Hengstey. Zwei Millionen Euro Mehrkosten, Probleme mit Fledermäusen und 50 Zentimeter fehlender Radweg. Die Nebengeräusche der Steg-Eröffnung.
Nun ist es Wirklichkeit. Dreieinhalb Jahre nach dem ersten Handgriff steht der Steg, der aus dem Wasser empor steigt, über das Ufer ragt und ins historische Strandhaus der ältesten Badeanstalt Hagens führt: dem Hengsteybad. Die vielen Superlative und das zigfach bemühte Wort „Leuchtturmprojekt“, die bei der offiziellen Eröffnung fielen, werden im Folgenden ausgespart. Dafür gibt es ein paar Randbemerkungen, Unerzähltes und das, was wirklich wichtig ist.
Wichtig ist ganz sicher, dass das Projekt und die Menschen, die es umgesetzt haben, einer ziemlichen Latte von Widrigkeiten getrotzt haben. Es hat Dinge gegeben, die die Planer einfach nicht auf dem Radar hatten. Markus Monßen-Wackerbeck, der Geschäftsführer der Hagener Versorgungs- und Verkehrs-Gesellschaft (HVG), berichtete ziemlich ehrlich: „Wir haben zum Beispiel unterschätzt, was es heißt, im See zu bauen.“ Äußerlich sieht man nur ein paar Stützen unter dem Steg, die im Wasser verschwinden. Baulich und wasserrechtlich hat diese Gründung den Machern Schweißperlen auf die Stirn getrieben.
Und dann kamen die Fledermäuse
Und nicht nur das. Die routinemäßige Bombensuche auf dem Bauplatz Beachclub, der vor dem Steg liegt, hat sich als viel aufwändiger und kostenintensiver herausgestellt, als man das kalkuliert hatte. Es hat auch keiner der Experten geahnt, dass der Steg so beleuchtet werden muss, dass er keine negativen Effekte auf das Flug-, Lebens- und Jagdverhalten der vor Ort ansässigen Fledermäuse hat. Da kann man mal drauf achten: Die LED-Beleuchtung am Steg ist exakt auf die Bedürfnisse der nachtaktiven Jäger ausgelegt.
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Es fehlen 50 Zentimeter Radweg
Die Planer des Stegs haben aber auch etwas über das peinlich genaue Erbsenzählertum deutscher Bürokratie gelernt. Aufmerksame See-Umrunder werden zuletzt bemerkt haben, dass an einem der wuchtigen Stein-Quader, die das Beachclub-Gelände ästhetisch schön begrenzen, eine Mini-Baustelle mit Absperrung errichtet wurde. Dabei ist das Beachclub-Gelände doch längst fertig. Hier war sehr pedantischen Verwaltungsmitarbeitern aufgefallen, dass der tonnenschwere Stein so abgelegt war, dass der Radweg nun an dieser Stelle 50 Zentimeter schmaler wurde. Ein deutscher Radweg ist nämlich drei Meter breit. Also kurzfristiger Rückbau, Umlagerung des Steins. Extrakosten.
Zwei Millionen Euro teurer
Die machten den Kohl dann auch nicht mehr fett. „Das Projekt ist zwei Millionen teurer geworden als geplant“, sagt der HVG-Chef. Jetzt kann man trefflich darüber streiten, auf wessen Rücken die Mehrkosten ausgetragen werden. Schließlich ist die HVG mit der Straßenbahn und den Bädern ein wenig profitabler Betrieb, der sich das kaum leisten kann. Am Ende ist der Steuerzahler dann eben doch voll mit im Boot. Aber: Einen Großteil der Mehrkosten macht auch der mächtig gestiegene Stahlpreisindex aus. Und wer 27,5 Tonnen davon für letztlich 165 Meter Steg verbaut, darf sich angesichts der enorm gestiegenen Preise seit Pandemie-Ende, dem Beginn des Ukraine-Kriegs und der Knappheit in der Baubranche auch nicht wundern.
Eine völlig neue Perspektive
Das Ergebnis ist, was zählt. Und das bietet eine ganz andere Perspektive auf das historische Ensemble See, Laufwasserkraftwerk und Koepchenwerk, das einzig und allein vor über 100 Jahren aus der angestauten Ruhr geschaffen wurde, um die Menschen mit Energie zu versorgen. Der ansteigende Steg führt einen hoch über das Wasser. Man ist „draußen“ auf dem See, glaubt man für einen Moment. Vor einem faltet sich das mächtige und gerade wunderschön herbstliche Ardeygebirge auf.
Der Blick auf die Roteiche
Man blickt übrigens von der Aussichtsplattform geradezu auf die amerikanische Roteiche am Kanuclub, die in den vergangenen Monaten das Politikum schlechthin in Hagen geworden ist. Für die Planer der Stadt muss sie weg. Politisch beschlossen ist das auch. Sie steht bekanntlich mitten auf dem Ruhrtalradweg. Und bekanntlich glauben alle Radweg- und Verkehrsexperten, dass über diesen Teil entlang des See-Südufers künftig Tausende rollen werden. Ob ein Beachclub und ein Seepark, den es noch lange nicht gibt, das wirklich auslösen werden, darf fraglich bleiben. Schließlich rollt auch jetzt nur ein Radstrom am Ufer entlang, den man möglicherweise an der knorrigen Eiche vorbeiführen könnte.
27.000 Unterzeichnern
Am Donnerstagnachmittag - am Eröffnungstag des Stegs - fand eine Roteichen-Demonstration statt. Befürworter ihres Erhalts marschierten mit einem Flatterband am Laufwasserkraftwerk los in Richtung Eiche. 27.000 Menschen haben die Petition im Internet dafür übrigens schon unterzeichnet. Eine große Zahl, die nicht ausdrückt, wie viele Hagener tatsächlich unter den Unterzeichnern sind. An der Roteiche verlas Petitionsinitiatorin Michaela Willmes noch einmal Forderungen und Wissenswertes aus Sicht der Baum-Kämpfer.
Die wären übrigens auch gern zur Steg-Eröffnung gekommen. Nicht, um dort Stunk zu machen, sondern aus Interesse. Das ging aber nicht, weil die Verantwortlichen für den erlesenen Kreis von Eingeladenen - im Prinzip die führenden Köpfe der Verwaltung, der HVG und der politischen Fraktionen sowie einige Handwerker und Anpacker - die Seerunde an dieser Stelle mit Bauzäunen abgesperrt und sogar extra ein Umleitungsschild aufgestellt hatten. Und das für zwei zehnminütige Reden und das symbolische Durchschneiden eines Flatterbandes. Das fanden sogar einige der ausgewählten Anwesenden seltsam. „Das wäre doch ein toller Moment für die Öffentlichkeit gewesen“, murmelte eine.