Hochsauerlandkreis/Brilon. In welchen Städten im HSK die meisten Treibhausgase ausgestoßen werden und wer dafür verantwortlich ist. Holzgigant Egger erklärt hohe Emissionen
Die Energiewende ist in vollem Schwung. Doch wie weit sind die einzelnen Kommunen? Ein Blick in das integrierte Klimaschutzkonzept des Hochsauerlandkreises aus dem Jahr 2023 liefert zahlreiche Informationen über Energiebedürfnisse und Emissionen der Gemeinden im HSK aus dem Jahr 2019. Das Konzept wurde vom Kreis selbst entwickelt und umfasst alle Gemeinden, mit der Ausnahme von Arnsberg, da es dort bereits ein Klimaschutzkonzept gab.
Die Zahlen im Klimaschutzkonzept des Hochsauerlandkreises wurden über die Bilanzierungs-Systematik für Kommunen (BISKO) errechnet - es handelt sich also nur um Hochrechnungen mit begrenzten Daten. Dadurch können sich diese Zahlen von reellen Werten unterscheiden. Beim Vergleich der BISKO-Emissionswerte der Gemeinde Brilon und den Selbstangaben der dort ansässigen Firma Egger ergibt sich eine Differenz von ganz erheblichem Ausmaß.
Energiewende im HSK: Die größten Klima-Sünder
Ausgehend von den bloßen Zahlen sind die Städte Brilon, Marsberg und Meschede die größten Energieschlucker im Hochsauerlandkreis. Alle drei Städte haben einen Endenergiebedarf von über einer Million MWh. Der Endenergiebedarf umfasst nicht nur den Strombedarf, sondern auch alle anderen Formen von Energieverbrauch, wie zum Beispiel Wärmebedarf.
Die Grenzen des Klimaberichts
Entsprechend des in den Gemeinden Brilon, Marsberg und Meschede besonders hohen Verbrauchs an Energie, sind auch die Emissionen dort am höchsten. Mit etwa 398.000 Tonnen Ausstoß an Treibhausgasen (THG) ist Brilon führend. Doch diese Zahlen bilden nicht die gesamte Realität ab, denn allein die Firma Egger verzeichnet einen Ausstoß von 499.000 Tonnen CO₂ (Jahr 2019). Grund dafür, dass der Ausstoß der Firma nicht im Klimabericht der HSK auftaucht ist, dass der Klimabericht des HSk nicht alle Daten erfasst. Es werden nur Daten aufgelistet, die über Versogungsleitungen an den Endverbraucher gehen.
Nach Brilon folgen Meschede mit etwa 374.000 Tonnen und Marsberg mit 369.000 Tonnen. Jedoch bilden diese absoluten Zahlen nicht das komplette Bild ab.
Dazu muss zuerst noch die Einwohnerzahl mit in Betracht gezogen werden. Für derartige Berechnungen gibt es verschiedene Methoden, wobei je nach Methode der bundesweite Durchschnitt an THG-Emissionen in Tonnen pro Kopf (t/a) bei 7,9 bis 11 liegt. In der Berechnung des HSK übernimmt Marsberg die Führung mit einem t/a-Wert von 18,9. Brilon belegt nur noch den zweiten Platz mit 15,67 und Meschede rutscht mit 12,59 auf Platz vier ab. Auf Platz drei landet nun die Gemeinde Hallenberg mit 14,54 Tonnen pro Kopf. Die drei neuen Spitzenreiter haben allesamt gemeinsam, dass über 60 Prozent ihrer THG-Emissionen auf Industrie zurückzuführen sind.
Energiewende im HSK: Die Rolle der Industrie
Die Spurensuche nach den größten THG-Emissionen führt auf das European Industrial Emissions Portal (EIEP). Dort werden die Emissionen von Industrie-Unternehmen aufgeführt. In den Gemeinden Brilon und Marsberg konnte nur für ein einziges Unternehmen eine Angabe gefunden werden. Antti Kaartinen, Pressesprecher der European Environmental Agency erklärte dazu, dass die Werte auf dem EIEP auf Selbstangaben der Unternehmen beruhen. Die fehlenden Werte für Firmen in Brilon und Marsberg seien daher wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Betriebe unter der Mindestgrenze von 100.000 Tonnen CO₂ pro Jahr liegen.
Die Firma Egger: Fast 500.000 Tonnen CO₂
Lediglich die Egger Holzstoffwerke GmbH in Brilon scheint daher über diesem Wert zu liegen. Hier wurde für das Jahr 2019 ein Ausstoß von 499.000 Tonnen CO₂ verzeichnet. 100.000 Tonnen mehr als für das gesamte Stadtgebiet Brilon laut dem Klimaschutzkonzept des HSK.
Marc Weßling, vom Beratungsbüro ‚Energielenker‘, verweist in diesem Fall auf Erhebungsschwierigkeiten. Die im Klimaschutzkonzept des HSK mittels BISKO erhobenen Daten können einige Faktoren nicht abbilden. „Eigene Prozesse der Firmen werden nicht betrachtet, nur leitungsgebundene Versorgungsketten können geprüft werden“, so Weßling. Wenn ein Unternehmen also zum Beispiel Erdgas innerbetrieblich beziehen würde, könne dies nicht erfasst werden.
„Bei der anstehenden Überarbeitung der THG-Bilanz werden wir eine gesonderte Erläuterung für die Industrie hinzufügen, um die Verständlichkeit und Transparenz zu erhöhen.“
Auf eine Anfrage bezüglich der Gründe für den hohen CO₂-Ausstoß antwortet Egger-Sprecherin Katharina Wieser. Sie bestätigt den hohen CO₂-Ausstoß, verweist allerdings darauf, dass 96 Prozent davon biogene Emissionen seien. Egger arbeite mit Holz und jenes Holz, das nicht mehr weiter verwertbar sei, werde in unternehmenseigenen Biomassekraftwerken zur erneuerbaren Energiegewinnung für eigene Prozesse genutzt.
Bei der Verbrennung von Holz werde nicht mehr CO₂ ausgestoßen als zuvor bereits darin gebunden wurde. Der Anteil fossiler Emissionen sei auf den Einsatz von Erdgas, Heizöl und Diesel zurückzuführen und betrage im Jahr 2019 gerade einmal 21.000 Tonnen CO₂. Dieser Wert entspricht etwa fünf Prozent der per BISKO berechneten Emissionen der Gemeinde Brilon. Bei Egger sei geplant diese Werte in Zukunft noch weiter zu senken.
Auch der HSK will Anpassungen vornehmen. „Bei der anstehenden Überarbeitung der THG-Bilanz werden wir eine gesonderte Erläuterung für die Industrie hinzufügen, um die Verständlichkeit und Transparenz zu erhöhen“, sagt Volker Nelle, der Klimaschutzmanager des Hochsauerlandkreises.
Energiewende im HSK: Die klimafreundlichsten Gemeinden
Am anderen Ende des Spektrums stehen die Gemeinden Schmallenberg und Winterberg. In Schmallenberg wurden pro Kopf 6,71 Tonnen THG ausgestoßen – dies liegt nach jeder Rechenart unter dem bundesweiten Durchschnitt. Im Jahr 2019 war Schmallenberg die einzige Gemeinde im HSK, die dies geschafft hat. Etwa zwei Tonnen darüber liegt die Gemeinde Winterberg mit 8,77.
Der Grund hierfür liegt wahrscheinlich darin, dass sowohl in Schmallenberg als auch in Winterberg die Industrie nur eine untergeordnete Rolle spielen. Bei beiden Gemeinden handelt es sich primär um Tourismus-Regionen.
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Energiewende im HSK: Erneuerbare Energien
„Die THG-Bilanz wird nach BISKO erstellt. Dabei werden Erneuerbare Energien (EE) nicht in die pro-Kopf-Berechnung einbezogen“, sagt Nelle. Daher kann der reelle t/a-Wert vielerorts sogar als noch niedriger angesehen werden.
In diesem Fall sind zwei Werte von besonderem Interesse. Der erste Wert ist die Abdeckung des Strombedarfs aus bilanzieller Sicht – bundesweit liegt der Durchschnitt hier bei 42 Prozent. Im HSK gibt es nur drei Gemeinden, die über diesem Wert liegen: Brilon mit 117 Prozent, Marsberg mit 94 Prozent und Bestwig mit 49 Prozent. Die beiden vermeintlich größten Umweltverschmutzer sind also führend bei EE-Abdeckung.
Auch bei dem zweiten Wert, dem EE-Anteil am Endenergiebedarf, sind Brilon mit 38 Prozent und Marsberg mit 25 Prozent führend. In Anbetracht dieser Umstände kann man von bedeutend niedrigeren Pro-Kopf-Ausstößen für die Gemeinden ausgehen.
Energiewende im HSK: Wärmeplanung ist wichtig
Um den Fortschritt bei Energiewende und Klimaschutz zu erfassen, gibt es noch weitere Faktoren, die betrachtet werden können. „Mögliche Indikatoren wären zum Beispiel die Anzahl installierter E-Ladestationen, Wärmepumpen oder eingesetzte Fördermittel“, so Nelle. Als wichtigstes Thema sieht er die kommunale Wärmeplanung. In diesem Bereich gebe oft noch Öl- und Gasheizungen.
Das Potenzial in der Wärmeversorgung zu verbessern und klimafreundlicher zu gestalten sei laut Nelle also eine der vielversprechendsten Klimaschutzmaßnahmen. So könne auch industrielle Abwärme wiederverwertet werden, wie es beispielsweise Borbet in Hallenberg mache. Borbet nutze laut Marcel Karpf, dem Energiemanager der Borbet Gruppe, die Restwärme der Schmelzöfen zum vorheizen der Brennerluft. Dadurch könnten sieben bis dreizehn Prozent des Erdgasverbrauchs eingespart werden.
Gerade in diesem Bereich sind die Gemeinden Schmallenberg und Winterberg ebenfalls wieder in Spitzenpositionen – zusammen mit Eslohe. Schmallenberg deckte 2019 bereits 20 Prozent des Wärmebedarfs mit Erneuerbaren ab, während Eslohe und Winterberg auf dreizehn Prozent kamen.
Energiewende im HSK: Fortschritte in allen Gemeinden
Abschließend lässt sich sagen, dass alle Gemeinden weiter sind als die mit BISKO ermittelten Pro-Kopf-Emissionen vermuten lassen. Am klimafreundlichsten sind die Gemeinden Schmallenberg und Winterberg aufgrund ihrer Fokussierung auf Tourismus und fortgeschrittenen Wärmeplanung. Die vermeintlich größten Klimasünder Brilon und Marsberg sind jedoch führend im Bereich EE und gleichen damit ihre vergleichsweise hohen Pro-Kopf-Ausstöße aus.