Winterberg/Bochum. Ein Gericht verurteilt zwei Männer aus Winterberg wegen Steuerhinterziehung. Mit scharfen Worten wendet sich der Richter an einen der Sauerländer
Eine Gefängnisstrafe bleibt zwei Männern aus dem Sauerland wohl erspart, die sich wegen Steuerhinterziehung verantworten mussten: Am vergangenen Freitag (25. Oktober) fällte das Landgericht Bochum unter Vorsitz von Richter Carsten Schwadrat das Urteil in dem komplexen Fall von Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Verkauf von Konzert- und Bundesligatickets. Im Zentrum des Verfahrens standen zwei Männer aus Winterberg, ein 29-Jähriger und ein 68-Jähriger, die zu jeweils zwei Jahren Haft auf Bewährung und 250 Sozialstunden verurteilt wurden.
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Die Verurteilten betrieben ein System, bei dem sie Tickets für hochkarätige Konzerte und Bundesligaspiele über die Online-Plattform Viagogo zu deutlich erhöhten Preisen verkauften. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden Winterberger zwischen 2017 und 2020 insgesamt 350.000 Euro an Steuern hinterzogen hatten, die sie nun zurückzahlen sollen. In der Arbeitsteilung war der 29-Jährige für das operative Tagesgeschäft verantwortlich, während der 68-Jährige die komplexen Geldflüsse steuerte.
Streitpunkt: Umsatzsteuerpflicht und Rolle von Viagogo
Ein zentraler Punkt des Verfahrens war die Frage der Umsatzsteuerpflicht. Die Verteidigung, unter anderem vertreten durch den Herforder Rechtsanwalt Stephan Röding, argumentierte vehement, dass es sich um ein Geschäft zwischen Viagogo und dem Unternehmen der Verurteilten gehandelt habe und somit umsatzsteuerfrei gewesen sei. Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht und wertete Viagogo, dessen Sitz in der Schweiz ist, lediglich als Vermittler. Diese Einschätzung führte zu dem Schluss, dass die Angeklagten direkt mit den Ticketkäufern gehandelt hätten und somit zur Abführung von Steuern verpflichtet gewesen wären.
„Sie erkennen also eine Plattform als unseriös, lassen aber nicht die Finger davon, sondern nutzen die undurchsichtigen Strukturen und machen ihre Geschäfte mit denen.“
Dass der ältere Winterberger sich im Prozess auf eigene kritische, rechtliche Überprüfungen der Viagogo-AGB berufen, sich unterm Strich aber mehr oder weniger als Unschuldslamm hingestellt habe, kritisierte die 13. Strafkammer, laut einem Reporter der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), als eine „völlig missglückte Ouvertüre“. Richter Carsten Schwadrat wendetet sich dabei sogar mit harschen Worten an den Angeklagten: „Sie erkennen also eine Plattform als unseriös, lassen aber nicht die Finger davon, sondern nutzen die undurchsichtigen Strukturen und machen ihre Geschäfte mit denen.“ Selbst seinen jüngeren Kompagnon aus Winterberg habe der Jurist anfangs nicht zurückgepfiffen, als er erfahren habe, dass dieser an Schwarzmarktgeschäften beteiligt gewesen sei. Ganz im Gegenteil: Der 68-Jährige habe sich selbst beteiligt. Schwadrat: „Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.“
Urteilsverkündung und Reaktionen
„Ich habe bereits Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Das Urteil hat meinen Mandanten hart getroffen.“
Neben den beiden Winterbergern wurde der 44-jährige Hauptangeklagte aus Warburg zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Er hatte im Rahmen eines Deals, einer sogenannten Verfahrensabsprache, die beiden Winterberger belastet. Diese Aussage spielte eine wichtige Rolle bei der Urteilsfindung, erklärte die Pressesprecherin des Landgerichts Bochum, Katja Nagel, gegenüber der WP. Ein weiterer Mitangeklagter wurde wegen Beihilfe zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Prozess erstreckte sich über insgesamt 19 Verhandlungstage, in denen mehrere Zeugen gehört wurden, um ein umfassendes Bild des komplexen Geschäftsmodells zu erhalten. Rechtsanwalt Röding, der den 68-Jährigen vertrat, zeigte sich mit dem Urteil äußerst unzufrieden und kündigte umgehend rechtliche Schritte an: „Ich habe bereits Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Das Urteil hat meinen Mandanten hart getroffen.“ Man habe eine völlig andere Rechtsauffassung in dem Fall als die Bochumer Strafkammer. Zudem halte er die Strafe angesichts einer Summe von 350.000 Euro für unverhältnismäßig hoch und verweist auf deutlich mildere Urteile in vergleichbaren Fällen im Raum Bielefeld, wo er hauptsächlich praktiziert.
Das Geschäftsmodell von Viagogo
Viagogo hat sich als eine der weltweit führenden Online-Ticketbörsen etabliert, die in über 60 Ländern operiert. Das Kerngeschäft des Unternehmens besteht darin, als Vermittlungsplattform für den Zweitmarkt von Eintrittskarten zu fungieren. Hier können Verkäufer ihre Tickets für verschiedene Veranstaltungen wie Konzerte, Sportevents und Theateraufführungen zu selbst gewählten Preisen anbieten, während Käufer diese erwerben können. Viagogo wickelt dabei die gesamte Transaktion inklusive des Versands ab. Das Erlösmodell von Viagogo basiert auf Gebühren, die sowohl von Verkäufern als auch von Käufern erhoben werden. Verkäufer zahlen eine Provision, die in der Regel als Prozentsatz des Verkaufspreises berechnet wird, während Käufer zusätzliche Gebühren beim Checkout entrichten müssen. Diese Gebührenstruktur ist jedoch einer der Hauptkritikpunkte an Viagogos Geschäftsmodell. Verbraucherschützer und Kunden bemängeln die oft intransparente Preisgestaltung und die teils erheblichen Zusatzkosten, die den ursprünglichen Ticketpreis deutlich übersteigen können.