Hohenlimburg. Kein Schnickschnack, nichts Digitales. Der Märchenwald war ein Publikumsmagnet. Und bleibt bis heute in vielen Herzen bestehen.

Es war einmal ein Ort, so klein, so simpel und so liebevoll hergerichtet, dass er mit einfachsten Mitteln zu einem Besuchermagneten für Familien in Hohenlimburg, Hagen und der gesamten Region wurde: der Märchenwald am Piepenbrink. 1951 errichtet, zog der Märchenwald nahe der Raffenburg fast 50 Jahre lang Kinder, aber auch Eltern immer wieder in seinen Bann. Bis Kyrill 2007 kam und jegliche Wiederaufbau-Versuche später an der Bürokratie und an Beschwerden von Nachbarn scheiterten. Eine Erinnerung an einen wunderbaren Ort.

So kennen viele Ältere sicher noch den Anlaufpunkt der Gaststätte Märchenwald. Die Märchenwald-Anlage selbst lag links daneben.
So kennen viele Ältere sicher noch den Anlaufpunkt der Gaststätte Märchenwald. Die Märchenwald-Anlage selbst lag links daneben. © Heimatbund Hagen | Heimatbund Hagen

Der Nerv der Zeit

1951 hatte der kleine Park hinter der gemütlichen Gaststätte eröffnet. Das Gasthaus gab es schon seit 1907. Rudolf Lampmann erhielt dort die erste Schankerlaubnis. Neben Milchwirtschaft betrieb er auch einen Flaschenbierhandel. Und zehn Morgen Land. Zunächst schien ein Fluch über dem alten Haus zu liegen. 1924 brannte es ganz fürchterlich. Als Schreiner konnte Lampmann mithelfen, das Gasthaus wieder herzurichten. Er heiratete die Nachbarstochter Elfriede Brinkmann und betrieb mit ihr die Schänke. Doch dann kam die Weltwirtschaftskrise. Niemand konnte sich mehr einen Gaststätten-Besuch leisten. Als es gerade wieder besser wurde, brach der Zweite Weltkrieg aus.

Blick in den alten Gaststättenraum in den 60er-Jahren.
Blick in den alten Gaststättenraum in den 60er-Jahren. © Heimatbund Hagen | Heimatbund Hagen

Die historische Betrachtung, aus der alle Informationen dieser Geschichte stammen, hat Autorin Birgit Ebbert im Hagen-Buch 2022 für die Nachwelt festgehalten. Die Wirtschaftswunderzeit in den 50ern brachte die Leute zurück. Und Rudolf Lampmann kam eine geniale Idee, als er sah, dass die Kinder, die die erwachsenen Gäste mitbrachten, sich alle langweilten. Nach dem Vorbild des Ittertaler Märchenwaldes wollte er am Piepenbrink eine gleichartige Anlage schaffen. Monatelang schuftete er dafür und traf im April 1951 mit voller Wucht den Nerv der Zeit bei der Eröffnung.

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18 Häuser mit Märchenszenen

18 Häuser mit Märchenszenen darin, eine Seilbahn, ein Hammerwerk, zwei Eisenbahnen, ein Riesenrad, eine Windmühle, Wasserspiele, einen Spielplatz und eine Autoscooterbahn hatte Lampmann geschaffen. Dazu Tiere in Gehegen. Der „Kinderonkel“ und Kasperl-Theaterspieler vom Piepenbrink, Franz Merkelskemper, unterstützte Lampmann und die Lampmanns erweiterten die Gaststätte.

Jahrzehntelang brummte der Märchenwald als beliebtes Ausflugsziel für Familien mit Kindern.
Jahrzehntelang brummte der Märchenwald als beliebtes Ausflugsziel für Familien mit Kindern. © Heimatbund Hagen | Heimatbund Hagen

Der Märchenwald brummte. Es wurde so viel, dass die Lampmanns die Gaststätte 1971 an das Ehepaar Hohl übergaben, um sich selbst mehr dem Märchenwald widmen zu können. 1978 übernahmen Hermann und Karin Sondermann die Gastronomie. 1999 wiederum Petra und Ulrich Mönkemöller, die sich ab da um Gastronomie und Märchenwald kümmerten. Da gab es schon 33 Märchenstationen und in der Adventszeit einen beliebten Weihnachtsmarkt.

Historischer Blick in die ersten Märchenhäuser - geschaffen durch den Vater des Märchenwaldes, Rudolf Lampmann.
Historischer Blick in die ersten Märchenhäuser - geschaffen durch den Vater des Märchenwaldes, Rudolf Lampmann. © Heimatbund Hagen | Heimatbund Hagen

Als es auf die 2000er-Jahre zugeht, spürte das Produkt Märchenwald aber erstmals, dass es einen Wandel im Freizeitverhalten und dem Konsum von Geschichten gibt. Märchen-Gucken in stationären Häusern wich YouTube, Mediatheken und dem Internet im Allgemeinen. Die Fachhochschule Südwestfalen schien damals ein Rettungsanker sein zu können. Prof. Dr. Norbert Drescher wollte sich mit seinem Fachbereich Elektrotechnik und technischen Informationen an einen Relaunch der Märchenwald-Technik wagen.

Blick auf den alten Wintergarten des Märchenwaldes.
Blick auf den alten Wintergarten des Märchenwaldes. © Heimatbund Hagen | Heimatbund Hagen

2006 waren diese Arbeiten abgeschlossen. Der Prototyp einer Steuerungstechnik, entwickelt von vier Studenten, erweckte die Märchen in den Häusern zu digitaler, audio-visueller Realität. Bis zum 20. Januar 2007. Der Orkan Kyrill zerstörte den Märchenwald und das Ehepaar Mönkemöller musste den Märchenwald schließen. Ein Wiederaufbau stand in keinem finanziellen Verhältnis.

Das verlassene Gelände war von da an nur noch Anlaufpunkt für Menschen, die nach „Lost Places“ suchen. Ein Gebäude, wie das sehr bekannte Frau-Holle-Haus mit dem Schriftzug „Es kommt alles zurück! Das Gute, das Böse und das Glück“, haben den Sturm überlebt. Neben den Überresten des Märchenwaldes, die bis heute sichtbar sind, zog 2010 die Kita Märchenwald ein - in der einstigen Gaststätte.

Das Frau-Holle-Haus mit dem alten Schriftzug steht heute noch.
Das Frau-Holle-Haus mit dem alten Schriftzug steht heute noch. © Birgit Ebbert | Birgit Ebbert

Der Investor Dieter Füssmann, der das Gelände gekauft hat, begann 2012 mit der psychotherapeutischen Einrichtung „Haus Hohenlimburg“ ein Projekt und wollte das Märchenwald-Gelände reaktivieren. Die therapierten Jugendlichen richteten die 25 verbliebenen Häuser wieder her, schnitten Wege frei und sorgten für Ordnung. Doch als der verantwortliche Mitarbeiter nicht mehr zur Verfügung steht, stirbt das Projekt.

Beschwerde aus der Nachbarschaft

Die Künstlerin und Tanzstudio-Inhaberin Mona Stöcker (MStage) pachtete das Gelände, um gemeinsam mit einer Künstlergemeinschaft den Geist des Märchenwaldes zu erhalten. Doch als die Gemeinschaft mit den Instandsetzungsarbeiten startete, reichte ein Nachbar Beschwerde ein. Die Baumaßnahmen werden gestoppt - bis heute. Was direkt nach dem Krieg zur Freude vieler Menschen auf kleinem Wege gebaut werden konnte, darf in der weiteren Nachkriegszeit „am Rande eines Naturschutzgebietes“ nicht mehr stehen.

Ein kleines Mini-Riesenrad als Relikt der großen Zeit des Märchenwaldes.
Ein kleines Mini-Riesenrad als Relikt der großen Zeit des Märchenwaldes. © Birgit Ebbert | Birgit Ebbert
Überbleibsel einer großen Zeit: die wenigen verbliebenen Häuser auf dem einstigen Märchenwald-Gelände.
Überbleibsel einer großen Zeit: die wenigen verbliebenen Häuser auf dem einstigen Märchenwald-Gelände. © Westfalenpost | Marcel Krombusch

Der einstige Märchenwald war in der damaligen Stadt Hohenlimburg per Handschlag und ohne Verwaltungsakt genehmigt worden. In der Folge, das zeigt auch intensive Berichterstattung aus dem Archiv dieser Zeitung, machten alle Beteiligten - auch der Investor - immer wieder deutlich, welch enorme Hürden, Auflagen und Zwänge es heute zum Betrieb einer solchen Anlage gibt - und ein „Comeback“ des Märchenwaldes überhaupt nicht mehr vorstellbar ist. Und so bleibt er eine Erinnerung. Eine Erinnerung an eine wunderbare Zeit. In den Köpfen Tausender Kinder, die alt geworden sind.

Die Kita Märchenwald am Piepenbrink in Hohenlimburg heute.
Die Kita Märchenwald am Piepenbrink in Hohenlimburg heute. © Mike Fiebig | Mike Fiebig