Hohenlimburg. 88 Geflüchtete werden in ein Wohncontainer-Dorf in Hohenlimburg einziehen. Im Vorfeld stellte sich die Stadt nun den Fragen der Bürger.

Am Anfang war es totenstill im Hohenlimburger Rathaussaal. Mit einem Moment des Innehaltens leitete Moderator Thomas Hammermeister-Kruse den Informationsabend zum Wohncontainer-Dorf für Geflüchtete am Kirchenberg ein, in Solidarität mit den Opfern und dem Leid in Solingen. Dort hatte ein Asylbewerber aus Syrien bei einem Messerangriff drei Menschen getötet und mehrere Menschen verletzt.

Ein Anschlag, der Ängste befeuern und den Ton im Hohenlimburger Rathaussaal setzen könnte, gegen den Zuzug von Geflüchteten in das Containerdorf. So hatten es manche jedenfalls im Vorfeld befürchtet. Doch es kam anders.

Insgesamt 88 Geflüchtete sollen in Wohncontainer am Kirchenberg in Hohenlimburg einziehen. Die Container stehen, die Vorarbeiten für den Einzug im September laufen.
Insgesamt 88 Geflüchtete sollen in Wohncontainer am Kirchenberg in Hohenlimburg einziehen. Die Container stehen, die Vorarbeiten für den Einzug im September laufen. © WP Hagen | Marcel Krombusch

Respektvolle Atmosphäre

Zwar waren bei weitem nicht nur Flüchtlingshelfer und Befürworter des Containerdorfes unter den Anwesenden, doch vor dem Mikro kochte die Melange aus Wütenden, Besorgten, Neugierigen und Zuversichtlichen nicht hoch. Man ließ sich ausreden, klatschte bei Zustimmung und verzichtete bei Missfallen auf laute Buh-Rufe.

Der Pfarrer Thomas Hammermeister-Kruse moderierte die Bürgerinformationsveranstaltung im Rathaus Hohenlimburg zum Wohncontainer-Dorf am Kirchenberg. 
Der Pfarrer Thomas Hammermeister-Kruse moderierte die Bürgerinformationsveranstaltung im Rathaus Hohenlimburg zum Wohncontainer-Dorf am Kirchenberg.  © WP Hagen | Marcel Krombusch

Fragen und Statements

Zwischen Fragen zum Containerdorf mischten sich Statements wie „Ich will diese Migration nicht“ und „Viele Menschen haben Angst, dass etwas passiert“ sowie Plädoyers für Einwanderung und offen formulierte Sorgen vor rechter Hetze. Eine Vertreterin vom Frauenverband Courage gab bekannt, ein Willkommensfest für die Geflüchteten auf die Beine stellen zu wollen. „Ich finde es trotzdem unwürdig, dass diese Menschen in Containern leben müssen, zumal wir zahlreiche Wohnungen in Hohenlimburg haben, die leerstehen.“

Gefährlicher Trampelpfad

Dazu gesellten sich kleinteilige Anfragen. Wie es denn um die Sicherheit der Flüchtlingskinder stehe, wenn doch ein Trampelpfad in der Böschung den Weg vom Parkplatz am Kirchenberg auf die Straße an der Berliner Allee ermöglicht, fragte eine Dame. „Es wird ein Zaun entlang der Böschung errichtet, bevor die Geflüchteten in die Wohncontainer einziehen“, antwortete Natalia Keller, Fachbereichsleiterin Integration der Stadt Hagen.

„Da ist nichts los, es gibt dort keine Einsätze. Eigentlich muss die Polizei da nicht hinfahren.“

Steffen Mielke, Polizeidirektor Hagen, über die Sicherheit an den vier Flüchtlingsunterkünften in Hagen

Keine Polizeieinsätze an Unterkünften

Sorgen um die Sicherheit rund um Flüchtlingsunterkünfte begegnete Steffen Mielke, Chef der Direktion Gefahrenabwehr bei der Polizei Hagen, mit Gelassenheit: „Da ist nichts los, es gibt dort keine Einsätze“, blickt er auf die vier Sammelunterkünfte im Stadtgebiet. „Eigentlich muss die Polizei da nicht hinfahren.“ Das sei dem Personal zu verdanken, das in den Unterkünften arbeitet, und den Menschen, die dort wohnen.

Polizeidirektor Steffen Mielke informierte im Rathaus Hohenlimburg über die Sicherheitslage an Flüchtlingsunterkünften in Hagen. 
Polizeidirektor Steffen Mielke informierte im Rathaus Hohenlimburg über die Sicherheitslage an Flüchtlingsunterkünften in Hagen.  © WP Hagen | Marcel Krombusch

Polizei behält Containerdorf im Blick

Dennoch will die Polizei mehrmals pro Woche das Containerdorf am Kirchenberg anfahren, für Gespräche mit Geflüchteten und Anwohnern. Letztere hörten auch, dass ein Zwei-Mann-Sicherheitsdienst am Containerdorf stationiert wird - 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. „Wir haben damit gute Erfahrungen an den bisherigen Einrichtungen gemacht“, betonte Martina Soddemann, Beigeordnete Fachbereich Soziales der Stadt Hagen.

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Mulmiges Sicherheitsgefühl

Das mulmige Sicherheitsgefühl in der Stadt, das manch Bürger im Plenum umtreibt, konnten solche Ankündigungen nicht beruhigen. „Ich habe das Gefühl, das Thema wird heruntergespielt“, sagte nach dem Info-Abend eine Hagenerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Das betrifft nicht das Wohncontainer-Dorf an sich, aber den Zuzug in diese Stadt im Allgemeinen.“ Sie verweist auf Angsträume wie den Hagener Hauptbahnhof bei Nacht und erinnert an die Silvester-Krawalle in der Alleestraße.

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Von Turnhalle in Container

Insgesamt 88 geflüchtete Personen, die aktuell in der Turnhalle an der Kapellenstraße leben, sollen im Laufe des Septembers in die Wohncontainer umziehen. Bei den Geflüchteten handelt es sich um Familien, die aus verschiedenen Herkunftsländern kommen und in der Turnhalle auf Pritschen und ohne Trennwände hausen. Sie freuten sich auf den Umzug, schilderte die Beigeordnete Martina Soddemann, versprechen die Wohncontainer doch ein bisschen mehr Privatraum. Ziel ist auch, die Turnhalle Kapellenstraße wieder für den Vereins- und Schulsport zur Verfügung zu stellen. Sozialarbeiter, die die Familien bereits länger betreuen, werden diese Arbeit am Kirchenberg fortsetzen.

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Hohe Kosten für Unterbringung

Sozialarbeiter, 24-Stunden-Sicherheitspersonal, Wohncontaineranlage - wie viel das alles denn den Steuerzahler koste, möchte ein Mann aus dem Plenum wissen. Insgesamt beziffert die Stadt die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten im Stadtgebiet mit 15 Millionen Euro - Personalkosten und interne Leistungsbeziehungen nicht eingerechnet. Knapp die Hälfte der Kosten werde durch Landesmittel refinanziert. Zum Vergleich: Der Gesamthaushalt der Stadt liegt bei gut 920 Millionen Euro.

„Es macht aber keinen Sinn zu sagen, dass es nichts kostet“, sagte Oberbürgermeister Erik O. Schulz. „Das sind erhebliche Kosten, die durch Zuzug von Geflüchteten von Kommunen, Land und Bund aufgewendet werden müssen.“

„Dynamische Lage“

Was denn in zwei oder drei Jahren passiere, fragte ein Hohenlimburger, falls die geflüchteten Familien aus den Wohncontainern ausziehen und neue Flüchtlinge kämen - zum Beispiel junge Männer aus Nordafrika. Bei dem Zuzug Geflüchteter handele es sich um eine „dynamische Lage, die stetig neu bewertet werden müsse“, antwortete Krisenstabsleiter André Erpenbach wage. Strategie sei, die Wohncontainer möglichst schnell wieder leer zu ziehen und oberstes Ziel, die Menschen in Wohnungen unterzubringen. „Wir können nicht in die Glaskugel gucken“, unterstrich die Beigeordnete Martina Soddemann, „werden im Zuge des Betriebs aber immer wieder informieren müssen, wie es mit der Einrichtung weitergeht.“

Maximal 88 Geflüchtete

Eine künftige Erweiterung der Anlage schließt die Stadt aus. „Die maximale Kapazität liegt bei 88 Personen - und wir gehen nicht höher“, betonte Soddemann.

Ansprechpartner für Flüchtlingshelfer

„Unser herzlicher Dank geht an alle, die sich für eine gelungene Ankunft und Integration der Menschen am Kirchenberg einbringen möchten“, betonte Natalia Keller, Stadt Hagen, Im Nachgang des Infoabends. Der Fachbereich Integration, Zuwanderung und Wohnraumsicherung freue sich über Unterstützungsangebote. Ansprechpartner ist Thomas Peter, Koordination Sozialdienst für Flucht und Asyl, unter Telefon 02331/207-4394 oder Mail Thomas.Peter@stadt-hagen.de.

Den kompletten Fragenkatalog zu der Bürgerinformation über das Containerdorf am Kirchenberg mit Antworten hat die Stadt Hagen in einem FAQ veröffentlicht.