Meschede. Automobilzulieferer in der Krise: Martinrea Honsel kämpft mit Auftragsrückgängen und erweitert Kurzarbeitsmaßnahmen.
Die Automobil-Zulieferindustrie schwächelt und auch der größte Arbeitgeber Meschedes, Martinrea Honsel, muss erneut die Kurzarbeit ausweiten, um die zurückgehenden Aufträge aufzufangen. Der Druckguss war bereits seit Juni 2024 in Kurzarbeit. Jetzt hat das Mescheder Unternehmen nach Informationen unserer Zeitung dies für weitere Abteilungen beantragt. Das bestätigt Carmen Schwarz, Erste Bevollmächtigte der IG Metall. Das Unternehmen selbst war zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen.
Auszubildende ausgenommen
Nach Druckguss und Walzwerk arbeitet - und verdient ab Oktober als letzte Abteilung auch die Belegschaft der Kokille weniger. Ausgenommen von der Kurzarbeit seien nur die Auszubildenden, hieß es zuletzt. Mit seiner Ausbildungswerkstatt hatte sich Martinrea Honsel zuletzt auf der Berufs-Info-Börse präsentiert und für die weiterhin hohen Standards der Ausbildung geworden.
Da es sehr schwierig ist, Informationen aus dem Unternehmen zu bekommen, hat Carmen Schwarz, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Arnsberg, für uns nachgehakt. Demnach sind jetzt die Mitarbeiter im Walzwerk komplett in Kurzarbeit. „Im Druckguss arbeiten die Kollegen überwiegend, aber noch nicht zu 100 Prozent, reduziert.“ In der Kokille sind weitere zwei Bereiche in Kurzarbeit. Die Verwaltung arbeitet weiter voll und die Auszubildenden ebenfalls. „Die sind stets herauszunehmen“, erklärt Schwarz. Eine Einordnung findet sie schwierig. Ist das jetzt schon dramatisch oder noch gut zu handeln? „Die Situation spiegelt“, so Schwarz, „die allgemein schwierige Lage in der Automobilzuliefer-Industrie wider.“
Jedenfalls verschärft sich die Situation. Im Druckguss arbeiten die Honselaner schon bald nicht mehr nur fünf Tage reduziert, sondern bis zu acht.
Fünf Tage weniger arbeiten
Für die Arbeitnehmer heißt das, dass sie für diese acht Tage, die sie im Monat weniger arbeiten, auch nicht von Martinrea Honsel bezahlt werden. Aufgestockt werden diese Mindereinnahmen durch 67 Prozent bzw. 60 Prozent Kurzarbeitergeld, je nach Familienstand. Kündigungen, so bestätigte jetzt noch mal Carmen Schwarz, seien für alle Festangestellten ausgeschlossen, da der Zukunftstarifvertrag mit Kündigungsschutz noch bis Oktober 2026 läuft.
Stabile Phase
Die aktuellen Maßnahmen bei Honsel folgen auf eine relativ stabile Phase. Zuletzt hatte der Spezialist für Leichtmetallkomponenten Mitarbeiterzahl und Arbeitsstunden in der Coronazeit stark anpassen müssen. Die komplette Belegschaft war zuletzt von Ende März bis zum 1. September 2020 in Kurzarbeit.
Schwierige Situation für die Automobilzuliefer-Industrie
Dr. Volker Verch, Geschäftsführer des Unternehmensverbands Westfalen-Mitte, kann und darf sich zur konkreten Situation bei Honsel nicht äußern. Das Unternehmen selbst gibt auch auf Nachfrage keine weiteren Informationen. Verch, der auch der Tarifkommission für die Metall- und Elektroindustrie NRW angehört, erläutert nur allgemein, dass die Situation für die produzierenden Unternehmen in der Automobilzuliefer-Industrien schwierig sei.
Strukturelle Krise bahnt sich an
Auch bei der Firma Busch in Bestwig gebe es seit Februar Kurzarbeit. Dort hatte der Geschäftsführer Andreas Güll als Grund „eine konjunkturelle Krise“ genannt, zum einen seien Firmen, die normalerweise bei Busch orderten, in Kurzarbeit, zudem würden seit Anfang 2024 auch weniger Lkw verkauft. Verch ist wichtig: „Die sieben Prozent Forderung der IG Metall sind vor dieser wirtschaftlichen Lage nicht gerechtfertigt.“ Das sieht Camen Schwarz anders. Wir haben eine strukturelle Krise, keine tarifpolitische.
„Kurzarbeit ist ein wichtiges Instrument, um Facharbeiter zu halten. Und das funktioniert in diesem Land sehr gut.“
Gründe für die Krise
Der Arbeitsmarkt ändere sich, so analysiert Verch. Er sieht darin bisher in der Region noch eine konjunkturelle Krise, eine strukturelle Krise bahne sich aber an. Eine Rezession, also eine Schrumpfung der Wirtschaft, werde dadurch verursacht, dass der deutsche Markt zu teuer sei, durch seine Bürokratie gehemmt werde und vor allem die Energiekosten im europäischen Vergleich zu hoch seien.
Warnsignal für Südwestfalen
Daneben bleibe der Fachkräftemangel ein Problem. Südwestfalen und der HSK profitierten bisher noch von ihrer starken mittelständischen Industrie. Die zunehmende Kurzarbeit sei daher zum einen ein Warnsignal, aber eben auch ein wichtiges Instrument, um Facharbeiter zu halten. „Und das funktioniert in diesem Land sehr gut.“
Zahlen der Arbeitsagentur zur Kurzarbeit
Da die Zahlen immer nur rückwirkend bestätigt werden, sind die aktuellsten Zahlen zur tatsächlich realisierten Kurzarbeit aus Februar 2024. Damals waren 2361 Menschen im HSK aus konjunkturellen Gründen tatsächlich in Kurzarbeit. Bei einem Großteil betrug der Arbeitsausfall maximal 25 Prozent. Konjunkturelles Kurzarbeitergeld hatten vor allem Betriebe aus dem verarbeitenden Gewerbe angemeldet. 33 Betriebe waren allein in Meschede im Februar 2024 aus konjunkturellen und saisonalen Gründen von Kurzarbeit betroffen, das entspricht 550 Arbeitnehmern. Seitdem haben nur drei weitere Betriebe Kurzarbeit für 300 Mitarbeiter bei der Agentur für Arbeit angezeigt. Rückschlüsse auf einzelne Betriebe und die genaue aktuelle Zahl sind so allerdings nicht möglich.
HSK-Betriebe reagieren schnell
„Grundsätzlich lässt sich sagen“, so Carina Bauer, Pressesprecherin der Arbeitsagentur, „dass eine Region wie der HSK mit einem starken verarbeitenden Gewerbe schneller auf mögliche Konjunkturschwankungen reagiert als andere.“ Entsprechend werde auch immer wieder das Produkt Kurzarbeit genutzt, um Beschäftigte zu halten. „Das Beratungsvolumen schwankt dabei im Jahresverlauf. Aber die tatsächliche Kurzarbeit steigt nicht immer entsprechend mit.“
1500 Mitarbeiter in Meschede
Martinrea Honsel hat am Standort in Meschede rund 1500 Mitarbeiter. Sie sind besorgt: „Aktuell ist alles sehr ungewiss und niemand sagt einem, wie lange das noch andauert und wohin es führt.“
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HINTERGRUND
Aluminium und Magnesium
Honsel ist ein weltweit führender Zulieferer für Leichtmetallkomponenten vor allem im Bereich Automotive. Das Unternehmen entwickelt und produziert Erzeugnisse aus Aluminium und Magnesium in allen gängigen Fertigungsverfahren des Gießens, Strangpressens und Walzens für Motor, Getriebe, Fahrwerk und Karosserie von Pkw und Nutzfahrzeugen. Hinzu kommen Produkte für den Maschinenbau und andere Anwendungen.
Leichtere Fahrzeuge
Komponenten und Systemlösungen von Honsel verringern Fahrzeuggewicht, Kraftstoffverbrauch und Emissionen und leisten laut Homepage damit einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz.
1908 gegründet
1908 gegründet, verfügt Honsel als Entwicklungs- und Serienlieferant und Systemzulieferer für internationale Automobilhersteller über Standorte in Deutschland, Spanien, Brasilien und Mexiko. Rund 3000 Mitarbeiter erwirtschaften laut Website einen Umsatz von knapp 650 Mio. Euro.
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