Siegen. Der Entwurf des Nahverkehrsplans sieht zwar ein besseres Angebot auch auf dem Land vor. Ein Anreiz zum Umsteigen vom Auto ist das aber nicht.

Der Kreistag wird am Freitag, 20. September, den Entwurf des Nahverkehrsplans verabschieden. Dann folgen Offenlegung und abschließende Überarbeitung, bevor im nächsten Jahr endgültig beschlossen wird. Danach werden die Konzessionen für die zum Teil neu geordneten Buslinien ausgeschrieben und vergeben. Wirksam wird der Plan ab Ende 2028. Der Bus-Nahverkehr wird attraktiver und teurer – Anreiz zum Umstieg bietet er aber immer noch nicht.

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Wie gut werden die Einwohnerinnen und Einwohner vom Nahverkehr erreicht?

Die Erschließungsqualität wird nach den Schweizer Güteklassen eingestuft. Die „I“ steht für den Bahnknoten, der spätestens alle neun Minuten bedient wird, die „V“ für die Bushaltestelle, in der der alle 40 Minuten ein Fahrtangebot besteht. Für Siegen-Wittgenstein hat das beauftragte Planungsbüro zusätzlich die Kategorien VI und VII eingeführt, „um einzelnen Bereichen in den Kreisen mit sehr geringen Takten Rechnung zu tragen“.  

Aus der Erschließungsqualität der jeweiligen Haltestellen und der Gehzeit zu den Haltestellen ergeben sich Güteklassen. „A“ bedeutet, dass der Fahrgast innerhalb von fünf Minuten eine Haltestelle erreicht, an der alle 20 Minuten ein Bus kommt. „F“ beginnt bei Fußwegen von mindestens siebeneinhalb Minuten zu Haltestellen, an denen frühestens alle 40 Minuten mit einem Bus zu rechnen ist. „A“ ist hochwertig „B“ ist sehr gut – beide Kategorien sind in Siegen-Wittgenstein nicht vertreten. Als „Basis“ wird die Gütestufe „E“ bezeichnet (in spätestens 15 Minuten an einer Haltestelle mit mindestens 20-Minuten-Takt oder in siebeneinhalb Minuten an einer Haltestelle mit mindestens 60-Minuten-Takt). Dieser Basis-Standard wird derzeit für 48 Prozent der Bevölkerung erreicht. Das soll künftig die Mindestanforderung für alle werden, täglich zwischen 6 und 20 Uhr.

„Insbesondere im Zentrum der Stadt Siegen und den Kommunen Kreuztal, Bad Laasphe und Wilnsdorf stellt sich im Vergleich zum Bestandsnetz zum Teil eine deutliche Verbesserung ein“, heißt es im Entwurf des Nahverkehrsplans.

Grundsätzlich sollen alle Orte mit mehr als 200 Einwohnern mit Linienbussen erreicht werden, kleinere Ortschaften mit Flexbussen, die spätestens eine Stunde nach Anforderung kommen, Für einen „qualitativ hochwertigen digitalen Bedarfsverkehr“, so schätzen die Planer, werden im Kreisgebiet 15 bis 25 Fahrzeuge gebraucht.

Wo es keinen Bahnanschluss gibt, fahren Schnellbusse. Zusätzlich zu den bestehenden Schnellbuslinien werden eine SB 6 von Freudenberg über Siegen und Netphen nach Hilchenbach und eine SB 7 von Bad Berleburg nach Bad Laasphe eingeplant – „sofern Fördermittel vom Land zur Verfügung gestellt wird“, schränkt Stefan Wied, Geschäftsführer des Zweckverbandes Personennahverkehr (ZWS) im Verkehrsausschuss des Kreistags ein.

Wie oft kommt der Bus?

Verkehrsspitzen in Siegen-Wittgenstein sind morgens zwischen 7 und 8 Uhr, mittags zwischen 13 und 14 Uhr und nachmittags zwischen 15 und 16 Uhr. „Für den Kreis Siegen-Wittgenstein zeigt sich, dass die morgendliche Spitzenstunde gut mit einem erhöhten Fahrtenangebot aufgefangen wird. Nachmittags ist dies in der Spitzenstunde, mit Ausnahme der Schülerspitze in der Mittagszeit, allerdings nicht der Fall. Die Verkehrsnachfrage ist erhöht, das Fahrtenangebot jedoch nicht.“

Im neuen Nahverkehrsplan wird die Hauptverkehrszeit montags bis freitags zwischen 6.30 und 8 Uhr sowie zwischen 14.30 und 18 Uhr angesetzt. Vor 6.30 Uhr und nach 19.30 Uhr wird eine „Schwachverkehrszeit“ angenommen, die anderen Stunden dazwischen, also die Vormittage und frühen Abend, sollen mit dem „normalen“ Angebot auskommen.

Die Regionallinien fahren in den Hauptverkehrszeiten bis zu vier Mal stündlich, in den Schwachverkehrszeiten stündlich bis halbstündlich, die Citybusse durchweg ein- bis halbstündlich und die Schnellbusse in der Normalverkehrszeit stündlich. Die Uni-Expresslinie UX 1 fährt zwischen 6.30 Uhr und 0.30 Uhr, bis zu vier Mal stündlich zwischen 7.30 und 20,30 Uhr zur Vorlesungszeit und zwei Mal stündlich in den Semesterferien. Die weniger gefragten Verbindungen im Nebennetz sollen in der Regel stündlich bedient werden.

Im Hauptnetz mit der stärksten Nachfrage gibt es montags bis freitags ein Angebot von 4.30 Uhr bis 0.30 Uhr, im Nebennetz von 4.30 bis 22.30 Uhr. Im „Ergänzungsnetz“ – das sind die Bereiche, in denen gar keine Buslinien mehr fahren – werden Flexbusse, die bestellt werden und dann spätestens in einer Stunde da sind, von 5 bis 20.30 Uhr angeboten. Für die Wochenenden sind mehr Bedarfsverkehre vorgesehen, im Nebennetz grundsätzlich Taxibusse samstags nach 19 Uhr und sonntags ganztägig.

Zwei Millionen Kilometer mehr

Insgesamt wächst die Betriebsleistung im Kreis Siegen-Wittgenstein um 22 Prozent an. Jährlich werden dann 12,574 Millionen Klometer statt bisher 10,267 Millionen Kilometer gefahren, davon 2,072 Millionen mit Flex- und Taxibussen. Am stärksten ist der Zuwachs bei den Flex- und Taxibussen (plus 292 Prozent), bei den Schnellbussen (plus 74 Prozent) und beim Uniexpress (plus 48 Prozent). Angebotsverbesserungen gibt es in allen Kommunen mit Ausnahme von Siegen und Burbach.

Die jährlichen Kosten für den Linienverkehr steigen von 35,393 auf 40,118 Millionen Euro, für den Bedarfsverkehr von 1,349 auf 3,935 Millionen Euro. Insgesamt betragen die jährlichen Mehrkosten 8,65 Millionen Euro. „Sollte der Ausgleich des Defizits nicht in Gänze möglich sein, kann eine Reduktion des Fahrangebots erforderlich werden“, heißt es im Nahverkehrsplan.

Wie attraktiv ist der Umstieg vom Auto auf den Bus?

Weiteres Bewertungskriterium sind die Reisezeiten. Attraktiv ist der Umstieg auf Bus und Bahn, wenn man höchstens anderthalbmal so lang zum Ziel braucht wie mit dem eigenen Auto, wobei die Zeiten für den Weg zur Haltestelle ebenso berücksichtigt werden wie die Dauer der Parkplatzsuche. Für Siegen-Wittgenstein wurde der Wert 2,68 ermittelt: Die Hälfte aller Fahrten mit Bus und Bahn ist noch länger als das 2,68-fache der Fahrten mit dem Auto, die andere Hälfte kürzer (Stadt Siegen: 2,53).

Wenn der Nahverkehrsplan umgesetzt wird, verbessert sich das allgemeine Reisezeitverhältnis im Kreis Siegen-Wittgenstein von 2,68 auf 2,45 (Stadt Siegen: 2,43). „Ein Wert von unter 2,1 zeigt an, dass der ÖPNV gerade noch konkurrenzfähig ist. Bei einem ungünstigeren Reisezeitverhältnis von über 2,1 ist der ÖPNV für wahlfreie Personen keine Alternative mehr.“ Entsprechend wird mit einem Anstieg des Anteils des öffentlichen Nahverkehrs am Gesamtverkehr nur von acht auf neun Prozent gerechnet,

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Wie schnell ist der Bus?

Von jeder Haltestelle soll mindestens der Siedlungsschwerpunkt eines Mittelzentrums (Bad Berleburg, Bad Laasphe, Kreuztal, Neunkirchen) oder des Oberzentrums Siegen in maximal 30 Minuten ohne Umsteigen erreicht werden können.

Zur Erhöhung von Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit im Busverkehr sollen Ampeln besonders auf Regional- und Schnellbusstrecken eine ÖPNV-Beeinflussungsanlage bekommen, also vom Bus aus gesteuert werden können. Bei „stauanfälligen“ Verbindungen sollen alternative Linienwege geprüft werden. Busbuchten werden „auf ein notwendiges Mindestmaß“ reduziert, in der Regel soll der Bus also auf der Fahrbahn halten.

Wer umsteigen muss, soll bei Fahrten von bis zu einer Stunde höchstens 15 Minuten, bei längeren Fahrten höchstens 22,5 Minuten warten müssen. Längere Wartezeiten „genügen nicht den Ansprüchen an eine attraktive ÖPNV-Verbindung und sind daher vollständig zu vermeiden“, heißt es im Nahverkehrsplan.

Wie komfortabel ist der Bus?

Bei Fahrten mit Fahrzeiten von mehr als 15 Minuten oder einer Länge von mehr als drei Kilometern soll für jeden Fahrgast ein Sitzplatz zur Verfügung stehen. Die Fahrradmitnahme „ist grundsätzlich zu ermöglichen“, heißt es in dem Plan weiter. „Bei hoher Auslastung ist im Konfliktfall durch das Fahrpersonal zu moderieren, dass Fahrgäste mit Hilfsmitteln wie Rollstühlen, Rollatoren und Kinderwagen einen Vorzug gegenüber der Fahrradbeförderung genießen.“

Fahrscheine können auch bargeldlos bezahlt werden, das Fahrpersonal spricht auch Englisch („wünschenswert sind Grundkenntnisse“).

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