Siegen. Ärzte wurden an der Siegener Uni nie ausgebildet. Schwerpunkte der Gesundheitswissenschaften sind Digitalisierung und Versorgung auf dem Land.
Was mit dem Traum von einer Medizin-Fakultät an der Universität Siegen begann, endet mit der Abwicklung der davon übrig gebliebenen „Lebenswissenschaftlichen Fakultät“. In einer neuen wissenschaftlichen Einrichtung sollen Forschung und Lehre zusammengeführt werden, die sich mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen und damit vor allem auch Unterstützung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum.
„Die Universität Siegen schafft eine neue Struktur für medizinnahe Studiengänge, die Psychologie sowie Forschung und Lehre im Bereich der Gesundheitswissenschaften“, formuliert die Uni in ihrer Pressemitteilung. Bisher verband die Lebenswissenschaftliche Fakultät (LWF) der Universität diese Elemente. Die LWF wird 2025 aufgelöst und durch eine neue, mit allen Fakultäten der Universität verzahnte wissenschaftliche Einrichtung ersetzt. Ziel sei es, „die Forschung breiter und stärker aufzustellen und die Attraktivität der gut nachgefragten Studiengänge weiter zu steigern“, heißt es in der Mitteilung der Universität.
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„ Digitalisierung in Gesundheitswesen und Medizintechnik spielt eine herausragende Rolle. Wir schaffen jetzt den optimalen Rahmen, um die Idee weiterzuführen und die ganze Schlagkraft der Universität einzusetzen.“
„Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck“ wird fortgeführt
„Mit unserer Forschung wollen wir einen Beitrag dazu leisten, um die bestmögliche gesundheitliche Versorgung für eine alternde Gesellschaft im ländlichen Raum sicherzustellen – von dieser Idee sind wir nach wie vor überzeugt. Dabei spielt die Digitalisierung in Gesundheitswesen und Medizintechnik eine herausragende Rolle. Wir schaffen jetzt den optimalen Rahmen, um die Idee weiterzuführen und die ganze Schlagkraft der Universität einzusetzen“, sagt Uni-Rektorin Prof. Dr. Stefanie Reese.
Die Universität gründet fakultätsübergreifend eine neue zentrale wissenschaftliche Einrichtung, in der auch die „Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck“ (DMGD) aufgeht. Die DMGD ist seit 2019 aufgebaut worden und dient dazu, eine moderne Datenmedizin für die Fläche zu entwickeln und zu erproben. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) des Landes Nordrhein-Westfalen sehe in dem Vorhaben großes Potenzial und habe die DMGD auch über einen längeren Zeitraum gefördert, erinnert die Uni.
Themen: Wohnortnahe Versorgung, Pflege, Rehabilitation
Der Fokus auf den ambulanten Bereich und die wohnortnahe Versorgung, Pflege und Rehabilitation sei ein Alleinstellungsmerkmal in Siegen. Gerade auf dem Land lassen sich immer weniger Hausärztinnen und Hausärzte nieder. Zeitgleich steige die Zahl der Patientinnen und Patienten, die in den vorhandenen Praxen versorgt werden müssen. Hier seien innovative, digital vernetzte Versorgungsmodelle gefragt, die wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden müssen. „Durch die Struktur als zentrale wissenschaftliche Einrichtung haben Forscherinnen und Forscher aller Fakultäten die Möglichkeit, sich einzubringen – die Universität schafft so die Möglichkeit, verstärkt interdisziplinär zu arbeiten“, heißt es weiter.
„Leider ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, die Lebenswissenschaftliche Fakultät so aufzustellen, dass sie entsprechend hätte wachsen können.“
Studiengänge bleiben erhalten
„Für eine Fakultät benötigt man eine gewisse Größe, also eine entsprechende Anzahl an Professuren, an Ausstattung. Leider ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, die Lebenswissenschaftliche Fakultät so aufzustellen, dass sie entsprechend hätte wachsen können“, erklärt Prof. Dr. Christoph Strünck, seit 2019 Gründungsdekan der Lebenswissenschaftlichen Fakultät. Prof. Strünck sieht Vorteile in der neuen Struktur: „Wir können durch eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung und eine Verzahnung der etablierten Fakultäten das Potenzial der Universität viel besser nutzen. Das wird uns ermöglichen, Studiengänge besser und breiter aufzustellen, in der Forschung noch stärker interdisziplinär zu arbeiten, und eine Schippe draufzulegen“.
Die an der LWF angesiedelten Professuren und die sehr gut nachgefragten Studiengänge wie beispielsweise Psychologie werden an andere Fakultäten angebunden. Für die Studierenden habe die neue Struktur daher keine Auswirkungen, es können zukünftig sogar mehr Möglichkeiten durch erweiterte Wahlpflichtbereiche hinzukommen, kündigt die Uni an.
Neue Professur für Versorgungsforschung an der Uni Siegen
Die Universität bietet bereits seit 2019 den einzigartigen Studiengang „Digital Biomedical and Health Sciences“ (Digitale Gesundheitswissenschaften) mit mehreren Schwerpunkten sowie zwei Master-Studiengänge (Biomedical Technology und Digital Public Health) an. Die Universität setzt auf die neuen medizinnahen und gesundheitswissenschaftlichen Studiengänge. Die Besonderheit liegt auch in der Kooperation mit allen vier Siegener Kliniken. Medizinische Lehrinhalte werden von Ärztinnen und Ärzten organisiert und angeboten. Die Universität bildet so sehr gesuchtes Personal für medizinnahe Berufe aus, um Grundlagen für die Diagnostik oder Verfahren mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz zu schaffen.
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Die Forschungsprofile werden ausgebaut. „Die Universität setzt hier bewusst Akzente, unter anderem durch die Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck mit dem Schwerpunkt auf Datenmedizin“, erklärt die Hochschule in der Pressemitteilung. Die Entwicklung und Evaluation innovativer Versorgungsmodelle für ländliche Regionen werde durch eine neue Professur für Versorgungsforschung unterstützt: Prof. Dr. Eva Wild von der Universität Hamburg übernimmt diese Position im April 2025. Auch der Bereich „Public Health“ wird weiter profiliert: Hier liegt der Fokus darauf, Menschen zu befähigen, länger und bis ins hohe Alter gesund zu bleiben. Die Universität Siegen ist die erste Universität, die eine Professur und einen Studiengang für Digital Public Health eingerichtet hat, geleitet von Prof. Dr. Christoph Dockweiler.
Wissenschaftsrat macht Siegen 2019 einen Strich durch die Rechnung
Die Universität hatte 2017 die Gründungsphase der Lebenswissenschaftlichen Fakultät als Teil des Modellprojekts „Medizin neu denken“ gestartet. Das Projekt hatte zum Ziel, Medizinerinnen und Mediziner in Siegen auszubilden und den Einsatz einer Hightech-Medizin in ländlichen Regionen zu erproben. Nach einer Begutachtung durch den Wissenschaftsrat 2019 änderte sich bereits die Zielsetzung und der Zuschnitt des Projekts, sodass die humanmedizinische Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten an der Universität Bonn umgesetzt wird, die Studierenden aber in den Siegener Kliniken Lehrinhalte absolvieren.
Der Wissenschaftsrat hatte kritisiert, dass die Universität Siegen „nicht ansatzweise über ausreichendes habilitiertes und sonstiges wissenschaftliches Personal“ verfüge. Beanstandet wurde, dass sich nicht alle vier Siegener Krankenhäuser an der Stiftung beteiligten, die Träger der praktischen Ausbildung von Ärzten sein sollte. Vermisst wurde ein tragfähiges Finanzierungskonzept. In diesem Zusammenhang kritisierte der Wissenschaftsrat das Land NRW, das nur für eine Anschubphase zusätzliche Mittel für Siegen bewilligt habe.
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