Brilon/Hochsauerlandkreis. Das Gastgewerbe im HSK steckt in der Krise. Drei Briloner Wirte berichten von der schwierigen Lage und erklären: „Wir sind an der Grenze.“

Keine Branche im HSK leidet so sehr unter der angespannten Wirtschaftslage wie das Gastgewerbe - das hat eine Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Arnsberg gezeigt. Nicht nur die hohen Betriebs- und Energiekosten bringen viele Gastronomen an ihre Grenzen und sorgen für immer mehr Betriebsaufgaben, auch der Personalmangel und der Wegfall staatlicher Subventionen aus der Pandemiezeit fordern ihren Tribut von den leidgeprüften Betrieben. Zwei Briloner Hotelbetriebe gewähren einen Einblick:

Preisanstiege über 100 Prozent

Zu denen, die sich bis jetzt noch über Wasser halten können, gehört das Briloner „Hotel am Wallgraben“ mit dem angeschlossenen Restaurantbetrieb „Deele“. Burkhard Wiegelmann führt den Betrieb gemeinsam mit seiner Ehefrau Ruth Wiegelmann und seiner Schwester Marietheres Wiegelmann - alle drei sind seit über 30 Jahren in der Hotelbranche tätig. Und sie könnten sich nicht beschweren, erklärt Ruth Wiegelmann: „Wir sind gut ausgelastet, bisher gibt es keinen Einbruch in der Nachfrage.“ Trotzdem bekommen auch sie die Probleme deutlich zu spüren, die viele andere Gastronomiebetriebe schon an den Rand der Insolvenz und darüber hinaus gebracht haben. „Eins der größten Probleme für uns sind die Preissteigerungen“, erzählt Ruth Wiegelmann. „Eine Inflationsrate von 2,3 Prozent sagt da wenig aus. Für uns Wirte ist das viel, viel mehr.“ Seit 2021 seien zum Beispiel die Preise für Strom und Gas um rund 62 Prozent in die Höhe geschossen. Das schlage sich in der Hotelbranche u.a. beim Heizen und im Küchen- und Restaurantbetrieb, aber auch bei Aspekten wie Reinigungs- und Wäschekosten nieder. Hinzu kämen steigende Personalkosten und hohe bürokratische Auflagen, die den Betriebsablauf zeit- und ressourcenintensiver machten und die Gastronomie zusätzlich belasteten.

„Das muss der Kunde ja auch noch bezahlen können.“

Burkhard Wiegelmann
Gastronom
Die Gastronomiebranche ist am Limit: Burkard, Ruth und Marietheres Wiegelmann vom Hotel am Wallgraben und dem Restaurant Deele in Brilon erklären, wo die größten Probleme für die Branche liegen.
Die Gastronomiebranche ist am Limit: Burkhard, Ruth und Marietheres Wiegelmann (v.l.) vom Hotel am Wallgraben und dem Restaurant Deele in Brilon erklären, wo die größten Probleme für die Branche liegen. © WP | Rebekka Siebers

Auch Lebensmittel wie Brot und Butter seien viel teurer geworden, allein für Letztere liege der Preisaufschlag bei 40 Prozent. Und dann ist da noch das Olivenöl: „Da ist der Preis über 100 Prozent gestiegen.“ Das sind nur einige der kostspieligen Dinge, auf die in einer Hotelküche nicht verzichtet werden kann. Selbst bei einem überschaubaren Frühstücksbuffet müssten zum Beispiel Butter, Aufschnitt, Käse und frische Brötchen auf den Tisch kommen, erklärt Burkhard Wiegelmann. Und das führt direkt zum Hauptproblem: Die steigenden Kosten können nicht voll auf die zahlende Kundschaft umgelegt werden. Obwohl also die Herstellungskosten immer weiter steigen, könne der Preis für die angebotenen Speisen nur bis zu einem gewissen Punkt angehoben werden. „Das muss der Kunde ja auch noch bezahlen können“, erläutert Burkhard Wiegelmann.

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Bisher sei es den Hoteliers am Wallgraben gelungen, eine gute Balance zwischen steigenden Betriebskosten und der moderaten Anpassung von Hotel- und Restaurantpreisen zu wahren. Doch das sei ein Balanceakt am Limit: „Die Grenze dessen, was wir stemmen können, ist jetzt erreicht“, sagt Ruth Wiegelmann. Es gebe keine Reserven mehr, keine Mittel blieben übrig. Nichts, das die Gastronomen investieren könnten, in die Renovierung von Zimmern oder in das Restaurant: „Dafür ist kein Geld mehr da.“ Und es ist kein Ende in Sicht - stetig emporkletternde Kosten und wirtschaftliche Unsicherheit hängen über den laufenden Gastronomiebetrieben im HSK wie ein Damoklesschwert. Und es bleibt die bange Frage, die auch die Wiegelmanns umtreibt: „Wann ist der Punkt erreicht, ab dem wir so viel erhöhen mussten, dass niemand mehr kommt?“

Briloner Wirt bewahrt sich den Humor auch in Krisenzeiten

Es sind diese Sorgen, die viele Gastwirte zurzeit umtreiben. Auch Volker Gierse, Betreiber des Briloner „Hotel zur Post“, bildet da keine Ausnahme: „Auch uns machen die Kostenexplosionen zu schaffen. Viele Kosten sind innerhalb weniger Jahre um mehr als das Doppelte angestiegen.“ Der Wirt stehe in engem Austausch mit anderen Briloner Gastronomen und wisse: Überall gibt es Probleme. Ein besonders wunder Punkt ist die hohe Mehrwertsteuer, die während der Pandemiejahre auf 7 Prozent gesenkt worden war und im vergangenen Jahr wieder 19 Prozent angehoben wurde. „Das hat der Gastronomie sehr zu schaffen gemacht“, erklärt Volker Gierse. Zusätzlich sei der Fachkräftemangel eine große Belastung, auch ganz speziell in Brilon: „Wir kriegen einfach kein Personal.“ Die Folge sei, dass die wenigen Mitarbeiter noch stärker gefordert und ständig auf den Beinen seien. Auch er selbst sei den ganzen Tag über im Betrieb unterwegs oder stehe in der Restaurantküche, von morgens bis abends. Eine Belastung, die an den Kräften zehrt, zusätzlich zu dem andauernden Spagat zwischen Betriebskosten und zumutbaren Preisen für die Kunden: „Wir kämpfen uns durch. Aber man fragt sich schon manchmal, wie lange man das noch durchhält.“

Volker Gierse, Inhaber vom Hotel zur Post, will den Optimismus trotz der schwierigen Lage des Gastgewerbes im Sauerland nicht verlieren.
Volker Gierse, Inhaber vom Hotel zur Post, will den Optimismus trotz der schwierigen Lage des Gastgewerbes im Sauerland nicht verlieren. © WP | Rebekka Siebers

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Manchmal gebe es Momente, an denen Volker Gierse Zweifel kommen: „An dunkeln Tagen fragt man sich schon, ob der Restaurantbetrieb noch Sinn ergibt.“ Immer schwieriger werde es, das Hotel so zu führen, dass es noch ein winziges bisschen Gewinn abwirft und Spielraum für Investitionen lässt. Und auch von Seiten der Politik werde keine Unterstützung für die Branche signalisiert. „Es ist schwierig, da nicht die Lust zu verlieren und aufzugeben.“ Doch Volker Gierse bewahre sich den unverwüstlichen Optimismus. Mit Beständigkeit und viel Humor hätten sie es bisher durch den Sturm geschafft: „Wir sind eine positive Truppe und halten den Kopf hoch.“

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Trotzdem ist die Politik gefordert: Die Gastronomie müsse wieder überlebensfähig gemacht werden durch eine Senkung der Energiekosten und Anreize, die das Arbeiten für Gastronomieangestellte attraktiver machen. Da sind sich Volker Gierse, Burkhard Wiegelmann und Ruth Wiegelmann einig. Am dringlichsten sei jedoch das Thema Mehrwertsteuer, welche wieder abgesenkt werden müsse, erklärt Burkhard Wiegelman: „Unserer Branche hätte es geholfen, die Mehrwertsteuer auf 7 Prozent zu lassen oder sie nur moderat anzuheben. Auch 10 Prozent wären okay gewesen.“ Der Appell, dass die Hoteliers an die neue Bundesregierung richten, ist eindringlich: Es muss sich etwas ändern, und das schnell - Viele Existenzen stehen auf dem Spiel.