Netphen. Nachdem die Arztpraxis Tremmel keinen Nachfolger findet, starten seine Kollegen eine Kooperation – das soll die ärztliche Versorgung sichern.

Für Allgemeinmediziner Peter Tremmel heißt es Abschied nehmen – nach mehr als 26 Jahren hängt der Landarzt am Freitag seinen Job in Herzhausen an den Nagel. Um seine Patienten nicht im Stich zu lassen, verschob er sogar seinen geplanten Ruhestand nach hinten (wir berichteten). Nun springen die Mediziner aus Netphen für ihren Kollegen in die Bresche und gründen mit „Die Landärzte“ ein neues gemeinschaftliches Kooperationsmodell, mit dem auch langfristig die hausärztliche Versorgung im Netphener Umland gesichert werden soll.

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Keine Unsicherheit mehr – Zukunft der Praxis gesichert

Nach jahrelanger Ungewissheit, wie es mit dem Standort weitergeht, ist die Unsicherheit bei dem 66-jährigen Peter Tremmel verflogen. Der Grund: Die Einzelpraxis muss nicht geschlossen werden und geht in eine überörtliche Gemeinschaftspraxis über. „Alle meine Netphener Kollegen waren der Meinung, dass es hier einen Nachfolger geben muss; falls sich nichts ergibt, war eine Kooperation schon immer eine Option“, sagt er über die Vorgespräche mit den anderen Hausärzten.

Die letzten Arbeitstage gehen bei dem Netphener noch einmal an die Substanz. „Es ist ganz furchtbar anstrengend. Aktuell bin ich jeden Tag bis 20 Uhr abends hier“ – auch weil er mit dem Aufbau seines neuen Hofes doppelt belastet ist. „Wir haben einen Hof gekauft. Jetzt heißt es: Vom Landarzt zum Landwirt“, witzelt Peter Tremmel.

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Emotionaler Abschied für den Landarzt

Inzwischen hat sich im ganzen Ort herumgesprochen, dass er in Rente geht. Die Reaktion vieler langjähriger Patienten sei für ihn überwältigend gewesen – neben vielen persönlichen Geschenken wird es dabei auch oft emotional. „Hier gibts weinende Männer – mit 60 Jahren stehen sie vor mir und weinen“, berichtet der 66-Jährige. Ganz aus den Augen verlieren, wird Tremmel seine Patienten jedoch nicht, denn im Übernahmevertrag hat er zugesichert, im Notfall seinen Kollegen in der Praxis auszuhelfen.

Nach dem Rückzug Tremmels soll in den Praxen alles beim Alten bleiben; einzig und allein der Ansprechpartner wechseln. „Uns ist wichtig, dass alles gleich bleibt“, betont Dr. Wilhelm Litz. Auch Mitgründer Dr. Harald Menker ist froh, dass eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden konnte: „Es sind verschiedene Sachen gleichzeitig gelaufen. Es ist total schwierig bis unmöglich, eine Einzelpraxis weiterzugeben. Und wenn es doch so schwierig ist, muss man die Voraussetzungen ändern.“ In dieser Situation sei es daher wichtig, die vielen Patienten nicht allein zu lassen. „Letztlich soll die Oma aus Herzhausen auch hier zum Arzt gehen können“, sagt Harald Menker – die Patienten liegen den Landärzten eben am Herzen.

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Schließung hätte dramatische Folgen

Die Schließung der Herzhausener Praxis hätte wohl für alle regionalen Hausärzte eine deutliche Mehrfachbelastung bedeutet – viele Patienten hätten nicht fachgerecht behandelt werden können. Um die ärztliche Versorgung im Netphener Umland sicherzustellen, fusionieren daher nun die Hausarztpraxen von Dr. Michaela George, Dr. Wilhelm und Antonia Litz sowie Dr. Harald Menker unter dem Namen „Die Landärzte“ ab 1. Oktober zu einer Gemeinschaftspraxis. In diesen Verbund wird die Landarztpraxis Dr. Peter Tremmels mit aufgenommen und von den Allgemeinmedizinern betreut. Mit dem Chirurgen Dr. Stergios Tsolaikidis, der als Weiterbildungsassistent für Allgemeinmedizin fungiert, ist das neue Ärzte-Team komplett.

Schon lange suchte das Ärzteteam händeringend nach Lösungen, um eine Antwort auf den Fachkräftemangel auf dem Land zu geben – denn auch die anderen Landarztpraxen seien aus Altersgründen auf Sicht gefährdet gewesen. Die Kooperation gibt für die Personalrekrutierung mehr Handlungsspielraum, denn hierdurch können, anders als in einer Einzelpraxis, neue Ärzte in einem Angestelltenverhältnis auch weiterhin freiberuflich tätig sein. „Dieses Modell hat den Vorteil, dass es eine gemeinsame Organisation ist“, erklärt Dr. Wilhelm Litz – neu eingestellte Ärzte werden gewissermaßen mit unters vorhandene Dach genommen.

Gemeinschaftspraxis mit vielen Vorteilen

Die Gründung biete weitere Vorteile: So könnten durch die Zusammenarbeit im Team die Arbeits- und Urlaubszeiten flexibler ausgewählt werden – Behandlungen von Patienten seien nicht mehr an die Öffnungszeiten einer einzelnen Praxis gekoppelt. Dies biete sowohl Ärzten als auch Patienten deutlich mehr Sicherheit.

Die Landärzte hoffen, dass sich auf diese Art und Weise auch junge Ärzte und Ärztinnen für den Beruf begeistern lassen und sich das Team auf Sicht weiter vergrößert. Damit das gelingt, müssten die passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. „Heutzutage ist man nicht nur Ärztin, sondern auch Mutter. Da kann man keine 60 Stunden in der Woche arbeiten“, verdeutlicht Peter Tremmel.

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