Siegen. Schon 1904 fuhr in Siegen eine Straßenbahn. Und nach dem Zweiten Weltkrieg Busse mit Elektro-Antrieb. Im Zuge der Mobilitätswende wird wieder diskutiert.

Das Hüttental ist die zentrale Verkehrsachse des Siegerlands. Bahn, Stadtautobahn HTS, vielfach zweispurige Hauptverkehrsstraßen untendrunter (die Umweltspur ist schließlich auch für Busse da). Geht hier etwas schief, bricht umgehend Chaos aus. Wie es mit der Mobilität besser werden kann in Siegen, ist seit Jahren Thema. Eine Seilbahn auf den Haardter Berg, um den (in dieser Form nicht mehr vorhandenen) Verkehr zwischen Bahnhof Weidenau und Uni Siegen besser abzuwickeln oder unter der HTS, um auf der hochfrequentierten Hauptachse für Entlastung zu sorgen. Gleichzeitig soll der Verkehr emissionsärmer - sprich: elektrischer - werden. Ein Thema auch und gerade für den neuen Nahverkehrsplan (NVP), an dem der Kreis derzeit tüftelt.

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Seilbahn-Lösungen sind in vielen, oft sehr bergigen Metropolen Südamerikas ein im Alltag etabliertes Mobilitätsmittel; in Siegen hat das bislang wenig Aussicht auf Erfolg. Die Siegener Straßenbahn wurde zurückgebaut, als der Siegeszug des Automobils als Fahrzeug für die Massen begann und die Innenstadt autofreundlich wurden. Und auch für eine Art Hybridlösung gibt es derzeit zumindest keine Lösung: Oberleitungsbusse (“Obus“). Die fuhren auch schonmal in Siegen, nach der Straßenbahn. Die Volt-Fraktion hatte im Rat erfolglos vorgeschlagen, sie wieder einzuführen als weitergehenden Teil der Kritik der Stadt am Entwurf des Nahverkehrsplans.

In Siegen fahren viele Buslinien über die Hauptverkehrsachse - lohnt eine Stromleitung für Busse?

Dazu gehören neben Oberleitungsbussen auch die Elektrifizierung der Busflotte für ländliche Gebiete, Integration autonomer Fahrzeuge (ebenfalls mit Blick auf den ländlichen Raum) sowie „On-Demand-Verkehre“ - also solche Busse, die nur dann kommen, wenn sie von potenziellen Fahrgästen auch angefordert werden, beispielsweise per App. So könnten laut Volt Leerfahrten vermieden werden und dennoch auch entlegenere Ortsteile zuverlässig ins Nahverkehrsystem eingebunden werden. Nicht zuletzt werde der Individualverkehr reduziert, das Wohnen auf dem Land gewinne an Attraktivität.

„Das sind gigantische Konstruktionen.“

Marc Klein,
CDU, über Oberleitungssysteme an Autobahnen

Viele Buslinien fahren auf der zentralen Hauptstraße durchs Tal, hatte die Fraktion argumentiert - das mache es vergleichsweise einfach und kostengünstig, die notwendige Infrastruktur zu bauen. Die besteht aus Tragnetzen, im Grunde wie bei Straßenbahnen: Über der Fahrbahn verlaufen in konstanter Höhe die Oberleitungen, die E-Busse verfügen über Stromabnehmer, die in Kontakt mit dem Kabel stehen und so mit der nötigen Fahrenergie versorgt werden. „Das sind gigantische Konstruktionen“, meinte CDU-Fraktionschef Marc Klein mit Blick auf ein Modellprojekt an der A 5, wo Lastwagen per Oberleitung mit elektrischer Energie versorgt werden. Und damit wären auch gigantische Investitionen verbunden, die für Stadt oder Kreis kaum finanzierbar seien.

Ein Fahrzeug der Oberstadtbahn am Kölner Tor in Siegen. Die Aufnahme ist von 1912 (Repro: Wolfgang Leipold, Archiv).
Ein Fahrzeug der Oberstadtbahn am Kölner Tor in Siegen. Die Aufnahme ist von 1912 (Repro: Wolfgang Leipold, Archiv).

Mit dem Entwurf des Nahverkehrsplans sind Rat und Verwaltung in Siegen aber insgesamt nicht gerade zufrieden (wir berichteten). CDU, SPD, Grüne und Volt erhielten eine Mehrheit für ihren Antrag mit Ergänzungspunkten, an die sie ihre künftige Zustimmung zum NVP knüpfen.

Siegen will Modellprojekt für On-Demand-Verkehr: Ein Bus, der fährt, wohin Fahrgast will

Etwa die Schulzeitstaffelung: Man sehe keine Möglichkeiten, die Schulzeiten an den Nahverkehr anzupassen. Auf eine entsprechende Staffelung des Schulbeginns, die auch in anderen Kommunen diskutiert wird, soll in Siegen mit Blick auf Grundschul-Verbünde und den Pflichtanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 8 Uhr ausdrücklich verzichtet werden. Ähnliches soll für die Uni-Express-Linien (UX) gelten: Studierende müssten die Möglichkeit haben, zwischen Vorlesungen den Hochschulstandort im Stadtgebiet zu wechseln und pünktlich anzukommen.

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In Sachen „On Demand“ will die Stadt nicht auf den Kreis warten. Ein Modellprojekt soll in Siegen stattfinden, um Erfahrungen zu sammeln, wie ein solcher „Flex-Bus“ alltagstauglich eingesetzt werden kann. Geeignet wäre etwa die Zone Siegen-Süd (Eiserfeld, Niederschelden, Kaiserschacht). Andernorts sehen die Fraktionen die Anbindung ländlicher Stadtteile (Langenholdinghausen, Meiswinkel, Trupbach, Seelbach, Hermelsbach, Sohlbach-Buchen, Obersetzen) durch On-Demand-Verkehre in Gefahr; hier solle lieber geprüft werden, ob bestehende Linien als Solo- oder Taxibus angeboten werden können.

Siegen kritisiert „flächendeckende“ On-Demand-Busse: Und wenn kein Fahrzeug verfügbar ist?

Ein Taxibus fährt dabei eine definierte Route zu definierten Zeiten und muss 45 Minuten vor Abfahrt angefordert werden - vorgesehen in „Schwachverkehrszeiten“ als Alternative zum regulären Linienverkehr. Flexbusse haben keine feste Route und keine feste Zeit - sie fahren so, wie die Fahrgäste sich das wünschen. Allerdings abhängig von der Fahrzeugverfügbarkeit: Was machen die Kunden, wenn kein Fahrzeug verfügbar ist? Diese Fragen seien nicht geklärt, kritisiert die Stadt. Und auch, dass durch die Anmeldung 45 Minuten vorher Flexibilität und Spontanität verloren gingen - entscheidende Kritierien für einen attraktiven Nahverkehr. Besser wäre es, einen regulären, ausgedünnten Linienbetrieb in den Ortsteilen anzubieten und mit On-Demand-Fahrten zu verdichten.

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Der Rat erwartet vom Kreis außerdem Aussagen dazu, wie sich die Linienführung in der Innenstadt konkret ändern wird, da es die Brandschutzvorschriften untersagen, Elektro- und Wasserstoffbusse auf dem Busbereitstellungsplatz unter der HTS hinter dem Siegener Hauptbahnhof abzustellen. Zudem soll der Kreis ein Fahrrad-Verleihsystem fördern.