Schmallenberg. Neue Flüchtlingshäuser sollen in Schmallenberg direkt vor Melanie Stupperich-Müllers Schlafzimmer entstehen. Was die Debatte mit ihr macht.

Erst vor zwei Jahren hat Melanie Stupperich-Müller mit ihren zwei Töchtern das Haus an der Viehbahn im Süden von Schmallenberg bezogen. Ein schönes, großes Haus, in dem ganz viel Liebe steckt: Im Innenausbau hat sie fast alles mit Freunden und Familie in Eigenleistung ausgebaut, alles selbst dekoriert, in keinem Raum hat sie nicht selbst Hand angelegt. Dieses Haus sollte ein Zufluchtsort für die selbstständige Ernährungsberaterin sein, in dem sie abschalten und zur Ruhe kommen kann.

Nun entwickelt es sich zum Gegenteil: Im Juni hatte die Stadt Schmallenberg plötzlich erklärt, dass auf einer städtischen Fläche direkt über ihrem Haus kleine Häuser für Flüchtlinge aufstellen wolle. Die Anwohner setzten sich von Beginn an zur Wehr, legten Kommunalaufsichtsbeschwerden ein und hofften, das Vorhaben der Stadt irgendwie verhindern zu können.

„Mir geht es dabei nicht darum, dass wir die Menschen nicht hier haben wollen“, sagt Melanie Stupperich-Müller. Im Gegenteil: In ihrer alten Wohnung, in ihrem Elternhaus in Lennestadt, wohne eine ukrainische Familie, lange Zeit sogar kostenlos, und grundsätzlich unterstütze sie die Idee, Familien mit Kindern in der Nähe von Familien mit Kindern unterzubringen - im Neubaugebiet an der Viehbahn leben über 20 Kinder. „Aber es muss eine Lösung geben, mit der alle zufrieden sind.“

„Und dann wird mir nur gesagt: ‚Frau Stupperich, das sind fünf Meter zur Grundstücksgrenze - wir hätten nur drei gemusst.‘ Das kann doch nicht sein.“

Melanie Stupperich-Müller
Anwohnerin der Viehbahn

Geplante Standorte direkt vor dem Fenster: „Gefühlt nur die Hand ausstrecken“

Und zufrieden sind die Anwohner der Viehbahn ganz und gar nicht - besonders nicht Melanie Stupperich-Müller. Seit Anfang des Monats schaut sie jeden Morgen beim Aufstehen aus dem Fenster auf kleine Holzpflöcke, pink angesprüht, direkt vor ihrem Schlafzimmerfenster - mit diesen Pflöcken hatten Mitarbeiter der Stadt die geplanten Standorte der Wohncontainer eingezeichnet.

Tiny Houses an der Viehbahn
Das ist der Ausblick aus dem Schlafzimmer von Melanie Stupperich-Müller. Die schwarzen Linien verdeutlichen die Standorte der Flüchtlingscontainer. © WP | Katharina Kalejs

„Gefühlt muss man nur die Hand ausstrecken, um sie zu berühren“, sagt Melanie Stupperich-Müller. „Und dann wird mir nur gesagt: ‚Frau Stupperich, das sind fünf Meter zur Grundstücksgrenze - wir hätten nur drei gemusst.‘ Das kann doch nicht sein.“

In einem verzweifelten Brief wendet sie sich an die Ratsmitglieder der Stadt Schmallenberg: 37 Briefe, mit Hand addressiert und unterschrieben, mit Hand frankiert, inklusive zwei entwickelter Bilder von der Situation vor Ort. In diesem Brief legt sie ihre private Situation vor: Der Mieter ihrer Einliegerwohnung drohe mit der Kündigung, wenn die Unterkünfte tatsächlich an der Stelle gebaut würden, sie hat Angst um die Sicherheit ihrer Kinder.

Am Ende der Kräfte: Wie soll es weitergehen?

Zwei der Container stehen direkt vor ihrem Haus, drei weitere vor dem Nachbargrundstück, das derzeit noch unbebaut ist, bei dem aber der Hausbau bald starten soll. Den Wegfall der Miete könne sie als Selbstständige nicht auffangen: „Ich kann nicht noch mehr arbeiten, nicht noch mehr verdienen - ich bin physisch, psychisch und zeitlich am Ende meiner Möglichkeiten.“

Das Neubaugebiet an der Viehbahn in der Schmallenberger Unterstadt - hier lebt Melanie-Stupperich Müller.
Das Neubaugebiet an der Viehbahn in der Schmallenberger Unterstadt - hier lebt Melanie-Stupperich Müller. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Nach dem Abstecken der Standorte hatte es einen Besichtigungstermin gegeben, erzählt Melanie Stupperich-Müller. „Und dann standen die Verwaltungsmitarbeiter mitten in meinem Schlafzimmer, eine Stunde lang, und haben mit uns Anwohnern über die Situation gesprochen“, erzählt sie. „Wissen Sie, wie sich das anfühlt? Das kann sich keiner vorstellen.“

Keine Ruhe mehr im eigenen Zuhause

Und auch nach dem Brief gehen die Besuche in dem Haus, das ihr Rückzugsort sein soll, weiter: „Mittlerweile waren Vertreter von drei Parteien bei uns am Haus und haben sich die Situation angeschaut. Täglich stehen Leute irgendwo am Haus und machen Fotos. Ich könnte auch Eintrittsgelder nehmen.“ An Ruhe und Entspannung ist in ihrem eigenen Heim seit Wochen nicht mehr zu denken.

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„Uns wird nicht zugehört, und wir werden nicht informiert“, beschwert sich Melanie Stupperich-Müller. An der Viehbahn fehle immer noch die Straßenbeleuchtung, und eine Ausschilderung der geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h - stattdessen steht nun neben ihrer Einfahrt ein Schild für 50 km/h hoch zum Skilift und zur Handweiser Hütte. Über die neuesten Entwicklungen rund um die Wohncontainer erfuhr sie aus der Zeitung. „Wissen Sie, was das mit einem Menschen macht? Ich weiß einfach nicht mehr weiter.“

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