Menden. Nachdem der Syrer (22) aus Hemer die Schwester seiner Ex angezündet haben soll, flüchtete er Zeugenaussagen zufolge zum Haus seiner Nichte.
„Er war komplett nass und hat gestunken. Es hat in der Nase genervt. Ich glaube, das war Benzin.“ Am neunten Verhandlungstag des Mordprozesses rund um den Syrer (22) aus Hemer, der die Schwester seiner Ex-Verlobten in der elterlichen Wohnung mit Benzin übergossen und angezündet haben soll, spricht nun die Nichte des Angeklagten. Sie erklärt eindrücklich, was ihrer Meinung nach passiert sein soll, unmittelbar, nachdem der Angeklagte die Tat begannen haben soll und während das Opfer um ihr Leben kämpfte.
„Seine Kleidung war voller Matsch, die Hose voller Blut. Seine Hand war verletzt und am Bluten. Es sah sehr schlimm aus. Ich hatte Angst!“
Plötzlich habe ihr Onkel vor ihrer Tür gestanden. Nass, nach Benzin stinkend, mit zerrissener Kleidung. „Seine Kleidung war voller Matsch, die Hose voller Blut“, sagt die junge Frau. „Seine Hand war verletzt und am Bluten. Es sah sehr schlimm aus. Ich hatte Angst!“
Angeklagter grinst, als Nichte den Zeugenstand betritt
Landgericht Arnsberg, Verhandlungstag neun. Der Saal ist voll, viele Zeugen sagen heute aus. Jetzt ist die Nichte des Angeklagten dran. Er grinst, als sie den Zeugenstand betritt, und blickt dann schnell auf den Tisch vor sich. Es scheint, als wolle er seine Emotionen verbergen. Die Nichte vermeidet den Blickkontakt. Seit der Tatnacht habe sie ihren Onkel nicht mehr gesehen, sagt sie. Es wird still in Saal drei des Arnsberger Landgerichts. Alle Augen sind auf die 17-Jährige im Zeugenstand gerichtet. Immer wieder hält sie inne und denkt nach. Sie versucht sich daran zu erinnern, was genau in der Nacht vom 22. März 2024 passiert ist. Was genau ihr Onkel zu ihr gesagt hat. Wie er sich verhalten hat. Wie er gerochen und ausgesehen hat.
„Ich bin nervös.“
„Ich bin nervös“, gibt sie zu. Ihr Onkel sitzt nur wenige Meter entfernt auf der Anklagebank und blickt sie an. Eigentlich, so sagt sie, hätten sie ein gutes Verhältnis gehabt, viel miteinander geredet - auch über Probleme. Seine Ex-Verlobte habe ihn mehrmals betrogen, er habe ihr öfter gedroht - auch damit, sie umzubringen. Doch das seien nur Drohungen gewesen, um sie zurückzubekommen. Antun würde er ihr nichts, er liebe sie schließlich. Doch durch die Beziehung zu seiner Ex-Verlobten habe er Depressionen gehabt, sich verändert.
Angeklagter will Kleidung, Essen und Zigaretten
22. März. Freitag, kurz nach 22 Uhr. „Ich war schlafen, aber dann habe ich meine Mutter schreien gehört. Sie sagte, das Haus brenne. ,Dein Onkel hat das gemacht. Wir müssen los‘“, erklärt sie. Mutter und Vater seien sofort ins Auto gestiegen, um zur Wunne zu fahren. Die Schülerin sei mit ihren zwei jüngeren Brüdern (13 und ein Jahr alt) zu Hause geblieben. „Etwa zehn Minuten später stand der Onkel vor der Tür. Ich wollte ihn nicht reinlassen und bin schnell hochgelaufen.“ Sie habe starke Angst gehabt. Durch ein Fenster hätte sie mit ihm geredet. Sie habe ihn hinhalten wollen.
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Als sie nicht öffnete, habe er ihr versichert, dass er ihr nichts antun werde. „Er wollte Klamotten, Essen und Kippen.“ Sie habe vorgetäuscht, oben Kleidung rauszusuchen und parallel alle aus der Familie angerufen. Doch niemand habe auf die Anrufe reagiert. Per Chat habe sie ihrer Cousine geschrieben, dass der Onkel bei ihr sei. Diese wiederum habe die Polizei verständigt. Als klar war, dass die Polizei bald kommen würde, schickte sie ihren Bruder nach unten, um die Tür zu öffnen.
„Er wollte sie umarmen, damit sie beide sterben.“
Wollte Angeklagter sich selbst auch umbringen?
Im Haus sei ihr Onkel durch alle Räume gelaufen, unruhig, irgendwie seltsam. Schließlich sei er in der Küche geblieben, erklärt die 17-Jährige. Sie habe ihm Kleidung gegeben und ihn gefragt, wieso er so etwas getan habe. Er habe geweint und gesagt: „Ich habe sie geliebt, sie ist mir fremdgegangen. Was sollte ich machen?!“ Er habe betont, dass er dumm sei. Er habe sich und die Schwester seiner Ex umbringen wollen. Der angebliche Plan: Die junge Frau anzünden und sich gleich mit. „Er wollte sie umarmen, damit sie beide sterben.“ Doch als er die Schmerzen gespürt habe, sei er von dem Plan abgewichen und geflüchtet - zu ihr. Doch warum wollte er die Schwester der Ex umbringen und nicht die Ex selbst, fragt der Richter. „Er hat angegriffen, wer die Tür aufgemacht hat. Er weiß ja, dass sie nicht mehr dort wohnt. Er wollte, dass die Schwester leidet, vermute ich.“ Gesagt habe er das aber nicht.
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Die junge Frau habe ihrem Onkel dann erklärt, dass die Polizei unterwegs sei. Warum sie das getan habe, habe er wissen wollen und wollte daraufhin gehen. „Ich sollte meiner Mutter und meiner Tante sagen, dass es ihm leid tut“, berichtet sie weiter. Doch an der Haustür sei der 22-Jährige auf den Vater des Mädchens gestoßen, der sofort von der Wunne zurück nach Hause geeilt war. „Mein Vater hat ihn festgehalten, bis die Polizei kam. Und das war‘s dann.“
Die Verhandlung wird am kommenden Dienstag um 8.30 Uhr im Landgericht Arnsberg fortgesetzt.