Kreuztal/Siegen. Nahverkehrsplan Siegen-Wittgenstein: Die alten L-Buslinien auf dem Land sollen zwar wegfallen - neue Flexbusse die Verkehrsleistung aber verdoppeln.
Öffentlicher Nahverkehr findet in Zukunft außerhalb der Hauptverkehrsachsen nicht mehr nach Fahrplan statt, sondern auf Anforderung der Fahrgäste („On Demand“). Neben den Flexbussen, die die Verbindung aus ihren „Bediengebieten“ zu den nächsten Bus- und Bahnknotenpunkten herstellen, spielen dabei auch die Bürgerbusse eine Rolle. „Im Einvernehmen mit dem jeweiligen Verein soll bei der betrieblichen Entwicklung der kommunalen On-Demand-Verkehre geprüft werden, ob und wie die Vereine Teil des Systems werden können“, heißt es im Entwurf des neuen Nahverkehrsplans. „Dies gilt auch für das Taxigewerbe als wichtige Stütze des öffentlichen Personenverkehrs.“
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Die neue Rolle der Bürgerbusse für den Nahverkehr in Siegen-Wittgenstein
Die Bürgerbusvereine stehen nun vor der Entscheidung, ob sie Teil des On-Demand-Angebotes werden und damit auch die normalen Tickets, möglicherweise mit „Komfortzuschlag“, anerkennen und ihnen im Gegenzug eine „auskömmliche Finanzierung“ bekommen. Oder ob sie selbstständig bleiben. Der Unterschied zwischen Flexbus und Bürgerbus soll bleiben: „Der Haustür-zu-Haustür-Service bleibt den Bürgerbusvereinen vorbehalten. Die On-Demand-Verkehre werden hingegen mit einem System aus festen und gegebenenfalls virtuellen Haltestellen umgesetzt“, heißt es im Entwurf des Nahverkehrsplans.
„Die Bürgerbusse in Kreuztal und Wilnsdorf setzen sich dafür ein, ihre Dienste auf ein bürgernahes, bedarfsorientiertes Modell mit einem Inseltarif umzustellen“, heißt es in einer Erklärung der Bürgerbusvereine im ZWS-Gebiet. „Dieses Modell ist nicht an feste Linien oder Fahrpläne gebunden. Der Fahrgast wählt als Start- oder Zielort eine Bürgerbus-Haltestelle, wobei der zweite Ort frei wählbar ist, zum Beispiel die eigene Wohnadresse. Fahrten müssen vorab telefonisch oder digital bestellt und bestätigt werden.“ Ausdrücklich abgelehnt wird aber der Westfalentarif. „Das komplexe Verbundpreismodell ist schwer verständlich und bietet keine adäquate Entschädigung für die Bürgerbusfahrten.“
Die neuen Flexbusse in Siegen-Wittgenstein
Auch beim ÖPNV-Forum im Siegener Lyz wurde jetzt der Entwurf des neuen Nahverkehrsplans vorgestellt. „Vielerorts im Kreisgebiet verschwindet ein Baustein der Daseinsvorsorge nach dem anderen: Erst war die Post weg, dann der Arzt, irgendwann hat das letzte Geschäft zugemacht. Die Kita ist oft noch das Letzte, was es tatsächlich im Dorf gibt. Wenn die Infrastruktur nicht mehr bei den Leuten vor Ort ist, wie bringen wir dann die Menschen dorthin, wo es die Dinge gibt, die sie brauchen?“, fragt Landrat Andreas Müller.
„Die Vision, dass künftig alle Ortschaften des Kreises an den ÖPNV angeschlossen werden, ist keine Utopie. Mit On-Demand-Verkehren wie dem Flexbus wird das möglich sein.“
Ziel sei es, mehr Menschen den Umstieg auf den ÖPNV durch ein besseres Angebot zu erleichtern, heißt es in der Pressemitteilung aus dem Kreishaus. Das soll unter anderem durch On-Demand-Verkehre, also keine regelmäßigen, sondern nur bei Bedarf buchbare Mobilitätsangebote erreicht werden. „Die Vision, dass künftig alle Ortschaften des Kreises an den ÖPNV angeschlossen werden, ist keine Utopie. Heute sind wir davon allerdings noch meilenweit entfernt. Mit On-Demand-Verkehren wie dem Flexbus wird das möglich sein“, so Landrat Andreas Müller.
Siegen-Wittgenstein: Flexbusse sind doppelt so oft da wie die alten L-Linien
Flexbusse können digital oder telefonisch gebucht werden, kommen spätestens 60 Minuten nach der Bestellung und fahren bis zum nächsten Verknüpfungspunkt mit einer Bahn- oder einer R-Linie. Dies ermögliche erstmals eine Anschließung aller Orte im Kreis, was besonders den Siedlungen unter 250 Einwohnern zugutekommt. Unterm Strich kommen nach Schätzung des Zweckverbandes Personennahverkehr mehr als zwei Millionen zusätzlicher Fahrten im Jahr zusammen, dazu die höhere Taktung, in vielen Fällen kürzere Reisedauer und die Ausweitung der Bedienzeiten (wir berichteten).
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Der Wegfall der Lokal-„L“-Linien wird aus Sicht des ZWS nicht zu einer Verschlechterung des Angebote auf dem Land führen. Ersetzt werden sie durch fünf Flexbus-Bereiche. „Der neue Flexbus bringt eine stündliche Verfügbarkeit, was einer Verdoppelung der Verkehrsleistung entspricht.“ Hinzu kämen Regionallinien und separat eingerichtete Schulbuslinien für alle Dörfer im Kreis Siegen-Wittgenstein, teilt der Kreis mit.
Insgesamt werden 14 L-Linien gestrichen, die - so der ZWS - ohnehin nur im Zwei-Stunden-Takt und als vorzubestellende Taxibusse im Plan seien. Eine Reihe dieser L-Verbindungen soll in neue Ausbildungs- „A“-Linien umgewandelt werden, die dem Schülerverkehr dienen (also in den Ferien entfallen). Christian Kniep vom Zweckverband Personennahverkehr (ZWS) greift das Beispiel Netphen auf: Die Linie R 16 (Siegen-Hainchen) bleibt, die neue R 18 (Weidenau-Brauersdorf) und die neue Schnellbuslinie SB 6 (Freudenberg-Siegen-Netphen-Hilchenbach) sollen hinzukommen. Aus der L 163 nach Obernetphen und der L 165 Beienbach werden A-Linien. „Neu bei Beienbach ist zudem, dass man mit dem Bedarfsangebot neben Netphen nun zum Beispiel auch nach Deuz fahren kann oder direkt zum Freizeitbad in Netphen.“
Busse: Kreistag Siegen-Wittgenstein entscheidet im März über Nahverkehrsplan
Allen Städten und Gemeinden, Aufgabenträgern der Nachbarkreise, gesellschaftlich relevanten Gruppen und Trägern öffentlicher Belange wird jetzt die Möglichkeit gegeben, zum vorliegenden Entwurf Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahmen werden durch den ZWS gesammelt, aufbereitet und von den vom ZWS beauftragten Gutachtern bewertet. Diese Zusammenstellung bildet anschließend zusammen mit dem Entwurf des Nahverkehrsplans die Grundlage für die endgültige Beschlussfassung über den Nahverkehrsplan 2025. Die soll im nächsten Jahr durch den Kreistag voraussichtlich in seiner März-Sitzung erfolgen.
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