Brilon. Schimmel, Feuchtigkeit und Einsturzgefahr: Für viel Geld wurde die evangelische Kirche in Brilon saniert. Jetzt kommt es dennoch zum Super GAU.
„Wir bauen eine neue Kirche“. Der Schriftzug steht auf einer Art mobilem Wohnwagen-Anhänger, der direkt neben dem Gotteshaus parkt. Eine schöne Aktion, mit der die Evangelische Kirchengemeinde aktiv auf Menschen zugehen will. In unmittelbarer Nähe zum Bauwerk evangelische Stadtkirche klingt der Satz aber schon nahezu zynisch. Die Gemeinde hofft, dass sie keine ganz neue Kirche bauen muss. Denn die alte wurde ja erst für über eine Million Euro saniert und musste nach nur fünf Monaten wieder geschlossen werden: Schimmelbildung. Das war im April dieses Jahres. Und Benedikt Meckel, Vorsitzender des Presbyteriums, hält es „für sehr wahrscheinlich, dass wir weder 2024 noch 2025 in unserer Kirche Weihnachten feiern werden“.
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Feuchtigkeit scheint durch das Mauerwerk zu sickern
Das Sorgenkind der Gemeinde ist die Westseite des Bauwerks. Dort ist die Außenwand besonders der Witterung ausgesetzt. „Man kann das gut beobachten. Bei trockenem Wetter hat die Fassade eine durchgehend einheitliche Färbung. Bei Regen sieht man hingegen dunkle Streifen - vor allem links und rechts.“ Diese Feuchtigkeit scheint durch das Mauerwerk zu sickern und für die Schimmelbildung im Inneren des Eingangsbereichs verantwortlich zu sein. Meckel: „Ein Fachmann hat das mal gemessen. Ein Wert von 200 steht für klitschnass; hier wurde eine 198 gemessen.“
Die Schimmelbildung ist so massiv, dass ohne Mundschutz niemand mehr den für die Öffentlichkeit verschlossenen Kirchenraum betreten darf. Kirchenschiff und Orgel sind offenbar nicht betroffen. Die Gemeinde sorgt dafür, dass regelmäßig gelüftet wird; aber den Eingangsbereich hat es voll erwischt.
„Bei starker Vibration im Erdreich oder auch schon im Winter bei sich verlagernden Schneelasten auf dem Dach könnte sie einstürzen. Wir haben das dem Bauamt gemeldet und gehen davon aus, dass schon bald ein Absperrzaun errichtet wird. Selbst von außen ein Gerüst mit einer Plane anzubringen, um die Wand zu schützen, würde wegen der drohenden Einsturzgefahr nicht funktionieren.“
Die Außenmauer zur Westseite sei inzwischen so instabil geworden, dass Gutachter den Begriff „Einsturzgefahr“ in den Mund nehmen. „Bei starker Vibration im Erdreich oder auch schon im Winter bei sich verlagernden Schneelasten auf dem Dach könnte sie einstürzen. Wir haben das dem Bauamt gemeldet und gehen davon aus, dass schon bald ein Absperrzaun errichtet wird. Selbst von außen ein Gerüst mit einer Plane anzubringen, um die Wand zu schützen, würde wegen der drohenden Einsturzgefahr nicht funktionieren“, so Meckel.
Viel Geld investiert, aber die Sorgen bleiben
Die ganze Situation ist frustrierend: „Egal was kommt, aber auf die Gemeinde dürfen, sollen und werden keine weiteren Kosten zukommen“, sagt Pfarrerin Antje Jäkel, die in Brilon ihre erste Pfarrstelle angetreten hat. Der ganze Prozess der Renovierung lag vor ihrer Amtszeit. Trotzdem muss sie nun mit dem Presbyterium und der Gemeinde dieses große Problem lösen, das schon im Frühjahr 2018 seinen Lauf genommen hatte. Damals sollte die Kirche nur ein wenig renoviert werden. Von 180.000 Euro war die Rede. Dann fiel der Blick eines Fachmanns auf den Kirchturm. Und schnell war klar: Totalschaden. Der Turm ist weg, die Kirche hat keine Glocken mehr, viel Geld wurde investiert, die Sorgen bleiben.
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Kirche schaltet einen Anwalt ein
Für den baufachlichen Laien drängt sich die Frage auf: Warum hat niemand gemerkt, dass die Außenwand nass ist und warum wurde nicht entsprechend reagiert? Wer hat wo Fehler gemacht? Fragen, die auch Benedikt Meckel nur ansatzweise beantworten kann. „Es gibt in der Tat eine Art geschichtliche Aufarbeitung über unserer Kirche. Darin wird die Wasserproblematik schon in den Anfängen des Gebäudes offen angesprochen. Der Eingang wurde schon damals nach Süden verlegt. Warum zum Beispiel Architekt und dieses Gutachten nicht zueinander gefunden haben, ist ein Rätsel“, sagt Meckel. Auch innerhalb des Presbyteriums hadern viele mit der Thematik, einige haben das Gremium verlassen. „Wir haben nun einen Anwalt eingeschaltet, denn schließlich muss die Frage der Verantwortlichkeit geklärt werden. Wir als Laien können das nicht beurteilen. Und schließlich geht es ja auch um Schadenersatz und vielleicht endet das Ganze vor Gericht. All das ist derzeit noch gar nicht absehbar. Es ist unserer Kirche und wir wollen sie irgendwie halten.“
Für die Gemeinde heißt das, dass die Gottesdienste weiterhin im Gemeindezentrum stattfinden, dass das als eine Art „Kulturkirche“ geplante Gebäude nicht genutzt werden kann und viele Ideen auf Eis liegen. Trotzdem gebe es ein lebendiges Gemeindeleben mit vielen Aktionen und Veranstaltungen. Antje Jäkel: „Zu Weihnachten wird es möglicherweise ganz schön voll hier. Dann kommen vor allem im Kindergottesdienst bis zu 300 Menschen. Auch bei Hochzeiten sind wir froh und dankbar, dass wir in die katholische Kirche ausweichen dürfen. Ein Gemeindezentrum, wo viele weltliche Dinge herein und herausgetragen werden, ersetzt aber nun mal kein Gotteshaus. Auch die Atmosphäre einer Osternacht zum Beispiel gehört in eine Kirche. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine Gemeinde einen solchen Ort braucht, der offen und einladend ist, den man einfach betreten und wo man zur Ruhe kommen kann.“
Menschliches Versagen
Hadert man eigentlich mit dem lieben Gott, dass er mit einem Bauwerk aus Stein einer Gemeinde so viele Steine in den Weg legt? Antje Jäkel: „Der liebe Gott hat damit nichts zu tun; das ist menschliches Versagen.“ Einige würden allerdings die Gelegenheit nutzen, um den Stab über Kirche im Allgemeinen zu brechen. Dabei habe das eine mit dem anderen nichts zu tun. „Wenn jemand Veränderungen innerhalb der Gemeindearbeit wünscht, bin ich für jedes Gespräch und jede Anregung offen. Mit dem Gebäude und seinen Problemen hat das aber nichts zu tun.“