Berlin. Die AfD will sich nicht von dem distanzieren, was in Potsdam passiert ist. Wir alle haben die Chance, daraus Konsequenzen zu ziehen.
Da treffen sich ein ehemaliger CDU-Senator, AfD-Politiker, Rechtsextreme. Sprechen über die Deportation von Bürgern, einige versuchen anschließend sogar noch, das als einen privaten Meinungsaustausch zu titulieren. Die Berliner AfD-Vorsitzende sagt in der RBB-Abendschau, sie sei da eigentlich nur wegen der schönen Dachterrasse hingekommen. Mich beschämt sehr, was in Potsdam und Berlin-Mitte passiert ist. Da wird versucht, den politischen Kompass zu verrücken.
Was ist passiert? Ursprünglich war die AfD gegründet worden, um eine politische Alternative zu sein. Bernd Lucke, Alexander Gauland und die anderen AfD-Gründer hatten den Eindruck, die CDU habe sich zu sehr in die Mitte bewegt. Man muss die damaligen politischen Positionen der AfD nicht teilen. Aber die Demokratie lebt vom Wettstreit unterschiedlicher Sichtweisen. Die Wahlerfolge der AfD legen nahe, dass die Ausgangsthese richtig war: Die CDU hat rechts von sich Platz für eine neue Partei entstehen lassen.
Die AfD hat es seit ihrer Gründung wie keine andere Partei verstanden, Emotionen in Wahlerfolge umzumünzen. Das funktionierte auch, weil die politische Willensbildung sich teilweise ins Internet verlagert hat. Früher wurde am Stammtisch gesagt, was man öffentlich nicht sagen wollte. Heute haben Facebook, Telegram und andere Kanäle dessen Funktion auf bizarre Weise übernommen und verändert.
Dort wird ebenso lautstark gepoltert, nur dass deutlich mehr Menschen teilnehmen. Auch solche, die gezielt agieren. Wer in Social Media die Emotionen trifft, hat die meisten Fans. Deshalb ist die AfD dort mit Abstand die Partei mit den meisten Fans. Der Demokratie hilft das nicht.
Bei Diskussionen über Deportation ist eine rote Linie überschritten
Nun trifft die neue Medienrealität zeitlich zusammen mit dem Zustand, dass Parteien generell weniger Bindungswirkung erzeugen. Es gibt weniger Stammwähler als früher, weniger Parteimitglieder. Und die AfD? Sie hat perfekt verstanden, das für sich nutzen. Viele Menschen trauen keiner Partei mehr zu, ihre Probleme zu erkennen oder zu lösen. Mit dieser Tatsache müssen die Parteien umgehen. Auch bei kontroversen Themen wie Migration, Armut und Sicherheit müssen sie nach Antworten suchen.
Unsere Demokratie lebt davon, dass um die besten Lösungen und Ideen gestritten wird. Westliche und christliche Grundwerte, gegossen in das Grundgesetz, sind dabei unverrückbar. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die AfD startete 2013 als Partei auf dem Boden dieses demokratischen Konsenses. Diesen Pfad haben führende Vertreter der Partei, und auch Teile der Basis verlassen.
Wenn Teile der AfD und Rechtsextreme über Deportationen diskutieren, ist eine rote Linie überschritten. AfD-Chefin Alice Weidel hätte sich von dem Treffen in Potsdam klar distanzieren können. Sie tut es nicht. Stattdessen relativiert sie und geht zum verbalen Gegenangriff über. Die AfD hat sich damit als demokratische „Alternative“ disqualifiziert.
Die Wählerinnen und Wähler müssen ein Zeichen setzen
Es ist an uns Wählerinnen und Wählern, daraus Schlüsse zu ziehen. Kann man so eine Partei wählen? Die nächste Bundestagswahl ist für ein Viertel der Berliner in wenigen Wochen. Wir alle können am 11. Februar ein Zeichen setzen, dass Antidemokraten in dieser Stadt keinen Platz haben. Wenn die jüngsten Ereignisse keine Auswirkung auf das Wahlergebnis haben, dann müssen wir uns ernsthaft Sorgen um unsere Demokratie machen.
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