Hochsauerlandkreis. Zerstörte Wahlplakate, scharfe Diskussionen, Überraschungen: Der Wahlkampf im Sauerland war kurz und heftig. Parteien ziehen eine ehrliche Bilanz

Eisiger Wind, klamme Finger und hitzige Debatten: Der Winterwahlkampf im Hochsauerlandkreis fordert die Parteien in mehrfacher Hinsicht heraus. Während Infostände mit Glühwein und heißem Tee gegen die Kälte ankämpfen, prägen steigende Preise, Migration und innere Sicherheit die Gespräche mit den Wählerinnen und Wählern. Doch nicht nur die politischen Themen sorgen für Spannung – auch Vandalismus an Wahlplakaten und ein rauer Ton in den Sozialen Medien setzen den Kandidierenden zu. Trotz aller Widrigkeiten ziehen sie Bilanz: Wer sich über große Unterstützung freut, wo besonders viele Plakate beschädigt wurden und welche Themen die Menschen im Sauerland wirklich bewegen, zeigt der Blick auf die Parteien.

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Die Linke: „Der HSK ist flächenmäßig so groß – jede Hand wird gebraucht“

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Die Linke musste in diesem Winterwahlkampf gleich mehrere Herausforderungen meistern. „Da unser Kreisverband erst im Juni letzten Jahres neu gegründet wurde, war für uns die größte Herausforderung, uns zu organisieren“, die Bundestagskandidatin Lara Kuse. Immerhin habe man großen Zuwachs erhalten, besonders von jüngeren Leuten. „Der HSK ist flächenmäßig so groß, dass zum Plakatieren oder für Infostände jede Hand gebraucht wird.“

Zu Vandalismus-Fällen sagt die Partei: „Unsere Plakate wurden zum Glück weniger beschädigt als die anderer Parteien.“ Am Infostand selbst sei es friedlich zugegangen. „Wenn Personen uns mal nicht so zugetan waren, sind diese gar nicht erst an den Stand gekommen. Alle anderen waren offen für Gespräche.“

Thematisch habe man anfangs viel über Migration gesprochen, „wahrscheinlich, weil es in den Medien groß gemacht wird“, so die Linke. „Wenn wir aber ins Gespräch kamen, zeigte sich, dass die eigentlichen Themen andere sind: Alles wird teurer, Arbeit lohnt sich nicht mehr, oder die Rente reicht nicht.“

CDU: „Mit Glühwein und guter Stimmung trotz Mütze im CDU-Design“

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Für  Matthias Kerkhoff, Kreisvorsitzender der CDU im Hochsauerlandkreis, war der Winter-Wahlkampf eine „frostige Anlegenheit“. Dennoch zieht man eine positive Bilanz: „Mit Kaffee, Tee, Glühwein und guter Stimmung haben wir gemeinsam viele Stunden draußen verbracht – es hat sich gelohnt. Die Resonanz ist sehr positiv“, so Kerkhoff. Eine besondere Motivation sei, dass mit Friedrich Merz „einer von uns“ die Chance habe, Bundeskanzler zu werden: „Dies prägt von Beginn an diesen Wahlkampf und hat die ganze CDU im Hochsauerlandkreis stark motiviert.“

Was Vandalismus angeht, stellt die CDU fest: „Vandalismus gegen Plakate, besonders gegen die Großflächen, hat deutlich zugenommen. Das macht auf allen Ebenen viel Arbeit, da in solchen Fällen nachplakatiert werden muss.“ Bei den Infoständen hingegen habe es keine Probleme gegeben. Inhaltlich standen laut CDU „außergewöhnlich viele Gespräche zum Thema Migration“ im Mittelpunkt. „Die Anschläge der letzten Wochen in Magdeburg, Aschaffenburg und München haben auch die Menschen im HSK aufgewühlt und verunsichert.“

Freie Wähler: „Von Null auf Hundert in kürzester Zeit“

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Die Freien Wähler geben unumwunden zu, dass es in diesem Wahlkreis rasant zuging: „Der Wahlkampf war knackig und kurz, wenig Zeit, um sich vorzubereiten. Es ging in kürzester Zeit von Null auf Hundert“, sagt Sebastian Vielhaber, der für die Partei im Hochsauerlandkreis antritt. Zwar sei man „im Gegensatz zur Bundestagswahl 2021 weitestgehend verschont geblieben“ von Vandalismus, aber ganz ohne Zwischenfälle sei es nicht abgegangen: „Allerdings musste ich auch verbale Drohungen gegenüber meiner Person standhalten, ob beim Plakatieren oder nach Besuch von Veranstaltungen.“

Beschädigte Wahlplakate
Beschädigte und beschmierte Wahlplakate vor der Bundestagswahl 2025 © Rita Maurer | Rita Maurer

„Aus zahlreichen Gesprächen mit den Bürgern habe ich ein positives Feedback erhalten, u.a. zum geforderten Stopp des Windkraftausbaus und der technologieoffenen Energiepolitik“, berichtet Vielhaber weiter. Besonders auffällig aus seiner Sicht: „Viele Bürger haben nach der Nutzung des Wahl-O-Mat als erstes Ergebnis die Freien Wähler angezeigt bekommen.“ Ansonsten sehe man „einen Trend zum digitalen Wahlkampf in Social Media“. Trotz digitaler Kanäle sei man auch in den Städten der Region unterwegs: „Ein großes Dankeschön an mein Team aus Brilon, Eslohe, Medebach, Sundern und Winterberg“, so Vielhaber.

SPD: „Mit dicker Jacke, langer Unterhose und warmer Mütze“

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Bei der SPD klingt das Winterthema ebenfalls an: „Wahlkampf im Winter und damit bei kalten Temperaturen erforderte einige Umplanungen. Aber mit einer dicken Jacke, langer Unterhose und warmer Mütze funktioniert das alles sehr gut“, so der Kreisvorsitzende Dirk Wiese. Was Sachbeschädigungen angeht, gebe es auch hier vereinzelt zerstörte oder gestohlene Plakate, „eine Häufung kann ich allerdings nicht feststellen“.

Während in anderen Regionen Fahrzeuge angezündet oder Kandidierende angegriffen werden, sei es im Sauerland eher ruhig. Was Wiese auffällt: „Der Ton in den Sozialen Medien wird immer rauer. Man hat dort teilweise den Eindruck, dass einige Mitbürger jeden Tag mit dem falschen Fuß aufstehen.“ In Gesprächen seien zuletzt auch die Abstimmungen von Friedrich Merz mit der AfD ein Thema gewesen. Die Online-Präsenz werde zwar immer wichtiger, allerdings könne sie „das persönliche Gespräch vor Ort“ nicht ersetzen.

AfD: „Plakate der AfD wurden in besonders hohem Umfang verunstaltet“

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Nach eigener Aussage verlief der Wahlkampf für die AfD „ausgesprochen gut“: „Die Infostände verliefen harmonisch, mit viel Zustimmung und Anteilnahme.“ Was Vandalismus betrifft, kommt jedoch Kritik: „Auffällig war, dass gerade die Plakate der AfD verunstaltet und entfernt wurden, in besonders hohem Umfang“, so der Eindruck von Bernhard Bühner, Direktkandidat der AfD im Hochsauerlandkreis.

Ein Vorfall habe sich beim Plakatieren ereignet, als „junge Migranten, ca. 14–17 Jahre alt“, angeblich mit Gewaltandrohungen und Beschimpfungen aufgetreten seien. „Das haben wir aber nicht so ernst genommen“, heißt es. Zudem betont die AfD, sie bekomme „Zuspruch von auffällig vielen jungen Menschen mit Migrationshintergrund“. Nach Bühners Eindruck sei „dass sehr viele Menschen mit Angst und Erkenntnissen auf uns zukamen, in der Form, dass uns die Politik der mit leeren Versprechungen werbenden Kartellparteien offensichtlich in den Ruin führt“, so der AfD Kandidat.

FDP: „Ohne Podiumsdiskussion mit der AfD fehlt mir die Möglichkeit, bessere Argumente zu liefern“

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Auch die FDP beschreibt den verkürzten Wahlkampf bei winterlichen Bedingungen als besondere Herausforderung: „Schließlich müssen Plakate organisiert, Flyer getextet und Anzeigen gestaltet werden – trotz Weihnachtszeit und Winterwetter.“ Insgesamt aber sei der Wahlkampf „im Sauerland einmal mehr friedlich und fair“, so der Kreisvorsitzende Carl-Julius Cronenberg.

Obwohl viele Plakate beschädigt oder heruntergerissen worden seien, habe man meist „schnell nachplakatiert“ und auf Strafanzeigen verzichtet.

Bei den Gesprächen mit Wählerinnen und Wählern dominierten zuletzt Themen wie Migration und innere Sicherheit. „Viele Menschen wissen noch nicht, wen sie wählen sollen. Sie wünschen sich einen Politikwechsel, können aber nicht erkennen, welche Koalition die gewünschten Veränderungen umsetzen kann.“ Die FDP setze darauf, „entweder als Regierung die Wirtschaft zu stärken und Ordnung in die Migration zu bringen oder als Opposition in der Mitte des politischen Spektrums zu bleiben“. Bemerkenswert sei zudem, dass „Menschen mit Migrationshintergrund schärfere Maßnahmen gegen irreguläre Migration fordern, weil sie selbst eher unter Vorurteilen leiden.“

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Beschädigte Wahlplakate
Beschädigte und beschmierte Wahlplakate vor der Bundestagswahl 2025 © Rita Maurer | Rita Maurer

Grüne: „Aggressive Graffiti und Hakenkreuze auf unseren Plakaten“

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Besonders besorgt über zunehmenden Vandalismus zeigen sich die Grünen. „Statt vornehmlich Wahlkampfaktionen durchführen zu können, müssen beschädigte Plakate abgenommen und Anzeigen gestellt werden“, heißt es. Das koste Zeit, Nerven und „nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand“, sagt Grünen-Geschäftsführer Jörg Rostek.

Man habe mehrfach Strafanzeige gestellt, etwa wegen Graffiti an der Parteigeschäftsstelle in Sundern. „AfD-Sympathisantinnen haben die GRÜNE Geschäftsstelle gleich zweimal mit Graffiti verunstaltet, die ‚AfD‘-Symbole und aggressive Beleidigungen enthielten.“ Dazu sei man mit Hakenkreuzen auf Plakaten konfrontiert worden: „In Brilon wurden sämtliche Großplakate damit beschmiert.“ Diese Entwicklung sei „zutiefst besorgniserregend“, aber man stehe zu seinen Positionen. Auch am Wahlstand gebe es vermehrt Pöbeleien, besonders von AfD-Anhängern, berichten die Grünen.

Hinzu komme die Flut von Fake News: „Noch nie zuvor wurden wir in diesem Ausmaß mit Falschbehauptungen konfrontiert, die mit großer Aggressivität verbreitet werden und die wir immer wieder aufwändig richtigstellen mussten.“ Das sei „gefährlich für den demokratischen Diskurs“.