Hochsauerlandkreis. Messstationen zeigen derzeit überall schlechte Luftwerte. Vom Sport draußen wird abgeraten. Warum die Werte schlecht sind und wann es besser wird
Momentan herrscht dicke Luft: Wer seine Smartphone-App öffnet und dort auf die Rubrik „Luftqualität“ schaut, der sieht: Nahezu ganz Deutschland war am Dienstag (12. Februar) und am Mittwoch (13. Februar) rot – auch das Hochsauerland! Als nächste Stufe kommt nur noch schwarz. Und bei der Farbgebung könnte man fast meinen, wir stünden kurz vor einer Maskenpflicht. Aber so schlimm ist es nicht. Grenzwerte wurden noch nicht überschritten. Aber die Daten von Bundesumweltamt und Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) zeigen auffällig hohe Feinstaubwerte.
„Luftqualität rot“ im Sauerland: Umweltbundesamt gibt Ratschläge:
Auch das Umweltbundesamt registriert aktuell (Stand 12. Februar) sehr schlechte Werte bei der Luftqualität und rät auf seiner Webseite: „Für Menschen mit Vorerkrankungen können sich schon ab der gelben Stufe „moderat“ gesundheitliche Probleme ergeben. Daher empfehlen wir dieser Gruppe in der aktuellen Situation auf anstrengende Aktivitäten im Freien, wie z.B. den Jogginglauf, zu verzichten. Ist der Indexwert „sehr schlecht“, empfehlen wir dies allen. Besser ist ein gemütlicher Spaziergang, anstatt zu joggen.“
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Umwelt-Experte gibt Erklärung
Ein Blick auf die Zahlen: Beim Feinstaub der Sorte PM₁₀ wurde am Montag in Soest ein Tagesmittelwert von 47 µg/m³ ermittelt (Note: Mäßige Qualität), bei der Kategorie PM₂,₅ wird ein Wert von 44 angegeben (Rot = schlecht). Der Grenzwert für Feinstaub liegt bei 50 und darf laut EU-Vorgaben maximal an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Die Feinstaubwerte werden unterteilt nach PM₁₀, was bedeutet, dass die Partikel kleiner als 10 Mikrometer sind und oder nach PM₂,₅. Die Werte für Stickstoffdioxid und Ozon lagen mit Werten von 8 bzw. 31 im grünen und damit guten Bereich.
„Luftqualität rot“ im Sauerland: Woher die schlechten Werte kommen
Aber woher kommen die schlechten Werte? Zunächst muss man wissen: Insgesamt gibt es lediglich 150 Mess-Stationen für das große Bundesland NRW. Von Brilon aus betrachtet, befindet sich die nächstgelegene Apparatur in Warstein. Und wegen der räumlichen Nähe übernehmen die Smartphone-Wetter-Apps offenbar ganz einfach die Werte der jeweils nächsten Station. Würde auch unmittelbar in Brilon oder in Winterberg gemessen, kämen völlig andere Werte als in Warstein zutage. Denn dort steht eine sogenannte Industrie-Messstation. Das heißt, sie wurde dort aufgestellt, wo die Belastung am höchsten ist (Stichwort: Kalksteinwerke). Und dann gibt es noch die Hintergrund-Stationen, von denen sich schon eher verlässliche Rückschlüsse auf die Luftqualität ziehen lassen. Eine davon, die daher für die Briloner Luft in Frage kommt, steht in Soest mitten auf einem Acker. Aber auch die hat momentan keine optimalen Werte in Sachen Feinstaub zu bieten. Dass die Messungen im Hochsommer, bei lang anhaltender Trockenheit, Hitze und viel Lkw-Bewegungen hoch sind, ist nachvollziehbar. Aber jetzt im Winter?
„Klar gibt es diese Smog-Wetterlagen. Das ist ein Kunstwort aus den Begriffen Smoke (Rauch) und Fog (Nebel). Alles, was an Luftmassen feucht und neblig ist, wird in die Tallagen gedrückt und nur oben herrscht reger Luftaustausch.“
„Solche Messergebnisse sind immer sehr witterungsabhängig. Wir gehen davon aus, dass momentan an vielen Orten sogenannte Inversionswetterlagen herrschen. In der Atmosphäre ist wenig Bewegung und vor allem in den Tallagen findet kein Luftaustausch statt“, erklärt Wilhelm Deitermann, Pressesprecher beim LANUV. Kurzfristige Sprengungen in der Kalksteinindustrie, aber auch vermehrtes Heizen mit Kaminöfen könnten seiner Meinung nach theoretisch dafür gesorgt haben, dass es so ungewöhnliche Spitzen beim Feinstaub gibt. Ein einzelnes Ereignis, das diese Werte erklären könnte, gibt es nicht. In dem Zusammenhang verweist er auf eine Broschüre des LANUV, in der es ums richtige Heizen geht.
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Wichtig sei aber die Betrachtung der Luftqualität aufs ganze Jahr. Seit 2014 wurden an allen Mess-Stellen des Landes die Grenzwerte eingehalten – wenn auch nicht an allen Tagen; das Limit der erlaubten 35 Mal sei jedoch nicht mehr überschritten worden.
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Das Wetterportal Sauerland von Julian Pape ermittelt keine eigenen Messwerte zur Luftqualität. Pape glaubt auch nicht, dass die tatsächlichen Werte im Sauerland so schlecht sind, wie rechnerisch dargestellt. „Klar gibt es diese Smog-Wetterlagen. Das ist ein Kunstwort aus den Begriffen Smoke (Rauch) und Fog (Nebel). Alles, was an Luftmassen feucht und neblig ist, wird in die Tallagen gedrückt und nur oben herrscht reger Luftaustausch. Ja, am Wochenende hatten wir mal so eine Phase, aber im Großen und Ganzen war es im Sauerland klar. Ich bin mir sicher, dass wir hier bei uns auf die Fläche betrachtet eine gute Luftqualität haben.“ Also ganz anders, als es die Wetter-Apps anzeigen.
Das Umweltbundesamt stellt aktuell über Deutschland eine schlechte Luftqualität fest. „Ursache ist grundsätzlich der Ausstoß (Emission) von Feinstaub“, heißt es. Im Winter sei dieser größer, weil mehr Energie benötigt werde, Kamine mit Holz geheizt würden, aber auch die Emissionen aus dem Straßenverkehr (aus dem Auspuff und vom Straßenabrieb) erhöht seien. „Die jeweils vorherrschenden Wetterbedingungen entscheiden jedoch darüber, ob die Schadstoffe schnell in der Luft verteilt werden oder sich über Tage anreichern können und dann zu solchen Situationen führen. In der aktuellen winterlichen Hochdruckwetterlage ist der Luftaustausch auf wenige hundert Meter eingeschränkt, es ist nahezu windstill und trocken. Die Schadstoffe sind in solchen Situationen quasi in den unteren Luftschichten „gefangen““, schreibt das Umweltbundesamt. Der Wechsel zu einer Tiefdruckwetterlage mit Wind und Regen/Schnee werde zu einer raschen Entspannung der Situation führen. Allerdings sei dieser grundlegende Wetterwechsel noch nicht in Sicht.
„Luftqualität rot“ im Sauerland: Phänomen der hohen Feinstaubwerte bundesweit
Das Phänomen der hohen Feinstaubwerte scheint ein bundesweites zu sein. In diversen Foren kommen Fachleute zu der Überzeugung, dass die derzeit schlechte Luftqualität mit der austauscharmen Wetterlage zusammenhängt. Weder Wind noch Regen sorgen aktuell für eine Durchmischung der Luftschichten, wodurch sich der Feinstaub nicht verteilen oder abziehen kann, heißt es da. In klaren Nächten kühlt die Luftschicht am Boden durch die fehlende Wolkendecke stark ab, während die höheren Luftschichten relativ warm bleiben. Dieser Temperaturunterschied verhindert den vertikalen Luftaustausch, sodass Schadstoffe am Boden stagnieren und nicht abtransportiert werden.
Die genauen Mess-Werte aus der gesamten Republik findet man übrigens hier auf der Seite des Bundesumweltamtes: www.umweltbundesamt.de/daten/luft/luftdaten