Hagen. Oberbürgermeister lädt zum Gipfel ins Rathaus ein. Unternehmerschaft erwartet Transparenz und eine klare Zielperspektive.
Die Dimensionen sind gewaltig, die Kosten ebenfalls, die Zeiträume gigantisch und die Auswirkungen erschreckend. Die über Hagen zurzeit hereinbrechenden Probleme mit altersschwachen Brückenbauwerken bereiten Politik, Verwaltung, aber auch Handel, Handwerk und Wirtschaft akutes Kopfzerbrechen. Um die Problemlagen zu greifen, formulierte am Freitag Hans-Joachim Bihs, Vorstand des in Baufragen federführenden Wirtschaftsbetriebs Hagen (WBH), seine Sorgen mit einer Anleihe aus dem Kulturressort: „Es ist alles ein Drama – ich hoffe, dass es in mehreren Akten gespielt wird.“
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Oberbürgermeister Erik O. Schulz hatte nach einer aufwühlenden und zugleich auch mit vielen offenen Fragen behafteten Ratssitzung am Donnerstagabend rund um die Brösel-Brücke „Ebene 2“ in Altenhagen ausgewählte Repräsentanten aus der Unternehmerschaft ins Rathaus eingeladen, um dort reinen Wein einzuschenken: „Seit 2016 ist die Thematik der spannungsrisskorrosionsgefährdeten Brücken immer wieder ein Thema in den politischen Gremien, und es war uns auch bekannt, dass die Altenhagener Hochbrücke gefährdet ist“, räumte der Verwaltungschef ein, dass die aktuelle Verkehrskatastrophe bereits einen achtjährigen Vorlauf hat. „Wir wussten auch, dass die Brücke keine Zukunft hat, aber wir wussten nicht, dass das Bauwerk nicht bis in die 30er-Jahre durchhält.“
Mangel an Fachkräften
Bihs machte deutlich, dass die Stadt durchaus ein Sanierungsdrehbuch vor Augen gehabt habe, in dem die „Ebene 2“ jedoch erst ab dem Jahr 2034 auftauchte. Angesichts der jetzt akut gesperrten Brücke müssten die Prioritäten neu sortiert werden: „Ich kann nicht alles gleichzeitig erneuern, dann mache ich Hagen dicht“, warb der WBH-Chef dafür, seinem Haus bis zum Jahr 2040 Zeit für den gesamten Erneuerungsprozess einzuräumen. Allerdings machte er in der Runde auch deutlich, dass beim konstruktiven Ingenieurbau fünf Stellen beim WBH nicht besetzt seien – immerhin ein Drittel des Teams. Ebenso fehle es in der freien Wirtschaft bei den kompetenten Fachgutachtern und Ingenieuren am Angebot, weil die Büros dort ebenfalls alle voll ausgelastet seien.
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Dennoch warben die Vertreter der Wirtschaft dafür, ab sofort sehr transparent mit der Entwicklung und den einzelnen Entwicklungen umzugehen. „Mir fehlt einfach die Perspektive, was die Lösungen für die Zukunft sein könnten und wo Hagen verkehrsplanerisch eigentlich hin will“, mahnte Michael Bösebeck (Geschäftsführung Waelzholz). Unisono forderte SIHK-Geschäftsbereichsleiter Christoph Brünger, die Entwicklung weitaus kommunikativer in die Stadtgesellschaft zu tragen, „damit die Menschen den Glauben an den Standort nicht verlieren“.
„Die Attraktivität der Innenstadt leidet ungemein“, stellte SIHK-Präsident Ralf Stoffels fest. Auswärtige versuchten angesichts der Probleme rund um die Rahmedetal-Brücke ohnehin schon, den Großraum Hagen zu meiden, und nun käme mit der Sperrung der Hochbrücke noch ein weiteres gravierendes Verkehrsproblem in Hagen hinzu. Der Schaden für die Geschäftsleute sei enorm, bilanzierte er gemeinsam mit Burkhard Blesel, Vorsitzender des SIHK-Ausschusses für Handel und Dienstleistungen. „Deshalb muss die Verwaltung jetzt auch verrückte Ideen zulassen und darf keine ideologischen Denkverbote erteilen“, forderte Stoffels, der selbst jeden Tag bei der Autofahrt von seinem Betrieb im EN-Kreis zum Kammergebäude an der Karl-Marx-Straße im Stau den Ampeln beim Farbwechsel zuschaut. Marc Simon, Geschäftsführer der Hagener Spedition, regte zudem an, viel konsequenter Dienstleistungen rund um den Brückenbau extern einzukaufen, um die Prozesse zu beschleunigen. Selbst in Indien und China gebe es inzwischen Büros, die auf solche Projekte eingerichtet seien.
Für alle Vorschläge offen
Viele Spielräume, so die Einschätzung von Rolf Alexander, Leiter des städtischen Fachbereichs Verkehr, gebe es für die Verwaltung jedoch nicht, die Verkehrsströme in Richtung Innenstadt neu zu sortieren. So lasse allein schon die Luftsituation am Hauptbahnhof nicht zu, den Graf-von-Galen-Ring wieder zweispurig zu öffnen. Auch die Körnerstraße sei letztlich völlig ungeeignet, mehr Verkehr aufzunehmen: Zum einen bleibe das Nadelöhr Kreisel Badstraße, der auch beampelt kaum mehr Verkehr vertragen könne. Zum anderen dürfte die direkt anschließende und ebenfalls sanierungsbedürftige Brücke Badstraße nicht unnötig belastet werden. Auch dort gibt es bereits gerissene Spannelemente: „Die Brücke wird weitere Lasten auf Dauer nicht vertragen“, blickt WBH-Vorstand Bihs durchaus mit Skepsis auf die nächste umfassende Schadensanalyse an dem Bauwerk im kommenden Jahr. Sollte auch diese Brücke ausfallen, wäre selbst der Busverkehr in die City kaum noch zu organisieren.
Oberbürgermeister Erik O. Schulz sicherte den Vertretern der Wirtschaft, aber zugleich auch der gesamten Bürgerschaft zu, dass man sich bei den Verkehrsplanern alle Vorschläge für mögliche Umleitungsalternativen noch einmal anschauen und prüfen werde: „Dabei wird es auch keine dogmatischen Lösungsbetrachtungen geben.“