Hochsauerland. Der Staatsschutz über antisemitische Fälle im Hochsauerlandkreis. An einer Schule rastete ein Schüler aus. Ein Überblick über die Straftaten.
„Nordrhein-Westfalen verzeichnet einen deutlichen Anstieg antisemitischer Straftaten“. Diese beunruhigende Nachricht verbreitete die Deutsche Presseagentur Anfang Oktober. Im ersten Halbjahr 2024 gab es demnach laut NRW-Innenministerium 245 solcher Fälle im bevölkerungsreichsten Bundesland. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei das ein Anstieg um mehr als 85 Prozent. Im ersten Halbjahr 2023 waren laut Innenministerium 132 antisemitische Straftaten gemeldet worden; im Verlauf des gesamten Jahres wurden es dann 547. Im HSK hält dieser Trend zum Glück nicht vor.
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Offenbar gibt es eine Unterscheidung zwischen „Straftaten“ und „Vorfällen“, denn die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Nordrhein-Westfalen spricht für 2023 sogar von 664 antisemitischen Vorfällen, was bei ihrer Statistik einer Steigerung von 152 (!) Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. 119 Fälle werden dem Regierungsbezirk Arnsberg zugesprochen. Damit wurden landesweit durchschnittlich 13 Vorfälle pro Woche registriert. Offenbar wurden aber auch nicht in allen von RIAS dokumentierten Fällen Anzeige erstattet. Insgesamt wurden zwei Fälle von extremer Gewalt, 16 Angriffe, 16 Bedrohungen, 59 gezielte Sachbeschädigungen, zehn Massenzuschriften, 117 Versammlungen, fünf Diskriminierungen sowie 439 Fälle von verletzendem Verhalten aktenkundig.
Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung
Einer der im RIAS-Jahresbericht von 2023 aufgelisteten Fälle stammt aus Meschede: Demnach soll ein Schüler nach dem Terrorangriff der Hamas ohne Bezug zum Unterricht Jüdinnen und Juden als „Lügner und Verbrecher“ bezeichnet haben, die man „vernichten müsse“. Von einer Lehrkraft zur Rechenschaft gezogen und in einem Gespräch mit der Schulleitung soll der Schüler dementiert haben, eine solche Aussage gemacht zu haben. Andere Schüler/innen unterstützten ihn und behaupteten, die Lehrkräfte hätten sich dies nur ausgedacht. Die Polizei leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung ein. Als Reaktion auf solche und ähnliche Vorfälle an Schulen richtete die Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit sogar eine wöchentliche digitale Sprechstunde für Lehrkräfte in NRW ein, die regen Zulauf erfahren hat.
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Wie sieht die Situation im Hochsauerland aus? Zahlenmaterial zu bekommen, ist gar nicht so einfach. Das Ministerium in Düsseldorf verweist zunächst an den Staatsschutz in Dortmund, der an das Landeskriminalamt und das wieder zurück nach Dortmund. Zum Glück ist die Datenlage dort aber auch wenig spektakulär: „Für das erste Halbjahr 2024 ergeben sich anhand der hier vorliegenden Daten keine antisemitischen Straftaten im Bereich des Hochsauerlandkreises“, heißt es von dort. Auf den ersten Blick scheint die Bilanz allerdings nicht ganz korrekt, denn im April 2024 berichtete die WP über ein großes Hakenkreuz an der Kirchentür in Hesborn. In dem Fall sei auch polizeilich ermittelt worden, so die Pressestelle der Polizei Dortmund. Da das Nazi-Symbol aber auf eine christliche Kirche und zum Beispiel nicht auf eine Synagoge geschmiert worden sei, werde der Fall nicht als antisemitische Straftat geführt. Ermittelt werde aber dennoch.
Für das Gesamtjahr 2023 sehen die Zahlen anders aus. Fünf Vorfälle waren es: In Medebach wurde eine jüdische Gedenktafel mit einem Hakenkreuz beschmiert. In Arnsberg wurden Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet und es gab antisemitische Beiträge in einem Online-Messanger-Dienst. In Brilon wurde das Mahnmal, das an die jüdische Synagoge erinnert, mit Graffiti verunstaltet. Den Straftatbestand der Volksverhetzung dürfte ein antisemitischer Schriftzug auf dem Treppengeländer eines Schulhofes in Meschede erfüllen. Gleiches gilt für einen Davidstern mit dem Schriftzug „Wir finden Euch!“ auf einer Felswand bei Marsberg-Helminghausen.