Olsberg/Arnsberg. Ein junger Mann soll im Raum Olsberg vergewaltigt worden sein. Ein Zeuge rennt geschockt davon. Hat er etwas gesehen? Der Richter redet Klartext.
Im Prozess vor einer Jugendstrafkammer des Landgerichtes Arnsberg vom September 2022 wurde der damals 22-jährige Angeklagte aus Olsberg, dem die Staatsanwaltschaft Vergewaltigung vorgeworfen hatte, freigesprochen. Mit diesem Freispruch war die Staatsanwaltschaft nicht einverstanden und legte Revision ein. Die Generalbundesanwaltschaft schloss sich diesem Rechtsmittel an. Nun gab es erneut ein Verfahren und erneut einen Freispruch.
Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, er habe im Dezember 2020 seinen stark angetrunkenen und schlafenden Freund, der zu einer Gegenwehr nicht fähig gewesen sei, in dessen Wohnung vergewaltigt. Das Landgericht hatte den Angeklagten, der den Vorwurf bestritt, freigesprochen, weil es sich nicht davon überzeugen konnte, dass sich das Geschehen des vermeintlichen Opfers bzw. Nebenklägers, so wie angeklagt, abgespielt haben konnte. Der Bundesgerichtshof entschied, die Sache zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichtes zurückzuverweisen. Bei dem jetzigen Verfahren ließ sich der Olsberger von einer Anwältin und zwei Anwälten – u. a. von Prof. Dr. Klaus Bernsmann aus Düsseldorf – vertreten.
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Der Anklageschrift der Staatsanwältin zufolge hatten sich der heute 24-Jährige und sein Freund von einer Geburtstagsparty kurz nach Mitternacht in die Wohnung des Freundes begeben. Ein Freund der beiden, der auf dem Weg von der Party in die Wohnung des vermeintlich Geschädigten den Anschluss verloren hatte, schellte, um Einlass zu bekommen. Denn er wollte, wie abgesprochen, ebenfalls dort übernachten. Weil ihm nicht geöffnet wurde, leuchtete er mit der Handylampe durch ein Fenster in das Schlafzimmer des Hauses. Dort, so der Zeuge, habe er gesehen, wie der Angeklagte auf dem bäuchlings auf dem Bett liegenden Freund gelegen habe. Beide hätten die Hosen heruntergezogen gehabt. Er nahm an, Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger gesehen zu haben, obwohl er weder den Penis des Angeklagten noch entsprechende Kopulationsbewegungen gesehen hatte. Er hielt es für naheliegend, dass dieses Geschehen gegen den Willen seines Freundes, der stark alkoholisiert gewesen sei, stattgefunden habe.
Nebenkläger hatte nach dem Aufwachen Beschwerden
Der Nebenkläger hatte nach dem Aufwachen Beschwerden. Diese Aussage und der Umstand, dass das Gericht in erster Instanz einen Beweisantrag, der in einem Sachverständigengutachten Aufklärung darüber geben sollte, ob sich Spermaspuren auf den sichergestellten Kleidungsstücken und der Bettwäsche befanden hätten, abgelehnt hatte, stützte sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Die damalige Kammer hatte den Beweisantrag deshalb abgelehnt, weil dieser wegen Bedeutungslosigkeit keine tatsächlichen Erkenntnisse über die Tat ergeben hätte.
„Die Angaben des Zeugen schon bei der Polizei waren mit Unsicherheiten belastet. Es haben sich Widersprüche aufgetan. “
Bei der jetzigen Verhandlung sagten der vermeintlich Geschädigte als Nebenkläger und sein Freund, der die angebliche Straftat durch das Fenster beobachtet haben wollte, als Zeugen aus. Letzterer verstrickte sich in Widersprüche. So konnte er nicht mit Gewissheit sagen, ob beide die Hosen heruntergezogen hatten. Er habe lediglich eine bis zwei Sekunden in das Schlafzimmer geleuchtet und sei geschockt davongelaufen.
Einigkeit bei Staatsanwalt, Verteidigung und Richter
Nach dieser Beweisaufnahme waren sich die Parteien einig: Schlauer als wir jetzt sind, werden wir nicht werden. Die Aussagen hätten keinen neuen Erkenntnisgewinn gebracht. In ihrem Plädoyer stellte die Staatsanwältin fest: „Die Aussagen des Zeugen sind für eine Verurteilung nicht konkret genug. Zweifel sind angebracht. Ich beantrage Freispruch.“ Die Verteidigung schloss sich diesem Antrag an.
„Objektive Beweise für eine Straftat liegen nicht vor. Die Angaben des Zeugen schon bei der Polizei waren mit Unsicherheiten belastet. Es haben sich Widersprüche aufgetan. Zudem lässt dieser sehr kurze Blick, dazu noch im alkoholisierten Zustand, eine Verurteilung nicht zu. Der Angeklagte wird vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen“, so der Vorsitzende Richter.