen war es sicher fabelhaft, in diesem Alter noch richtig intensiv lernen zu müssen.
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Was ist für Sie das Spannendste an unseren Gehirnzellen?
Koch: Es gab vor ungefähr zehn Jahren den seriösen Versuch, das gesamte menschliche Gehirn mit seinen hundert Milliarden Zellen und Billionen Zellverbindungen eins zu eins in einem Computermodell zu simulieren. Dieses „Human Brain Projekt“ scheiterte aber gewaltig: Die Vielfalt und die ständigen Veränderungen der Zellen, die Entstehung von Gefühlen, von Gedächtnis, von Bewusstsein sind Rätsel, die wir nicht lösen können. Der menschliche Körper ist eben ein Wunderwerk.
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