Hohenlimburg. Der Klimawandel und seine Folgen: Es wird Jahre dauern, bis sich die Natur rund um das Biotop Koenigsee regeneriert, befürchtet Ralf Blauscheck.

Am dramatischen Rückgang der Erdkrötenpopulation rund um den Koenigsee hat sich trotz des relativ regenreichen Frühlings nichts geändert. Die Situation in dem Biotop ist ein Beispiel für die nachhaltigen Naturschäden, die der Klimawandel mit sich bringt. „Es wird noch Jahre dauern, bis sich der Amphibienbestand am Koenigsee regenerieren kann“, prophezeit Ralf Blauscheck, Leiter der Biologischen Station Hagen.

1452 Erdkröten wurden bei einer Bestandserhebung im Jahr 2012 am Koenigssee gezählt, zehn Jahre später waren es gerade einmal 113. Auch wenn es zwischendrin Ausreißer-Jahre gab (2017: 20, 2018: 81) - die allerdings, so Blauscheck, auf Bauarbeiten im Umfeld des Sees zurückgingen. Die Gründe für das Amphibiensterben sind vielfältig.

Die Natur soll sich in der Aue regenerieren, irgendwann kehren vielleicht auch die Amphibien in größerer Zahl zurück.
Die Natur soll sich in der Aue regenerieren, irgendwann kehren vielleicht auch die Amphibien in größerer Zahl zurück. © WP | Michael Kleinrensing

Doch die wichtigste Rolle spielt der Klimawandel. Die warmen und trockenen Sommer in den vergangenen Jahren hatten zur Folge, dass sich die Borkenkäferpopulation sprunghaft vermehren konnte und im Nahmer- und Nimmertal ganze Hänge entwaldet wurden. Für Amphibien gibt es dadurch kaum noch Versteckplätze, die Grundtemperatur ist einfach zu hoch. „Damit kommen die Tiere nicht zurecht“, sagt Blauscheck.

Ralf Blauscheck

„Dieser Entwicklung hat lange Zeit niemand Beachtung geschenkt. Es war ein verdecktes Sterben in aller Heimlichkeit.“

Ralf Blauscheck

Lebensräume sind verschwunden

Seit Jahrzehnten beobachtet Hagens erster Naturschützer das Amphibiensterben in der Stadt. Nicht nur am Koenigsee, auch in anderen Bereichen mussten die empfindlichen Arten den veränderten Rahmenbedingungen Tribut zollen. Früher habe es zahlreiche Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg gegeben, in denen sich Gewässer gebildet hätten, erinnert sich Blauscheck. Hinzu kamen Hofteiche und Viehtränken auf landwirtschaftlichen Anwesen. Alle diese für Amphibien so bedeutenden Lebensräume seien nach und nach verschwunden: „Dieser Entwicklung hat lange Zeit niemand Beachtung geschenkt. Es war ein verdecktes Sterben in aller Heimlichkeit.“

Die Bachaue „Koenigsee“ wurde mit menschlicher Hilfe renaturiert. 
Die Bachaue „Koenigsee“ wurde mit menschlicher Hilfe renaturiert.  © WP | Michael Kleinrensing

Es gebe kein geschlossenes Mosaik an Wasserflächen mehr, wie es für den Erhalt der Arten so wichtig wäre. So sei im Nimmertal gerade noch ein Bruchteil der ursprünglich bei Wanderungen gezählten Erdkröten übrig. Durch eine veränderte Wasserführung im Hüseckenteich habe der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) zwar dafür gesorgt, dass die Bachaue Koenigsee nach den Bauarbeiten infolge der Hochwassersicherungsmaßnahmen wieder besser mit Feuchtigkeit versorgt werde, doch bis sich die Bestände von Erdkröte, Grasfrosch, Lurch und Salamander - den am häufigsten vorkommenden Arten - wieder erholen, werde es Jahre dauern: „Wenn sie sich denn überhaupt wieder erholen.“

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Das Biotop wurde empfindlich gestört

Das Biotop Koenigsee, einst ein sogenannter Stauteich des Nahmer Baches, der für industrielle Zwecke genutzt wurde, wurde nach der Schließung der Krupp-Werke trockengelegt. Dadurch ist eine Aue entstanden, in der der Nahmer Bach ungehindert mäandern darf.

Die kleinen Wälder sollen vielen Pflanzen und Tieren eine Heimat bieten, der relativ tiefe Hüseckenteich von Fröschen, Kröten und Molchen besiedelt werden. Doch die Hitzejahre und menschliche Eingriffe wie die Hochwasserschutzmaßnahmen haben das Gefüge empfindlich gestört.

Interessierte Besucher können nachverfolgen, wie sich die Natur das Gebiet am Koenigsee zurückerobert.
Interessierte Besucher können nachverfolgen, wie sich die Natur das Gebiet am Koenigsee zurückerobert. © WP | Michael Kleinrensing

Dass der Mensch nun in den von ihm selbst aus dem Gleichgewicht gebrachten natürlichen Haushalt eingreife und die Natur in diesem Falle nicht sich selbst überlasse, verursache ihm kein schlechtes Gewissen, betont Blauscheck: „Erstens machen wir hier nichts kaputt, zweitens stellen wir nur einen jahrzehntelang etablierten Zustand wieder her.“

Die Natur sei nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen, es gebe keine mäandernden Bäche mehr, die Schleifen abschnüren und natürliche Teiche bilden. „Diese natürliche Dynamik ist nicht mehr gegeben.“ Die Jahrhundertflut 2021 habe so viel Bodenmaterial in die Koenigsee-Aue geschwemmt, dass man dort einfach habe eingreifen müssen.

„Aus ökologischer Perspektive ist das scheinbar Unaufgeräumte aber gerade gewünscht.“

Ralf Blauscheck
über den Koenigssee

Nun aber solle der Bach die Möglichkeit haben, sich selbst seinen Weg zu suchen, kleine Stehgewässer abzunabeln und neue Nischen zu bilden. Er wisse, dass in Hohenlimburg die Meinungen auseinandergingen und so mancher Bürger das „Chaos“ mit Argwohn betrachte, so Blauscheck: „Aus ökologischer Perspektive ist das scheinbar Unaufgeräumte aber gerade gewünscht.“ Es fördere die Selbstheilungskräfte des Biotops Koenigsee.

Damit einher geht die Hoffnung, dass eines Tages auch die Amphibien die Natur dort wieder für sich entdecken.