Hagen. Der 48-jährige Unternehmer fordert einen kompletten Neustart und Auftragsvergaben nach Vorbild der Privatwirtschaft. Er brenne für Hagen.
Der Unternehmer und Hagener Philipp Jung (48), ehemaliger Gründer des Adhoc-Zeitarbeitsservices und heutiger Mitinhaber des Unternehmens Gräfe und Jung und Experte für Fördermanagement, will im Herbst 2025 neuer Oberbürgermeister von Hagen werden. Jung, der nach eigenen Angaben „mit dem ganzen Herzen“ an dieser Stadt hängt und ihrem „Niedergang“ nicht tatenlos zusehen will, wird sich als Parteiloser um das Amt bewerben. Noch sind nicht alle Formalien geklärt: Jung muss zunächst noch 260 Unterstützer-Unterschriften vorlegen, was ihm aber gelingen sollte.
Nicht warten, dass das Licht ausgeht
Philipp Jung ist in Boele groß geworden und war viele Jahre neben seinen Tätigkeiten in geschäftsführender Rolle auch Wirtschaftsjunior. Für Hagen brenne er, wie er sagt. „Ich habe diesen Standort nie verlassen, habe hier gegründet, ich habe immer daran geglaubt. Aber ich kann nicht mehr dabei zusehen, wie man darauf wartet, dass hier das Licht ausgeht. Und weil ich nicht nur zu den Motzenden gehören will, kandidiere ich selbst.“
„Und weil ich nicht nur zu den Motzenden gehören will, kandidiere ich selbst.“
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Jüngst hatte der Unternehmer eine chinesische Delegation zu Gast in Hagen, die er bei der Gelegenheit durch die Stadt gefahren habe. „Als wir an der Westside (Anm.: die große Freifläche hinter dem Bahnhof) standen, da ist mir wieder bewusst geworden, wie träge Hagen agiert und dass hier keine Entscheidungen getroffen werden.“ Angesichts der zentralen Lage in Westdeutschland, direkt am Hauptbahnhof, umgeben von wichtiger Industrie sei - so befanden die chinesischen Kollegen - ein Kongresszentrum doch hier genau richtig. „Für den Tunneldurchstich aus dem Bahnhof hinten raus, sahen sie keine Finanzierungsschwierigkeiten. Investoren und Fördermittel gebe es genug. In solchen Momenten merkt man, dass das keine Hirngespinste sind, und hier viel mehr machbar ist. Aber es tut niemand mehr was.“
Stark in Wirtschaftsthemen
„Ich verfüge über ein außerordentliches Netzwerk von Investoren und besonders auch von Menschen, die mich bei meiner Arbeit als Oberbürgermeister fachlich bereichern würden. Ich kenne mich ausgezeichnet in Wirtschaftsthemen aus, gerade bei Fördergeldern“, sagt der Vater zweier Kinder (18 und 7), die ihm genau spiegeln würden, wo die Dinge in den Bereichen Bildung und Freizeit hier in Hagen im Argen liegen würden. „Ich bekomme jeden Tag Input, was man besser machen muss.“
„Weniger städtische Betriebe einbinden, mehr Vergabe an die Privatwirtschaft mit Zielvorgaben und Prämien, wenn es früher fertig oder die Arbeit günstiger wird als geplant.“
Bewusst lasse er sich von keiner Partei tragen. So wie er auch sagt, dass er von hausinternen Absprachen in Politik und Verwaltung „die Nase voll“ habe. „Ich glaube, dass man angesichts der jüngsten Wahlen in Deutschland auch sieht, dass die Bürger sich nicht mehr von Parteischildern lenken lassen, sondern dass diese Zeit vorbeigeht. Parteilos zu sein, ist kein Makel mehr.“
Weniger städtische Betriebe einbinden
Seine Ansätze sind forsch. „Weniger städtische Betriebe einbinden, mehr Vergabe an die Privatwirtschaft mit Zielvorgaben und Prämien, wenn es früher fertig oder die Arbeit günstiger wird als geplant.“ Oder: „Ein über Hagen hinaus strahlendes Neubaugebiet mit innovativer und kreativer Bebauung. Formen wagen. Hightech auf der Straße. Flüchtlingswohnungen übrigens sollten außerstädtisch liegen. Es muss kein Flüchtling in der City leben.“ Oder: „Das OGS-Angebot muss ausgebaut werden. Wenn kein Raum und Personal da sind, dann gesammelte Stellen einrichten, wo die Kids gemeinsam betreut werden. Ggf. Busunternehmen einbinden. Eltern mehr Flexibilität im Alltag schaffen.“ Und: „Ein Ende mit dem Orientieren nach den Schwächsten und Wenigsten. Leistungsbringer sind auch Vorbilder und motivieren die Schwachen, mehr von sich selbst zu geben. Rücksichtnahme aber kein „Leistungsrückgang“! Viel mehr Bürgerentscheide abhalten, um es den Bürgern zu ermöglichen aktiv mitzugestalten.“
Das ist nur ein Auszug aus einem Programm mit vielen Punkten, das Jung auf seiner Homepage www.neustart-hagen.de präsentiert und wo ihm viele Bürger zuletzt „viele, viele Feedbacks“ gegeben haben. Eine seiner hauptsächlichen Visionen bis 20230: „Klüngel ist weitestgehend Geschichte. Entscheidungsträger wurden versetzt und wirtschaftliche Verknüpfungen sind durch die offene Kommunikation der Ämter und Verflechtungen den Bürgern nun ersichtlicher.“
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„Das OGS-Angebot muss ausgebaut werden. Wenn kein Raum und Personal, dann gesammelte Stellen einrichten, wo die Kids gemeinsam betreut werden. Ggf. Busunternehmen einbinden. Eltern mehr Flexibilität im Alltag schaffen.“
Förderung als Steckenpferd
Mit Förderung und Verbindung verdienen Philipp Jung und sein Geschäftspartner Lars Gräfe ihr Geld. „Wir liefern für die Unternehmen eine Dienstleistung, die die Lohnkosten senkt – und ermöglichen gleichzeitig Mitarbeitern, die leider oft schon im Bewerbungsprozess aussortiert werden, eine neue Chance“, erklärten die beiden zuletzt gegenüber dieser Zeitung. Einfach erklärt: Sie prüfen für Firmen bei einer Neuanstellung, ob das Unternehmen für den oder die entsprechenden Kandidaten Fördertöpfe anzapfen können. „Wir arbeiten eng mit den entsprechenden Stellen zusammen.“ Für Bewerber ergeben sich so Perspektiven, für Unternehmen Förderungschancen.
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Stark gemacht für Autobahnausfahrt
Zuletzt fiel Philipp Jung in sozialen Netzwerken auf, weil er nach eigener Aussage nicht dulden wollte, dass die vielen Brösel-Brücken den auch für die Wirtschaft wichtigen Verkehr in Hagen bald zum Erliegen kommen lassen werden. Jung griff eine vor 20 Jahren abgeschmetterte Idee wieder auf und recherchierte bei Bundestagsabgeordneten bis hin zu Ministerien, ob nicht eine weitere A46-Autobahnabfahrt „Herbeck“ an der Hammacherstraße endlich geboten wäre, damit auch Industrieverkehre und der zerstörerische Lkw-Abkürzungsverkehr durch Hagen besser abfließen könnten.
Die Antwort war erneut, dass die höchsten Stellen befinden, dass es bereits eine ausreichende Ab- und Auffahrtendichte im Bereich der A46 in Hagen gebe. Das sei vor knapp 20 Jahren auch der Stadt bei einem offiziellen Vorstoß mitgeteilt worden. Wenn parlamentarische Ausschüsse sich erneut mit dem Thema beschäftigen sollen, müsste die Stadt dies erneut tun. „Und weil ich auf sowas nicht jahrzehntelang warten will, habe ich die Sache zunächst mal selbst in die Hand genommen. Die Lage hat sich bedeutend verändert.“ Die Stadt hatte noch vor zweieinhalb Jahren eine weitere Auffahrt für sinnvoll gehalten.