Hochsauerlandkreis/Brilon. Bundestagswahl 2025: Wie kann der ländliche Raum zukunftsfähig bleiben? Der SPD-Direktkandidat Dirk Wiese über Herausforderungen im HSK.

Der Hochsauerlandkreis steht wie viele ländliche Regionen vor Herausforderungen: Digitalisierung, Infrastruktur und der demografische Wandel prägen die politischen Debatten. Dirk Wiese (SPD) vertritt den Wahlkreis im Bundestag. Im Interview mit der Westfalenpost spricht er über die Zukunft des Sauerlandes, politische Prioritäten und seine Lösungsansätze.

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Der HSK ist ländlich geprägt und steht wie viele Regionen vor Herausforderungen in Digitalisierung, Abwanderung und Infrastruktur. Welche Bundesinitiativen wollen Sie vorantreiben, um den ländlichen Raum attraktiver zu machen und seine Zukunftsfähigkeit zu sichern?

Dirk Wiese: Drei Stichworte für die Zukunft des Sauerlandes: digital, digital und nochmals digital. Wir müssen die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz nutzen und dafür den Breitbandausbau verstärken. Bürokratie lässt sich digital entlasten, unser Mittelstand soll behördliche Pflichten digital lösen können – das spart Zeit, Geld und Mühe. Wenn wir diese Initiativen ausbauen, bleiben ländliche Räume attraktiv. Wir brauchen auch starke Ankerpunkte wie das Mittelstands-Kompetenzzentrum an der Fachhochschule Südwestfalen. Nur mit der Bündelung der Kräfte aus Forschung, Wirtschaft und Arbeit mit nachhaltiger Perspektive bleiben Unternehmen und Arbeitskräfte langfristig im Sauerland.

„Wir brauchen zügig Aufschwung durch günstige Energiepreise und einen „Made in Germany“-Investitionsbonus für Zukunftsinvestitionen, sichere und tarifgebundene Arbeitsplätze.“

Dirk Wiese
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Dirk Wiese ist Direktkandidat der SPD im Hochsauerlandkreis. © WP | Büro Dirk Wiese

Welche Maßnahmen halten Sie für notwendig, um das Vertrauen in Politik und Staat in Zeiten wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umbrüche zu stärken? Wie kann vor Ort im Hochsauerlandkreis, ein stärkerer Austausch mit Bürgern gelingen?

Obwohl das Leben im Sauerland sehr lebenswert ist, leben wir in unsicheren Zeiten: In Europa herrscht Krieg, der Nahe Osten ist angespannt und in den USA droht mit Trump eine ungewisse Zukunft. Olaf Scholz hat unser Land durch eine der herausforderndsten Phasen der vergangenen Jahrzehnte geführt, viel umgesetzt und Rückgrat bewiesen. Die Menschen wollen wissen, wie es weitergeht und welche Folgen Entscheidungen haben. Das braucht Vertrauen, das wir nur stärken können, wenn die Bürgerinnen und Bürger eingebunden werden. Deshalb etablieren wir Bürgerräte als festen Bestandteil unserer Demokratie. Sie kennen die konkreten Verbesserungen vor Ort, etwa in Mobilität, Bildung und Gesundheitsversorgung, und können auch im Sauerland für mehr Austausch und Vertrauen sorgen. Ehrenamtliches Engagement ist hier Tradition und fördert den Zusammenhalt. Damit das so bleibt, brauchen wir Qualifizierung, Infrastruktur und langfristige hauptamtliche Unterstützung. Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt auf Bundesebene bleibt dabei ein wichtiger Partner.

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Wenn Sie in die Zukunft blicken, was sind die drei größten politischen Herausforderungen der nächsten Legislaturperiode, und wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf?

Erstens Wirtschaft und Arbeit stärken: Wir brauchen zügig Aufschwung durch günstige Energiepreise und einen „Made in Germany“-Investitionsbonus für Zukunftsinvestitionen, sichere und tarifgebundene Arbeitsplätze. Weder Schuldenberge noch eine starre Schuldenbremse helfen. Deshalb müssen wir die Schuldenbremse reformieren, um sinnvoll zu investieren und unsere Industrie zu stärken. Zweitens Beschäftigte entlasten: Wir wollen mehr Netto vom Brutto, Familien stärken, den Einkommensteuertarif reformieren und Arbeitseinkommen entlasten. Auch Elterngeld und Kinderbetreuung werden wir reformieren. Drittens Migration sinnvoll steuern: Wir brauchen eine geregelte Migration, die einerseits konsequent Straftäter abschiebt, andererseits qualifizierte Fach- und Arbeitskräfte anwirbt. Ohne Zuwanderung können wir etwa in der Altenpflege eine alternde Gesellschaft nicht meistern.

Ländliche Räume sind auf öffentliche Verkehrsmittel und individuelle Mobilität angewiesen. Sind ÖPNV-Ausbau oder alternative Konzepte wie Rufbus- und On-Demand-Modelle praktikabel? Und wie soll das auch im Hochsauerlandkreis finanzierbar bleiben?

„Wir brauchen flexible, bedarfsgerechte ÖPNV-Lösungen, gerade wo Linienbusse wegen geringer Bevölkerungsdichte schwer finanzierbar sind.“

Dirk Wiese

Wir brauchen flexible, bedarfsgerechte ÖPNV-Lösungen, gerade wo Linienbusse wegen geringer Bevölkerungsdichte schwer finanzierbar sind. Deshalb stärken wir (Ruf-)Busse und reaktivieren Bahntrassen wie die Almetal- oder Röhrtalbahn. On-Demand-Angebote entlasten Unternehmen und Nutzerinnen. Bürgerbusse, getragen von Ehrenamtlichen, schließen oft Lücken. Wir unterstützen das durch Förderprogramme, weniger Bürokratie und Wertschätzung des Ehrenamts.

Mit welchen Partnern können Sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen, welche Kompromisse sind denkbar, und wo liegen rote Linien?

Wir sind offen für eine Zusammenarbeit mit allen demokratischen Parteien. Alles Weitere entscheidet sich am 23. Februar und in den folgenden Verhandlungen. Jetzt sind die Wähler gefragt, wir kämpfen um jede Stimme.

Wenn Sie für einen Tag allein entscheiden dürften – ohne Parteidruck und Koalitionszwang –, welche drei Maßnahmen würden Sie sofort umsetzen und warum?

Wir wollen die Menschen entlasten. Wir haben vorgerechnet, wie mehr Netto vom Brutto bleibt. Wenn wir das sofort umsetzen, profitieren Millionen Arbeitnehmer, Familien und Kinder. Zweitens müssen wir gut bezahlte, tarifgebundene Arbeitsplätze sichern, indem wir Wettbewerbsfähigkeit durch Investitionen stärken und verlässliche, bezahlbare Energie garantieren. Drittens brauchen wir eine Reform der Schuldenbremse, um in Klima, Infrastruktur, digitale Transformation und Bildung zu investieren, bevor uns diese Herausforderungen überwältigen.

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Zur Person:

Dirk Wiese wurde am 11. Juli 1983 in Paderborn geboren, ist er seit 2013 Bundestagsabgeordneter der SPD für den Wahlkreis Hochsauerlandkreis. Nach Studium und Referendariat in Rechtswissenschaften war er Büroleiter von Franz Müntefering und bekleidet seit 2020 das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion. Langjähriges Engagement in der SPD und zahlreichen Vereinen, darunter St. Hubertus Schützenbruderschaft und Sauerländer Heimatbund.