Bad Fredeburg. Öffentlichkeitsbeteiligung zur Magog-Erweiterung startet, Mediation ist noch nicht abgeschlossen. Warum die Anlieger das problematisch finden.
„Wir sind von dem Verfahren komplett überrascht worden“, erinnert sich Friedrich Carmesin. Er wohnt seit mehr als 40 Jahren im Schieferweg in Bad Fredeburg - schon immer nur wenige hundert Meter Luftlinie von den Schiefergruben Magog entfernt, die am nordöstlichen Rand der Stadt seit Mitte des 19. Jahrhunderts Schieferbergbau betreibt.
Jetzt wollen die Schiefergruben Magog ihr Gelände erweitern, haben das Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans und Aufstellung eines neuen Bebauungsplans im März angestoßen. Hintergrund: Man möchte so die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche und nachhaltige Entwicklung schaffen. Das Unternehmen brauche kurz- bis mittelfristig deutlich mehr Produktions- und Lagerkapazitäten, heißt es im Gutachten zum Verfahren.
Die Anwohner ärgert: Die Abraumhalde des Unternehmens ist etwa so hoch wie der Fredeburger Kirchturm. Mit der Vergrößerung würde sie bis auf rund 40 Meter an die Wohngrundstücke heranrücken. „Das ist eine Horrorvision“, findet Friedrich Carmesin. „Das hier ist unser Eigentum, unser Lebensmittelpunkt.“ Die ersten Häuser wurden bereits von den Kindern übernommen, bei anderen stehe die Übernahme noch aus. „Aber wer will denn hier noch eine Familie großziehen, wenn direkt hinter dem Garten eine Schieferhalde beginnt?“
Hintergrund
In den frühen 1980er Jahren wurde der Bebauungsplan für das Wohn- und Gewerbegebiet „Weisser Stein II“ in Bad Fredeburg aufgestellt: Dabei wurde der Schieferweg um Wohngrundstücke in nördlicher Richtung erweitert und die Ausdehnung der Schiefergruben Magog wurde festgelegt und begrenzt. Dabei wurde der zwischenliegende Wald als wichtige Abgrenzung zwischen Wohn- und Industriegebiet genannt, außerdem sollte ein Lärmschutzwall an der Haldengrenze errichtet werden, um die Anwohner von dem Produktionslärm abzuschirmen.
Diesen Bebauungsplan möchten die Schiefergruben Magog jetzt überarbeiten: Die alte Halde soll abgetragen werden, um so das Gelände an anderer Stelle aufzuschütten und ein ebenes Betriebsgelände zu erhalten, welches dann als Lagerplatz und für den Bau weiterer Produktionshallen genutzt werden soll. Dadurch würde die Schieferabraumhalde bis auf etwa 40 Meter an die Wohnbebauung heranrücken. Der Wald befindet sich bereits in Besitz des Unternehmens und hat mittlerweile den Status „forstwirtschaftliche Fläche“ verloren.
Ein erster Versuch dieser Erweiterung wurde bereits im Jahr 2003 gestartet, jedoch nach eingehender Prüfung durch die beteiligten Behörden unter dem ehemaligen Bürgermeister Bernhard Halbe ad acta gelegt.
Anfang März dieses Jahres stellte das Unternehmen die Pläne unter dem Punkt „Verschiedenes“ im Bezirksausschuss Bad Fredeburg vor - schon Ende März beschloss der Stadtrat, das Verfahren zur „Erweiterung der Schiefergrube Magog“ einzuleiten. Bedingung: Es sollen Mediationsgespräche zwischen der Anliegergemeinschaft Schieferweg und den Schiefergruben Magog geführt werden.
Drei Mediationsgespräche zwischen Schiefergruben Magog und Anliegergemeinschaft haben mittlerweile stattgefunden. Zu einem Ergebnis hätten die Gespräche dabei nicht geführt, so Anke Sibert, Pressesprecherin der Stadt. Für Carmesin ist die Mediation noch nicht abgeschlossen - „mindestens ein Abschlussgespräch sollte es noch geben“.
Erste Öffentlichkeitsbeteiligung läuft
Bis zum 6. Dezember läuft jetzt die erste Öffentlichkeitsbeteiligung zu dem Verfahren. Dort können alle Bürger und Fachbehörden zu den Planungen Stellung zu nehmen, so Anke Sibert - auch die Ergebnisse der Mediation könnten dort eingebracht werden. Diese Stellungnahmen würden ausgewertet, dem Rat vorgestellt, dieser berate darüber, und dann gebe es ein zweites Beteiligungsverfahren. Danach fasse der Rat die abschließenden Beschlüsse. Folgt dieser dem Magog-Antrag, könnte dann der konkrete Bauantrag gestellt werden. Diesen Schritt zu gehen, bevor die Mediation abgeschlossen ist, kritisiert Friedrich Carmesin. „Natürlich ist das erlaubt, aber für uns unverständlich.“
Den Grund erläutert Anke Sibert: Der Schiefergruben Magog übernehme alle Kosten der Änderung des Flächennutzungsplans und des neuen Bebauungsplans. Daher und weil die Stadt den Anspruch habe, eingeleitete Planverfahren zügig durchzuführen, solle möglichst bald nach Erarbeitung der Planunterlagen über das Planungsvorhaben entschieden werden. Einen Anspruch auf erfolgreichen Abschluss gebe es trotzdem nicht.
Die ersten Gutachten liegen vor: So hoch wird die Lärmbelastung
Als Hintergrund zu dieser Öffentlichkeitsbeteiligung liegt ein mehr 200 Seiten umfassendes Dokument vor. Es umfasst verschiedenste Informationen und erste Gutachten, zum Beispiel zum Naturschutz oder zur Lärmbelastung. Daraus geht hervor: Die Schiefergruben Magog wollen zwei Produktionshallen mit je 40 mal 40 Metern Grundfläche und einer Höhe von zwölf Metern errichten. Entstehen sollen sie auf den Abraumhalden, sowohl auf der bestehenden als auch auf der neu angeschütteten. Schutt aus den Schieferminen soll bis zu 16 Mal am Tag abgeschüttet werden, zulässig in der Zeit von sieben bis 20 Uhr - das wären 200 bis 250 Tonnen täglich - für etwa zehn Jahre. Gemessene Lautstärke laut schalltechnischer Untersuchung: durchschnittlich 65 Dezibel - etwa so laut wie ein Pkw, der im Abstand von 10 Metern vorbeifährt.
Zwischen den Häusern und den Produktionshallen soll außerdem ein Lagerplatz entstehen; dadurch rechnen die Anwohner mit weiteren Produktionsgeräuschen. Einige Beispiele aus dem Gutachten zur Lärmbelastung: Rund zehn Liefer-Lkws am Tag mit jeweils 30 Minuten Stapler-Betrieb zum Be- und Entladen, sowie weitere 60 Minuten allgemeiner Staplerbetrieb pro Tag. „Es rüttelt und rappelt ja jetzt schon immer wieder“, so Friedrich Carmesin. „Ich weiß nicht, wie das dann werden soll, wenn die Pläne so umgesetzt werden.“
Was sich die Anwohner wünschen
Die Anwohner würden sich eine Erweiterung der Halde nach Osten oder Norden wünschen - weg vom Wohngebiet, um ihren Lebensraum zu schützen. „Magog soll natürlich die Möglichkeit bekommen, sich weiterzuentwickeln, das verstehen wir alle“, sagt Friedrich Carmesin - aber es müsse ein Weg gefunden werden, der für alle funktioniere. Jetzt hänge es von den Entscheidungsträgern in der Politik ab.
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Die Anwohnergemeinschaft werde aber genau hinschauen: „Alle Belange in dieser Sache müssen neutral und gerecht abgewogen werden, das braucht ein hohes Maß an verwaltungsrechtlicher und auch juristischer Kompetenz“, sagt Carmesin. Problematisch findet er, dass sich bisher nur wenige Ratsmitglieder mit den Anwohnern in Verbindung gesetzt hätten. „Das ist ein sehr komplexes Thema, da hätte ich mir etwas mehr Interesse gewünscht.“
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