Siegen. Die drei großen Siegener Krankenhäuser sollen zusammenarbeiten wie ein großes Klinikum mit drei Standorten - fordern zwei. Sonst würden nur die Patienten leiden.
In gewisser Weise „durch die Hintertür“ kommt die Idee eines gemeinsamen großen Krankenhauses mit drei Standorten doch noch irgendwie nach Siegen. Vor ein paar Jahren war es das Projekt „Medizin neu denken“, mit dem die Uni von einem Medizinstudium in Siegen träumte, mit eigenem Universitätsklinikum, das sich auf Kreisklinikum, Marien und Stilling „verteilte“. Nicht alle Häuser wollten indes mitmachen, die medizinische Fakultät ging nach Ostwestfalen, Siegen ging leer aus - für so einen großen Schritt hätte es Einigkeit gebraucht, die enge Zusammenarbeit war nicht gewollt. Nun werde die Krankenhausplanung des Landes NRW dafür sorgen, dass diese Idee eine Renaissance erfährt - und das ist gut so, finden zumindest St. Marien-Krankenhaus und Klinikum Siegen: Weniger Wettbewerb, mehr Miteinander, angeordnet von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), zum Wohle der Patienten. Nur gemeinsam sei man stark.
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Denn die vergangenen Jahre seien nicht unbedingt glorreich für Siegen gewesen, findet Hans-Jürgen Winkelmann, Hauptgeschäftsführer der Mariengesellschaft. Die Auseinandersetzung um die Erbringung lukrativer medizinischer Spitzenleistungen sei in einen „ruinösen Wettbewerb“ ausgeufert, in dem sich die drei großen Krankenhäuser gegenseitig die Butter vom Brot nehmen würden. Die Kluft verläuft hier zwischen Klinikum Siegen und Mariengesellschaft auf der einen und der Diakonie auf der anderen Seite. Die medizinische Versorgung weiterzuentwickeln, schaffe aber kein Haus allein. „Es geht um Daseinsvorsorge, nicht um die freie Marktwirtschaft“, betont Winkelmann - man sei daher froh über den ordnungspolitischen Eingriff, den die Krankenhausreform bedeute: die vorhandenen Kompetenzen jeweils an einem Standort, in einem Haus zu bündeln, Leistungen nicht mehr parallel in verschiedenen Kliniken anzubieten, Mehrfachstrukturen zurückzubauen, Kliniken gleichsam zu optimieren. Wobei Grundleistungen natürlich weiter in jedem Haus angeboten würden.
Die Krankenhausreform bedeutet für Siegener Kliniken: „Versorgung wird nicht schlechter, sondern besser“
Das ist der Kern der Laumann‘schen Reform: Nicht mehr Fallzahlen und Betten sind die entscheidende Berechnungsgröße, sondern Leistungsgruppen. Die eine Klinik macht Neurologie und Psychiatrie, die andere Unfall- und Neurochirurgie, die nächste Herz- und Krebserkrankungen. Sehr vereinfacht dargestellt. Jedenfalls machen nicht mehr alle irgendwie alles, sondern es wird zentralisiert. Natürlich gibt es bereits Schwerpunkte, aber gewisse Leistungen werden eben auch parallel erbracht. Jedes Haus wird in bestimmten Bereichen gestärkt, andere werden zurückgebaut. Dagegen gab und gibt es Widerstand, nicht alle Häuser sind einverstanden, fürchten um Pfründe und Einkünfte.
„Es geht um Daseinsvorsorge, nicht um die freie Marktwirtschaft.“
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„Aber wir müssen uns fügen“, sagt Ingo Fölsing, Geschäftsführer des Klinikums Siegen. Er finde es auch nicht prickelnd, die Orthopädie abgeben zu müssen, „auch uns wird etwas weggenommen“. Aber unter dem Strich nicht - es werde umgeschichtet. Und die Versorgung der Menschen, der zentrale Auftrag der Krankenhäuser, werde besser - und nicht schlechter, wie verschiedentlich behauptet: „Nicht ein einziger Patient wird schlechter versorgt“, betont er. „Das sind wir den Patienten schuldig“, bekräftigt Prof. Martin Grond, Ärztlicher Direktor am Klinikum Siegen. „Wenn wir nicht vernünftig zusammenarbeiten, leiden die Patienten darunter. Dieses unappetitliche Gegeneinander - das kann doch so nicht weitergehen.“ Man sei nicht in erster Linie dafür da, um Geld zu verdienen, „sondern zum Wohle der Patienten.“ Die Reform bedeute eine große Chance für die Region.
NRW-Gesundheitsminister Laumann bestellt Siegener Klinik-Geschäftsführer ein: Zoff beenden
Man wolle den Streit zwischen den Krankenhäusern beenden, die neue Normalität akzeptieren, die gemeinsame Versorgung organisieren, bekräftigt Winkelmann bei dem gemeinsamen Termin von Klinikum und Mariengesellschaft, bei dem das Stilling nicht mit am Tisch saß. Es gelte, den klaren Auftrag des Ministeriums nun umsetzen, hieß es. Dem Vernehmen nach sei man bei der Diakonie überaus verschnupft über Art und Weise und Inhalte der Kommunikation.
„Wenn wir nicht vernünftig zusammenarbeiten, leiden die Patienten darunter. Dieses unappetitliche Gegeneinander - das kann doch so nicht weitergehen.“
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Minister Laumann habe kürzlich bei einem persönlichen Termin alle Klinik-Geschäftsführer dazu aufgefordert zusammenzuarbeiten, berichten Fölsing und Winkelmann: Der Gesundheitsminister habe sich der „Siegener Frage“ angenommen, denn Streit und Konkurrenzgebaren zwischen den Krankenhäusern sorge für Ängste und Verunsicherung. Mit handfesten Konsequenzen: Das Vertrauen leide - so sei es schwerer, Fördermittel zu bekommen. Oder Personal. Prof. Grond: „Bei klaren Zuständigkeiten machen wir uns nicht mehr gegenseitig die Fachpflege streitig.“ 2003, sagt Winkelmann, seien sich die Häuser noch einig gewesen, was wo angesiedelt sein soll, das habe auch lange sehr gut funktioniert - und sei dann in den letzten Jahren „den Bach runter gegangen“. Das Diakonie Klinikum, sagt Prof. Grond, habe in den vergangenen Jahren Leistungsgruppen aufgebaut entgegen der damaligen Krankenhaus-Planung. Die seien redundant und die werde das Stilling nun wohl wieder verlieren. „Dadurch geht aber Siegen insgesamt nichts verloren - es werden Überkapazitäten abgebaut.“
Forderung: Drei Siegener Krankenhäuser sollen so arbeiten wie ein großes Klinikum mit drei Standorten
Zumal es auch kaum finanzierbar sei, wenn jeder gewissermaßen alles auf hohem Niveau anbietet. Das deutsche Gesundheitswesen sei finanziell getrieben, nicht wissenschaftlich, sagt Prof. Andreas Neubauer, neuer Leiter des Onkologischen Zentrums im St. Marien-Krankenhaus. „Das muss besser werden - und das wird es durch die zentrale Planung.“ Die Reform sei da vorbildhaft. „Das gilt es umzusetzen und nicht ständig zu kritisieren und zu diskutieren“, findet Ingo Fölsing. „Wir müssen Ruhe in die Region bringen.“
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Künftig soll nach den Wünschen der beiden Krankenhäuser der gemeinsame Campus-Gedanke im Vordergrund stehen. Nicht drei Voll-Krankenhäuser mit einem Riesenangebot, sondern vernetzte, spezialisierte Standorte, mit einem riesigen, interdisziplinären Team auf allen Ebenen - wie an den riesigen Uni-Kliniken, erläutert Martin Grond. Die seien aufgrund ihrer schieren Größe oft über viele Standorte verteilt, dennoch werde selbstverständlich übergreifend zusammengearbeitet. Wie auch in Siegen - aber das, so die Hoffnung, soll eben noch besser werden. „Der Minister will für Siegen drei große Kliniken, alle werden gebraucht, alle sind gleich wichtig, keine ist überflüssig“, betont Hans-Jürgen Winkelmann. Aber eben mit dem Grundgedanken der unterschiedlichen Zentren. Im NRW-Vergleich sei Siegen nach wie vor hervorragend versorgt: Eine 100.000-Einwohner-Stadt mit drei spezialisierten Vollkrankenhäusern plus Kinderklinik, da könnten andere Städte richtig neidisch sein. Nun wolle man sich noch besser vernetzen, die Schwerpunkte der einzelnen Häuser im Patientensinne leben. „Das muss perfekt organisiert sein. Wir müssen und wir können etwas richtig Tolles daraus machen.“
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