Menden/Arnsberg. Frühere Verlobte gibt Einblicke in die Beziehung mit dem Mann, der später ihre Schwester (17) mit Benzin übergossen und angezündet haben soll.
Hat sich der mutmaßliche Mord an einer 17 Jahre alten Mendenerin bereits Monate zuvor angekündigt? Zumindest legt die Aussage der früheren Verlobten des Angeklagten nahe, dass der 22-jährige Hemeraner einen Mordanschlag geprobt haben könnte. Die junge Frau gibt Einblicke in die Beziehung mit dem Mann, der später ihre Schwester mit Benzin übergossen und angezündet haben soll.
On-Off-Beziehung über Monate
Nachdem zuletzt vor allem Sanitäter und Gutachter ihre Einschätzung zur Art der Brandverletzungen gegeben haben, rückt nun die Schwester des Opfers in den Mittelpunkt. Denn die 20-Jährige war rund eineinhalb Jahre mit dem 22 Jahre alten Hemeraner verlobt, der ihre Schwester später mutmaßlich ermordete, wie sie in Saal 2 am Landgericht Arnsberg erzählt.
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Dabei hätten sich die beiden noch gar nicht allzu lange gekannt. Denn erst im März 2021 sei die junge Syrerin nach Deutschland gekommen. Am Flughafen habe ihre Familie und der Hemeraner als Freund der Angehörigen auf sie gewartet. Mit der Zeit hätte die heute 20-Jährige den Angeklagten dann aber über Telefonate näher kennengelernt und sich verliebt.
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„Er wusste alles über mein Leben“, sagt die junge Frau aus, die immer wieder mit den Tränen kämpft. Selbst dass die 20-Jährige in ihrer Heimat bereits einmal verheiratet war und einen Sohn hat, habe den Angeklagten zunächst nicht gestört. Doch das soll sich schnell geändert haben. Immer öfter sei der Kontakt zum Sohn und in die Heimat Streitthema gewesen. Diese Probleme haben dann wohl auch zu einer On-Off-Beziehung geführt. Mal ein paar Stunden, mal ein paar Tage. Nach einem Gespräch habe man aber immer wieder zusammengefunden.
„Er hat gesagt: ,Ich will sehen, wie lange du es aushälst ohne zu atmen‘.“
An einem Punkt im Sommer oder Herbst 2023 kippt die Stimmung allerdings, wie die Syrerin sagt. „Er hat gesagt: Lass uns ein Spiel spielen.“ Mit einem Schal soll der 22-Jährige dann ihre Hände und Beine gefesselt und ihr ein Kissen aufs Gesicht gedrückt haben. „Er hat gesagt: ,Ich will sehen, wie lange du es aushälst ohne zu atmen‘.“ Doch ein Kissen habe irgendwann nicht mehr gereicht; irgendwann würgt der 22-Jährige seine Verlobte. „Ich weiß nicht, wie lange ich bewusstlos war.“ Als sie wieder zu sich kam, sei sie zwar nicht mehr gefesselt gewesen – wirklich bewegen konnte sie sich aber nicht. Eines sei ihr aber danach trotzdem aufgefallen: „Ich habe seine Fingerabdrücke an meinem Hals gesehen.“
Spiel oder mutmaßlicher Mordanschlag?
Im Oktober 2023 reicht es der 20-Jährigen schließlich. Sie beendet die Beziehung, löst die Verlobung. Doch das habe der Angeklagte nicht akzeptiert. Über Tiktok-Chats soll er seine frühere Verlobte bedroht haben. Die Syrerin geht zur Polizei. Bis auf den Hinweis, ihre Social Media Accounts zu löschen oder zeitweise in einem Frauenhaus unterzukommen, habe man ihr nicht helfen können. „Ich habe kein normales Leben mehr geführt. Ich lebte in Angst.“ Lediglich mit ihrer Schwester, dem 17-jährigen Opfer, habe sie offen über ihre Probleme, Sorgen und Ängste gesprochen. Und nach der Trennung auch über die mutmaßliche Würgeattacke. Eingemischt habe sich ihre kleine Schwester aber nie. Ein direkter Angriff auf ihre Familie habe sich daher auch nie abgezeichnet. „Es gab keinen Grund, an so etwas zu denken, auch wenn er ein Problem mit mir hatte“, sagt die 20-Jährige, „aber er hat gewusst, dass sie mir sehr nahe steht.“
„Ich weiß nicht, wie lange ich bewusstlos war.“
Gut drei Monate vergehen, in denen die Drohungen zunehmen. Selbst eine beim Amtsgericht beantragte einstweilige Verfügung habe kaum für Ruhe gesorgt. Aber zumindest für eine Sensibilisierung in der Familie. Sowohl die Familie des Angeklagten als auch die der 20-Jährigen wussten über die Nachrichten Bescheid. Verhindert hat das den tödlichen Brandanschlag im März 2024 nicht.
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Während die Schwester des Opfers am achten Prozesstag zumindest die familiären Umstände der Tat erklärt, geht es für Verteidiger Nils Schiering hingegen auch um die persönlichen Verflechtungen der Zeugin. Denn kurz nach der Trennung von seinem Mandanten sei die 20-Jährige zu ihrem früheren Ehemann zurückgekehrt, der mittlerweile in Schwelm wohnt. Die Befragung des möglichen Nebenbuhlers seines Mandanten verläuft größtenteils im Sande. Denn Kontakt haben die beiden Männer demnach nie miteinander gehabt. „Ich sehe ihn heute das erste Mal“, so der Mann, der inzwischen abermals mit seiner 20-jährigen Ex verheiratet ist. Angesprochen auf den Grund der Trennung seinerzeit in Syrien blockt der Zeuge zunächst ab. Und während Verteidiger Schiering zuvor reihenweise Fragen der Staatsanwaltschaft beanstandet, bekommt er schließlich eine Antwort, um die sich der Zeuge einige Minuten drückte: „Sie wollte nach Deutschland und ich war damit nicht einverstanden.“
Der Prozess wird fortgesetzt