Menden/Arnsberg. Mann aus Hemer soll Frau (17) mit Benzin übergossen und angezündet haben. Er steht wegen Mordes vor Gericht. Jetzt spricht die Mutter der Toten.
Ihre Tochter ist tot. Sie wurde nur 17 Jahre alt. Nahezu der gesamte Körper der Frau hat laut Staatsanwaltschaft in der Nacht vom 22. März in Flammen gestanden. Verantwortlich dafür soll der Mann sein, der nun im Arnsberger Landgericht nur wenige Meter von der Mutter des Opfers entfernt sitzt. Er wirkt müde, gähnt immer wieder. Augenringe zeichnen sein Gesicht. Der Angeklagte soll gegen 22 Uhr bei der Familie geklingelt haben, weil er seine Ex-Freundin in der Wohnung im ersten Obergeschoss des Mehrfamilienhauses in der Wunne aufsuchen wollte. Diese sei jedoch nicht anwesend gewesen. Stattdessen habe die Schwester der Ex-Freundin die Tür geöffnet. Laut Anklage soll er diese dann mit vier Kanistern Benzin übergossen und angezündet haben. Wenig später starb die 17-Jährige. Jetzt spricht die Mutter der getöteten 17-Jährigen aus Bösperde vor Gericht über den Abend, der ihr Leben verändert hat und blickt ihm erneut direkt ins Gesicht. Blickkontakt kann oder will der 24-Jährige aber nicht aufbauen. Es ist der sechste Verhandlungstag des Mord-Prozesses.
Angeklagter zieht Zettel aus der Hosentasche
Schlaksig wirkt der Angeklagte, als er in Handschellen den Saal 3 am Mittwochmorgen betritt. Sie werden ihm kurz darauf abgenommen. Er reibt sich die Handgelenke. Sein Pullover sitzt locker, er trägt Jeans und Turnschuhe. Er schweigt weiterhin. An seiner Seite sind Verteidiger Nils Schiering und ein Dolmetscher. Aus der Hosentasche holt er einen gefalteten Zettel. Dort, so erklärt er leise seinem Anwalt, habe er Fragen an die Mutter notiert. Eine Unterbrechung folgt. Man berät sich kurz hinter verschlossenen Türen. Sein Verteidiger will die Fragen einbringen. Weiter geht es.
„Er hat sie auf den Boden gezogen, mit Benzin übergossen und angezündet.“
Dem Angeklagten gegenüber, direkt neben ihrem Anwalt Bernd Slapka und ihrem Dolmetscher, sitzt die Mutter des toten Mädchens. Sie hat ein Taschentuch in der Hand, die sie immer wieder vor ihr Gesicht hebt. Sie weint an diesem Prozesstag nicht, ihr Blick wirkt kalt, aber auch aufgewühlt. Sie blickt den Angeklagten direkt an, bevor sie mit Unterstützung ihres Dolmetschers in den Zeugenstand tritt und sich den Fragen der Anwesenden stellt.
Bereits am fünften Verhandlungstag hatte sie mit ihrer Aussage begonnen. „Sie hat gesagt, dass sie an dem Abend mit ihrer Tochter im Wohnzimmer war“, erklärt der Nebenklagevertreter Bernd Slapka auf Nachfrage und fasst die Aussage seiner Mandantin zusammen. Gemeinsam hätten die Frau mit dem späteren Opfer einen Videoanruf mit ihrer anderen Tochter, der Ex-Verlobten des Angeklagten, geführt. Dann habe es geklingelt. Die 17-Jährige habe die Tür geöffnet. Plötzlich, so gibt Bernd Slapka die Worte der Mutter wieder, habe die Tochter geschrien. Sie habe versucht, wegzulaufen. Seine Mandantin, die mobil eingeschränkt ist, sei über den Boden in Richtung Flur gerutscht, um zu sehen, was los ist. Der Angeklagte sei ihrer Tochter hinterhergelaufen. „Er hat sie auf den Boden gezogen, mit Benzin übergossen und angezündet.“ Die junge Frau sei laut Aussage der Mutter über den Boden gerobbt und die Mutter habe versucht, das Feuer mit einer Decke zu löschen. Sie seien auf den Balkon geflohen, wo sie auf die jüngere Tochter getroffen seien, die ihre Schwester in Flammen stehen gesehen habe. Anwohner hätten dann eingegriffen und die Frau vom Balkon gerettet.
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Verteidiger fällt bei Staatsanwaltschaft und Richter negativ auf
„Haben Sie mit den Nachbarn gesprochen nach dem Vorfall?“, will Verteidiger Nils Schiering jetzt wissen. Nachbarn seien zur Trauerfeier gekommen, dort habe man sich unterhalten. Manche hätten sich auch während des mehrtägigen Todeskampfes ihrer Tochter nach dem Gesundheitszustand der 17-Jährigen erkundet. Mit wem genau sie gesprochen habe, wisse sie nicht mehr. Sie kenne nicht viele Menschen in Deutschland und gehe nicht oft aus dem Haus. „Ich weiß nicht, wie die heißen“, sagt die Frau.
„Sie ist ein kleines Kind. Ich kann mich nicht erinnern, was ich vor acht Monaten gesagt habe. Ich habe meiner Tochter nichts erzählt, weil ich sie nicht stressen wollte.“
Ob sie ihrer kleinen Tochter, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt wurde, gesagt habe, dass sein Mandant in die Wohnung gekommen ist oder ob das Kind es selbst gesehen habe, will er wissen. „Sie hat bei der Polizei gesagt: Ich habe nicht gesehen, wie er reingekommen ist. Nur meine Mutter“, zitiert der Verteidiger. „Sie ist ein kleines Kind. Ich kann mich nicht erinnern, was ich vor acht Monaten gesagt habe“, sagt die Mutter. „Ich habe meiner Tochter nichts erzählt, weil ich sie nicht stressen wollte.“
Der Verteidiger lässt nicht locker, wiederholt seine Frage immer wieder, immer intensiver. „Sie stellen immer wieder die gleiche Frage und sie hat gesagt, dass sie es nicht weiß“, mahnt die Staatsanwältin an. Und auch der vorsitzende Richter Petja Pagel greift ein und fordert die Zeugen auf, nicht zu antworten. Die Atmosphäre im Saal wirkt angespannt. Unmut ist auf allen Seiten spürbar. Schließlich darf die Mutter den Zeugenstand verlassen, doch der Verteidiger behält sich vor, sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu befragen - falls seine weiteren Fragen im Laufe des Prozesses zulässig werden sollten.
Wie der sechste Prozesstag weiter ging, was die drei Zeugen zu sagen hatten und wieso der Verteidiger vom Richter eingenordet werden musste, lesen Sie im zweiten Teil des Berichts.