Menden. Mann aus Hemer soll Mendenerin (17) mit Benzin übergossen und angezündet haben. Nun steht er wegen Mordes vor Gericht. Emotionen kochen über.
Emotionale Szenen am Dienstagmorgen im Landgericht Arnsberg. Ihre Tochter wird im März 2024 mit Benzin übergossen und angezündet. Mehr als 50 Prozent ihres Körper sollen verbrannt sein, heißt es in der Anklageschrift. Zwei Wochen Todeskampf folgen, bis die 17-Jährige aus Menden schließlich stirbt. Multiorganversagen. Jetzt blickt die Mutter der Toten, die als Nebenklägerin in dem Mordprozess vor dem Landgericht Arnsberg am Dienstagmorgen erscheint, dem mutmaßlichen Täter ins Gesicht.
Mutmaßlicher Täter und Mutter der Toten schauen sich in die Augen
Gestützt von ihrem Sohn und ihrer Schwester betritt die Mutter der verstorbenen 17-Jährigen aus Menden den Saal. Auf halben Weg zu ihrem Platz kommen ihr die Tränen und sie braucht einen Moment, um sich zu sammeln. Sie tritt am Dienstag als Nebenklägerin auf. Offenbar will sie dem Mann in die Augen sehen, der laut Anklageschrift dafür verantwortlich sein soll, dass ihre Tochter tot ist. Dann öffnet sich die Tür. Der Angeklagte wird in Handschellen in den Saal geführt. Er trägt T-Shirt und Jeans. Vorsichtig blickt er sich um. DIe Handschellen werden ihm abgenommen. Sofort schnellt die Mutter des verstorbenen Mädchens von ihrem Stuhl hoch, gestikuliert wild, weint. Die Emotionen kochen hoch. Ihre Stimme ist laut. Sie spricht kein Deutsch.
Der Anwalt des Angeklagten, Nils Schiering, baut sich indes vor seinem Mandanten mit verschränkten Armen auf. Der angeklagte 24-Jährige wiederum kann nur kurzen Augenkontakt mit der Mutter aufbauen. Dann senkt er den Blick und hebt die Hände vors Gesicht. Die Mutter wird ruhiger. Langsam setzt sie sich wieder. Der vorsitzende Richter der vierten großen Strafkammer, Petja Pagel, eröffnet schließlich die Sitzung, die Staatsanwaltschaft verliest die Anklage. „Meine Mandantin hat im Kern gesagt: Warum hast du das meiner Tochter angetan?!“, wird ihr Anwalt Bernd Slapka im Nachgang des ersten von insgesamt vierzehn angesetzten Verhandlungstagen die Worte der syrischen Mutter übersetzen. Es ist ein kurzer Prozessauftakt - und doch ein besonders emotionaler.
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Vorwurf: Frau mit Benzin übergossen und angezündet
Doch was ist überhaupt konkret passiert? Ein 24-jähriger Syrer aus Hemer wird unter anderem angeklagt, am Abend des 22. März eine junge syrische Frau (17) aus Menden in deren elterlicher Wohnung in Bösperde mit Benzin übergossen und angezündet zu haben. Infolge der schwerwiegenden Verbrennungen starb die 17-Jährige. Die Anklage gegen den Beschuldigten lautet am Dienstagmorgen auf Mord, Brandstiftung mit Todesfolge, Körperverletzung und das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion. Nun sind weitere Details bekannt.
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Die Schwester des 17-jährigen Opfers war laut Anklage mit dem 24-Jährigen verlobt, die Beziehung ging aber auseinander. Damit sei der Angeklagte den Ermittlungen zufolge nicht klargekommen. Der Angeklagte soll gegen 22 Uhr bei der Familie geklingelt haben, weil er seine Ex-Freundin in der Wohnung im ersten Obergeschoss des Mehrfamilienhauses in der Wunne aufsuchen wollte. Diese sei jedoch nicht anwesend gewesen. Stattdessen habe die Schwester der Ex-Freundin die Tür geöffnet.
Laut Anklage sei der mutmaßliche Täter mit vier Kanistern mit jeweils fünf Litern Benzin ausgestattet gewesen. Damit soll er die junge Frau übergossen und angezündet haben. „Die Frau wurde vom Feuer erfasst und nahezu ihr gesamter Körper“ habe in Flammen gestanden, verliest Staatsanwältin Melina Stoschek. Infolge der schwerwiegenden Verbrennungen starb die 17-Jährige am 5. April in einer Dortmunder Klinik. Heimtückisch und grausam soll die Straftat laut Anklage gewesen sein. Der Angeklagte habe der Familie Schaden zufügen wollen. Beim Versuch, ihre Tochter zu retten, erlitt auch die Mutter eine leichte Verbrennung. Eine weitere Ersthelferin erlitt eine Rauchvergiftung. Bei dem Feuer soll es zudem zu einer Explosion gekommen sein. Das Gericht berichtete von einem Sachschaden in Höhe von 300.000 Euro. Doch das ist nicht alles.
Bereits im Vorfeld soll er seine Ex bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben
Bereits vor der Tat im Frühjahr soll es problematische Vorfälle gegeben haben. Am 23. Juni 2023 soll der Hemeraner, der sich derzeit in Untersuchungshaft in Hagen befindet, seine Ex-Verlobte körperlich misshandelt und bedroht haben. So soll der heute 24-Jährige die Frau zunächst einvernehmlich an Händen und Füßen gefesselt haben. Doch im Anschluss habe er ihr ein Kissen ins Gesicht gedrückt. Als sie sich wehrte, habe er sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, heißt es weiter von Seiten der Staatsanwaltschaft. Einige Monate später, Anfang November, soll er seiner Ex-Verlobten darüber hinaus über das Videoportal Tiktok unter anderem gedroht haben, ihr „alle Knochen zu brechen“.
Am Dienstagmorgen ist der Saal im Landgericht bereits vor dem Prozess voll. Vertreter verschiedenster Medien und Zuschauer haben sich in Saal drei eingefunden. Verlesen wird letztlich nur die Anklageschrift. Verteidiger Nils Schiering kündigt an, sein Mandant wolle an einem der kommenden Verhandlungstage aussagen. Doch dies sei mit einem „erheblichen zeitlichen Rahmen“ verbunden. Die Verbindungen scheinen komplex zu sein. So sollen sowohl der mutmaßliche Täter, als auch die Familie der Getöteten laut Nebenklagevertreter Bernd Slapka „aus demselben syrischen Dorf“ stammen und sich bereits lange kennen. Es sei „nicht so einfach“.
Zahlreiche Helfer in der Nacht im Einsatz
Rückblick. 22. März. Der Knall der Explosion reißt zahlreiche Nachbarn in dem dicht besiedelten Wohngebiet aus der abendlichen Ruhe. „Laute, schlimme Schreie“ seien zu hören gewesen, berichten entsetzte Anlieger der WP vor Ort. Mehr als 100 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst eilen zum Ort des Geschehens, versorgen Verletzte, betreuen in der Nacht schockierte Zeugen. Menden ist erschüttert.
Es wird eine umfangreiche Beweisaufnahme erwartet: 14 Verhandlungstage bis in den Dezember hinein sind terminiert. Weiter geht es am Freitag, 27. September.