Meschede. Carmen Schwarz ist Chefin der IG Metall in Arnsberg. Honsel einer der größten Metall-Arbeitgeber im HSK. Sie kennt die Firma gut.

Martinrea Honsel ist ein wichtiger Arbeitgeber in der Region. Doch leider als Ansprechpartner gegenüber den Medien sehr verschlossen, ein Closed Shop, wie ihn auch Carmen Schwarz nennt. Die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Arnsberg vertritt fast 90 Prozent der dort beschäftigten Arbeitnehmer.

Für 1250 von ihnen hatte Schwarz vor rund zwei Jahren den Zukunftstarifvertrag ausgehandelt, der noch bis Oktober 2026 gilt. Warum sie darüber froh ist, warum nicht die Großen wie Thyssen Krupp die Richtung in der NRW-Wirtschaft vorgeben und wie sie die Krise in der Automobilzulieferindustrie, verrät sie im Interview.

Für Honsel gilt ein Zukunftstarifvertrag, den die IG Metall im Herbst 2022 ausgehandelt hat. Er schließt betriebsbedingte Kündigungen aus. Aktuell hat das Unternehmen deutlich mehr Arbeitnehmer als damals. Profitieren die auch noch davon?

Wir konnten natürlich damals auch nur den Status quo absichern. Mit Abschluss des Tarifvertrages hat Martinrea Honsel innerhalb weniger Monate noch mal fast 600 Arbeitnehmer eingestellt. Das war sehr erfreulich. Jetzt wurden Leiharbeiter abgemeldet und befristete Arbeitsverhältnisse liefen aus. Allerdings profitieren alle, die nach unserem Abschluss noch einen unbefristeten Vertrag erhalten haben. Ihnen darf nur mit Zustimmung der IG Metall gekündigt werden. Und diese Zustimmung haben wir bisher noch nicht gegeben. Der Arbeitgeber hat bisher auch nicht davon gesprochen.

Martinrea Honsel Deutschland GmbH
Martinrea Honsel gehört zu den größten Arbeitgebern in Meschede. Schon bald sollen dort alle Arbeitnehmer kurzarbeiten, bis auf die Auszubildenden. Das war zuletzt während der Coronapandemie so. © WP | Ilka Trudewind

Bei Honsel sind aktuell alle Bereiche in Kurzarbeit?

Noch nicht. Nach letzten Informationen sind es vor allem die Kollegen im Druckguss und im Walzwerk und zwei Abteilungen der Kokille. (aktualisiert 10.10.)

Familienfest bei Martinrea Honsel
Martinrea Honsel feierte im Juni sein Familienfest mit 2500 Besuchern. Ähnliche Feste sollen nun regelmäßig wiederholt werden. Auch das war eine Forderung, die im Zukunftsvertrag festgeschrieben wurde. © WP | Martinrea Honsel Germany GmbH

Es sah doch zwischendurch ganz hoffnungsvoll aus. Was macht Honsel Probleme?

Honsel ist zu 100 Prozent abhängig von der Automobilindustrie, die sogenannten OEM‘s, das steht für Original Equipment Manufacturer, was so viel bedeutet wie Erstausrüster oder Originalgerätehersteller. Die ganze Branche hängt in der Luft, weil niemand sicher sagen kann, wie lange Verbrenner noch produziert werden und wie die E-Mobilität einschlägt, nachdem zuletzt auch die Anreizprämien gestrichen wurden. Auch Honsel versucht, bei der Elektromobilität Fuß zu fassen. Gleichzeitig reduzierten die OEM‘s die Margen. Daneben ist Honsel ein energieintensives Unternehmen und wird über die hohen Energiekosten belastet.

„Der Staat muss klare Linien vorgeben.  Dieses ganze Wischiwaschi führt zu Debatten, die spalten, wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch, was man ja auch zuletzt beim Ausgang der Wahlen sehen konnte. “

Carmen Schwarz
Erste Bevollmächtigte der IG Metall

Vom Druckguss ist bekannt, dass Arbeitnehmer dort fünf Tage Kurzarbeit pro Monat haben. Gilt das für alle Bereiche?

Das kann man nicht sagen. In der Regel wird versucht, die Belastungen auf alle Arbeitnehmer gleichmäßig zu verteilen.

Das Kurzarbeitergeld gilt als wichtiges Mittel, um Facharbeiter zu halten.

Das ist es. Die Kollegen erhalten - je nach Familienstand - einen Ausgleich für die nicht geleistete Arbeit. Je nach Familienstand sind das 67 bis 60 Prozent Lohnfortzahlung für die nicht geleisteten Stunden.

Trotzdem ist die Sorge unter den Arbeitnehmern spürbar. Auch die Angst vor einem erneuten Verkauf, der das Unternehmen zu weiteren Einsparungen zwingen würde. Und sie steigt mit der zunehmenden Kurzarbeit.

Das ist verständlich. Die Kollegen hatten zuletzt 37,5 Stunden plus Mehrarbeit geleistet. Alle, die schon 20 oder 30 Jahre dort sind haben, haben ja auch schon schwierige Zeiten erlebt. Aber Honsel stellt sich ja auf die Transformation ein, produziert nicht mehr nur Motorblöcke, sondern auch Batteriekästen für Elektroautos. Sicherlich könnten Digitalisierung und Transformation in manchen Bereichen weiter greifen und ein Verkauf ist immer möglich. Daher: gesunde Skepsis, ja, aber die konkreten Befürchtungen kann ich nicht bestätigen. Arbeitgeber wenden sich an uns, wenn es wirklich schwierig wird. Und das hat Honsel bisher noch nicht getan.

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Wo sehen Sie die heimische Industrie auch mit Blick auf die Tarifverhandlungen?

Erstmal ist mir wichtig, dass die Industrie in NRW nicht die wenigen ganz großen Firmen sind, die, wenn sie jammern, direkt die ganze Aufmerksamkeit bekommen. Unsere Wirtschaft wird vom Mittelstand getragen. Dort arbeiten die meisten Menschen. Energieintensive Betriebe, wie Honsel in Meschede, Busch in Bestwig oder auch die Siepmann-Werke in Warstein, brauchen dringend Entlastung. Und der Staat muss klare Linien vorgeben. Dieses ganze Wischiwaschi führt zu Debatten, die spalten, wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch, was man ja auch zuletzt beim Ausgang der Wahlen sehen konnte. Alle tragen Verantwortung. Auch von Arbeitgeberseite würde ich mir daher wünschen, dass sie mit mehr Zuversicht offensiv den Standort Deutschland unterstützen. Wir haben keine tariflichen Probleme, sondern eher strukturelle. Ich lasse mir den Standort Deutschland nicht schlechtreden.

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