Winterberg. Die Anspannung in Winterberg ist greifbar: Windkraft gegen Tourismus: Der Rat kämpft um Landschaftsschutz und lokale Entscheidungsmacht.
Das Frustpotenzial ist groß. Man spürt am Donnerstagabend im Rat Winterberg quer durch alle Fraktionen eine Mischung aus Wut, Machtlosigkeit und Verzweiflung. Der Grund dafür: Das große Spannungsfeld zwischen Windkraft und Tourismus. Vor allem in Berlin dürften den Politikern nach der harschen Kritik aus der Stadtvertretung die Ohren geklingelt haben. Denn was dort auf Gesetzesebene geplant ist, so die Befürchtungen der Ratsmitglieder, könnte alle Bemühungen um eine geregelte Verteilung von Windkraftanlagen förmlich umpusten und einem Wildwuchs freien Lauf lassen.
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Brandbrief aus Winterberg an Robert Habeck
In einen Brandbrief hat sich die Stadt direkt an Bundesminister Robert Habeck gewandt: „Winterberg ist eine bedeutende Tourismusdestination in NRW, die jährlich 1,4 Millionen Übernachtungen und über zwei Millionen Tagesgäste verzeichnet. Besucher kommen vor allem wegen unberührter Natur, Ruhe und wegen Outdoor-Aktivitäten wie Wandern, Skifahren und Biken. Der massive Bau von Windenergieanlagen, besonders auf den höchsten Erhebungen des Hochsauerlands, könnte dieses Landschaftsbild stark beeinträchtigen und die touristische Attraktivität gefährden“, fasst Bürgermeister Michael Beckmann das Schreiben zusammen.
Die Stadt, so Beckmann, habe in dem Brief weiter betont, dass sie nicht grundsätzlich gegen Windkraft sei und mit dem „Winterberger Weg“ ein eigenes Akzeptanzmodell entwickelt habe. Die Gründung einer „Stadtwerke Winterberg Energie“ solle sicherstellen, dass Entscheidungen über den Bau von Windkraftanlagen in lokaler Hand verbleiben, anstatt externen Projektierern überlassen zu werden. Damit solle die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht und ein Wildwuchs an Windenergieanlagen verhindert werden. Die geplanten Änderungen im Baugesetzbuch (BauGB) stellen die Stadt und ihre touristische Wirtschaftsstruktur vor kaum zu bewältigende Herausforderungen. Ob das Schreiben den Minister in irgendeiner Form beeindrucken wird, ist fraglich.
„Wir dürfen beschließen, wo ein Ein- oder Zweifamilienhaus gebaut wird und welche Farbe der Anstrich hat. Aber bei so einer wichtigen Entscheidung wie Windkraft sind wir außen vor.“
Denn auch bei der Bezirksregierung in Arnsberg war die Kommune bei einer Anhörung mit all ihren Wünschen abgeblitzt. Weder der Einwand, dass die Stadt mit einem für ihre Infrastruktur überproportional hohen Flächenanteil mit Windkraft belastet werde, noch die besonderen touristischen Belange und der Umstand, dass mehr als 50 Prozent der wirtschaftlichen Wertschöpfung aus dem Fremdenverkehr komme, konnten in Arnsberg punkten. Die Stadt kritisiert daher den aktuellen Regionalplan, der neun Windenergiebereiche auf den höchsten Lagen in Winterberg ausweist und spricht von einem „enormen Eingriff in das Landschaftsbild“.
Bund und Land schieben sich schwarzen Peter zu
„Wir dürfen beschließen, wo ein Ein- oder Zweifamilienhaus gebaut wird und welche Farbe der Anstrich hat. Aber bei so einer wichtigen Entscheidung wie Windkraft sind wir außen vor. Da kann man als Stadtvertreter nur sauer sein. Wir kennen unsere Gegend besser als jeder Regionalrat“, fasste Ratsmitglied Joachim Pape (CDU) die Meinung vieler zusammen. Und Bernd Kräling (FDP) fügte hinzu: „Ich finde es nicht in Ordnung, wie man hier mit uns umgeht.“
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Das Fass zum Überlaufen gebracht haben dürfte ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes in Münster, welches die Regelung zum vorübergehenden Aussetzen des Baus von Windkraftanlagen in NRW für rechtswidrig hält. Damit könnten Windenergieanlagen genehmigt werden, bevor die Landes- und Regionalplanung, die ja eigentlich geeignete Flächen festlegen soll, überhaupt abgeschlossen ist. Auch geplante Änderungen im Baugesetzbuch lassen befürchten, dass Windkraft-Planer die Landkreise (und damit letztlich auch die Kommunen) bei Nichtgenehmigung finanziell in Regress nehmen könnten. Landes- und Bundespolitiker schieben sich nun gegenseitig den schwarzen Peter zu.
Timo Bundkirchen (CDU) lief es „aus Frust und Wut eiskalt über den Rücken“. Alle Arbeit, die man auf Stadtebene gemacht habe, werde mit Füßen getreten. Die für Winterberg vorgesehenen Flächen stünden in keinem Verhältnis zum Landesdurchschnitt. „Sollte es so weit kommen, beziehen wir vor Ort die Prügel, die wir nicht ansatzweise verschuldet haben.“ Er glaube, dass man die Stadt an der Nase herumführe.
„Der Vergleich zum platten Land passt nicht. Hier stellt sich das Landschaftsbild ganz anders dar.“
Torben Firley (SPD) bedauerte es ebenfalls, dass den Räten vor Ort immer mehr Entscheidungsmöglichkeiten genommen würden. Er betonte, dass es nun die Aufgabe aller Parlamentarier sein müsse, gemeinsam das Bestmögliche für die Region herauszuholen. Er griff auch das Ergebnis einer am Montag vorgestellten Studie auf, wonach sich etwa die Hälfte der Winterberg-Touristen nicht durch Windkraftanlagen gestört fühlten. „Der dort zitierte Vergleich zum platten Land passt nicht. Hier stellt sich das Landschaftsbild ganz anders dar.“ Und wer wisse schon, wie die Bewertung in 20 Jahren aussehe, wenn die Anlagen erstmal unwiderruflich in Winterberg stünden?
Gesellschaftliche Spannung befürchtet
Der Bürgermeister schwor noch einmal alle Fraktionen ein, auf ihre Bundes- und Landtagsabgeordneten einzuwirken, um das Schlimmste zu verhindern. Beckmann: „In dem Schreiben an Minister Habeck haben wir zum Ausdruck gebracht, dass sich die Stadt der Stellungnahme des Bundesrates anschließt. Der fordert, bestimmte Regelungen zur Windkraft im Bau-Gesetzbuch zu streichen und geordnete Planungsverfahren zu sichern. Sollte dies nicht geschehen, befürchten wir einen erheblichen Vertrauensverlust in die Politik sowie gesellschaftliche Spannungen bis in die Dörfer.“