Brilon. Gastronomen in Brilon sind wütend: Immer öfter bleiben reservierte Tische leer. Der Schaden ist groß. Jetzt könnte es für Gäste bald teuer werden
Sie sitzen alle beisammen im Gastraum bei Tommy. Acht Briloner Gastronominnen und Gastronomen haben sich einen Donnerstagvormittag in ihrem stressigen Arbeitstag zwischen Einkaufen und Vorkochen freigeschaufelt, um in der WP einen dringenden Appell an ihre Gäste zu richten. Seit einigen Jahren wird es zum immer größeren Problem: Reservierungen werden nicht eingehalten, Tische nicht abgesagt - die Gäste kommen einfach nicht. Die Briloner Wirtinnen und Wirte bleiben auf den Kosten sitzen. Und die sind immens.
Unverbindlichkeit der Gäste belastet die Gastronomie in Brilon

Volker Gierse, der das „Hotel zur Post“ betreibt, ruft an einem Dienstagvormittag noch bei einem Gast an. Am Abend ist ein Tisch reserviert, 17 Personen. Er lässt sich die Reservierung bestätigen. Dann ruft er eine Aushilfe an, fragt ob sie am Abend kommen könne. Stellt die Tische im Gastraum so um, dass eine große Tafel bereit steht. Er kocht vor, deckt ein, heizt den Raum vor. Statt 17 Gäste kommen am Abend nur 7 Personen. Für ihn ist es ein letzter Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. „Die Leute machen sich keine Gedanken darüber, dass wir dadurch mehr Aufwand und mehr Kosten und mehr Arbeit haben“, sagt er, während er Tage später mit seinen Kolleginnen und Kollegen an einem großen runden Tisch sitzt. Wil Weber von „Tapas am Törchen“ in Brilon nickt. „Wir machen um 17 Uhr auf, das sehen die Gäste. Die Arbeit zuvor, das Putzen, das Einkaufen, das Kochen, die Vorbereitung in der Küche, das sehen sie nicht.“
Brilon: Reservierungen oft unzuverlässig und unberechenbar
Sie haben alle das gleiche Problem: Die Unverbindlichkeit der Gäste. Laura van Soest, die das gleichnamige Restaurant Richtung Brilon-Wald führt, schildert der Runde: „Ich hatte vor kurzem eine Hochzeitsgesellschaft. 35 Leute, 35 Menüs habe ich geplant. Am Ende kamen 15 Gäste. Natürlich musste ich die 35 Menüs berechnen, die ich bereits eingekauft hatte und darüber waren die Gäste noch sauer.“ Andreas Piorek, der früher im Jägerhof gearbeitet hat, bietet nun Caterings an und bestätigt das: „Manchmal habe ich 20 Menüs übrig, weil doch weniger Leute kommen. Wir sind kein A la Carte-Restaurant, ich kann das Essen dann leider nicht mehr weiterverarbeiten.“ Solche Anekdoten erzählen sie alle. Volker Gierse sagt: „An Weihnachten sind so viele Gäste einfach nicht erschienen. Später habe ich sie in einem anderen Lokal sitzen sehen, die haben doppelt reserviert und nicht abgesagt.“ Laura van Soest erzählt: „Ich wurde einmal angerufen, man wolle in 20 Minuten kommen, Tisch für vier. Sie kamen nicht. Als ich zurückgerufen habe, ging niemand mehr dran.“ Rischa Maria Claus vom Jägerhof sagt: „Wir hatten eine Reservierung für den Abend, die Gäste kamen mit fünf Leuten mehr, ohne vorher Bescheid zu geben. Wo soll ich den extra Tisch hernehmen?“ „Das hatten wir auch schon, reserviert war für 12 Personen, eine Stunde vorher wurde angerufen, es würden 27 Personen kommen. Wir haben auf Hochdruck neu eingedeckt. Und auch das Menü ist ja eigentlich schon eingekauft und vorbereitet“, schildert Volker Gierse. „Ich verstehe das nicht, wir arbeiten den ganzen Tag aufwendig vor. Es ist nicht so, dass wir 24 Mikrowellen in der Küche stehen haben und alles nur aufwärmen müssen. Wir kochen frisch.“
Planung für Tische, Personal und Lebensmittel erfordert viel Zeit
„„Ich wurde einmal angerufen, man wolle in 20 Minuten kommen, Tisch für vier. Sie kamen nicht. Als ich zurückgerufen habe, ging niemand mehr dran.“
Laura van Soest erklärt: „Die Arbeit beginnt mit dem Anruf. Man klärt, wie viele Leute kommen, spricht Wünsche ab.“ Wil Weber grätscht kurz dazwischen: „Wenn es denn ein Anruf ist, viele schreiben nur noch Mails, ohne Telefonnummer. Dabei hat man doch Rückfragen, die man klären muss und kaum Zeit für einen aufwendigen Mail-Verkehr.“ Nach dem Telefonat geht es für die Gastronominnen und Gastronomen an die Planung. Tische werden eingeteilt und geplant, ebenso das Personal. Anfang der Woche werden Lebensmittel eingekauft, auf Basis der Reservierungen. Gekocht wird jeden Tag schon am Morgen. Dann kommt das Personal. Tische werden umgestellt und verrückt, der Raum wird vorgeheizt, Decken werden ausgelegt und Besteck und Teller gedeckt. Viel zu oft bleiben die Bemühungen in Brilon nun umsonst. Bleibt ein Vierer-Tisch leer, fehlen oft mehr als 200 Euro. „Die Stimmung beim Abräumen, das ist nicht schön“, sagt Volker Gierse.
Gastronomen in Brilon: Unsichtbare Arbeit hinter den Kulissen
Der Großteil der Arbeit in einem Restaurant ist unsichtbar für die Gäste. Laura van Soest erzählt: „Ich hatte einmal eine Anfrage für ein veganes Menü. Ich habe mir wirklich Mühe gemacht, das auf die Beine zu stellen und zu planen. Ich habe es fertig gemacht, zugeschickt. Das alles hat eine Woche gedauert, da steckten mehrere Arbeitsstunden drin. Dann kam: Wir bleiben doch Zuhause.“ Seitdem lässt sie Menüs für Familienfeiern und co. schriftlich zusagen.
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Jan Niklas Hillebrand vom Jägerhof sagt: „Eine Reservierung ist leider nicht bindend. Aber wenn die Gäste zu spät kommen oder gar nicht, schicken wir die Leute, die reinkommen und einen Tisch haben wollen immer weg, obwohl gerade ein Tisch frei ist. Das können die Gäste in dem Moment oft nicht verstehen.“ Das schmerzt, auch wegen der entgangenen Kosten. Volker Gierse nickt. „Die Menschen können uns doch die Chance geben, den Tisch neu zu vergeben, indem sie absagen.“
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Frühzeitige Absagen können den Schaden für Gastronomen senken
Thomas Hillebrand von „Tommy‘s“ ärgert sich am meisten darüber, dass das Personal umsonst geholt wird. „Wir öffnen den Saal, stellen Tische zusammen, heizen den Saal ein und holen eine Aushilfe. Und die steht am Ende den ganzen Abend herum, wenn die Menschen einfach nicht kommen. Das ist nicht schön.“ Volker Gierse bestätigt das. „An Weihnachten hatten wir so viele Reservierungen, dass ich eine Aushilfe gebeten habe, zu kommen. Eigentlich wollte sie mit ihrer Familie wegfahren, ist aber dennoch extra zu uns gekommen, weil sie uns nicht hängen lassen wollte. Wir haben sie nicht gebraucht, weil so viele Gäste nicht kamen.“ Das passiere oft, das Aushilfen umsonst gerufen würden. Gierse: „Aber man lässt sie dennoch zwei Stunden da stehen, damit es sich finanziell für sie lohnt und man sie nicht verliert.“

Dringlicher Appell der Wirte aus Brilon
Thomas Hillebrand hofft, dass er keine Konsequenzen ziehen muss. Das hoffen sie alle. „Aber wenn sich das nicht einspielt, dann müssen die Gäste demnächst in Vorkasse gehen und 25 Euro bezahlen“, so Hillebrand Bevor sie diese Maßnahmen ergreifen, wollen sie sich abstimmen. Keiner soll außen vor bleiben, aber man müsse handeln, wenn es nicht besser werde. Daher richten sie alle einen Appell an ihre Gäste: Absagen und Änderungen „so früh wie möglich“ durchgeben. Burkhard Wiegelmann von Restaurant Deele sagt: „Ich frage mittlerweile auch stets ab, ob gegessen wird oder nur getrunken. Auch das ist wichtig zu wissen für die Platzwahl.“ Am besten sei es, anzurufen, genaue Angaben zu machen und im besten Fall einen Tag vorher absagen oder Änderungen durchgeben. Sonst könnte es bald teuer werden.
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