Winterberg/Schmallenberg. Mutmaßlicher Automatenknacker verstößt über einen Monat gegen Meldeauflagen des Gerichts. Nun ist der türkische Staatsangehörige plötzlich weg.

Der Prozess gegen einen mutmaßlichen Bankautomatenknacker, der ursprünglich am 20. September vor der Vierten großen Strafkammer des Landgerichts Arnsberg beginnen sollte, bleibt weiterhin in der Schwebe. Ein 50-jähriger Mann, türkischer Staatsbürger, der wegen des Vorwurfs des besonders schweren Diebstahls in 31 Fällen angeklagt ist - unter anderem in Medebach, Winterberg, Schmallenberg - erschien nicht zum Prozessauftakt. Der Angeklagte, der mit seiner Familie in einem Ort im Kreis Siegen-Wittgenstein lebt, ist seit Wochen unauffindbar.

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Mehr als einen Monat nicht mehr erreichbar

Bereits im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft zugestimmt, den Haftbefehl gegen den Angeklagten unter bestimmten Auflagen auszusetzen. Hintergrund war eine medizinische Notsituation im engsten Familienkreis des Angeklagten. Welche konkreten Auflagen ihm gemacht wurden, konnte der Pressesprecher der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein nicht im Detail mitteilen. Klar ist jedoch, dass der 50-Jährige sich regelmäßig bei einer örtlichen Polizeidienststelle melden musste. Zuletzt geschah dies am 12. August – mehr als ein Monat vor dem ursprünglich angesetzten Prozessbeginn.

Der Vorsitzende Richter Petja Pagel kommentierte das Nichterscheinen des Angeklagten am Gerichtssaal mit den Worten: „Es ist jetzt nicht überraschend, dass der Angeklagte nicht da ist.“ Auch der Verteidiger des Mannes, Arslan Yücel, zeigte sich verärgert über das Verschwinden seines Mandanten, zu dem er seit Wochen keinen Kontakt mehr habe. Die Strafkammer entschied daraufhin, dass der Haftbefehl wieder in Kraft gesetzt wird. Eine Polizeistreife sollte den Angeklagten an seiner bekannten Wohnanschrift in Neunkirchen aufgreifen. Ob er sich dort tatsächlich aufhält, bleibt fraglich.

Es besteht die Vermutung, dass der 50-Jährige möglicherweise ins Ausland geflohen sein könnte, möglicherweise sogar in die Türkei. Allerdings handelt es sich hierbei bislang um eine Annahme. Ob er tatsächlich die Türkei als Zufluchtsort gewählt hat, ist unklar. Von dem Mann fehlt jede Spur.

Flucht in die Türkei?

Da der Angeklagte türkischer Staatsbürger ist, wäre eine Flucht in die Türkei eine plausible Option. Für die Einreise in die Türkei benötigen türkische Staatsbürger keinen Reisepass, sondern lediglich einen gültigen Personalausweis. Damit könnte der Mann theoretisch das Land verlassen haben, ohne dass dies sofort auffällt. Dies würde eine schnelle Rückkehr nach Deutschland erschweren, da die Türkei nicht in allen Fällen zur Auslieferung an Deutschland verpflichtet ist.

Deutschland und die Türkei haben zwar ein Auslieferungsabkommen, doch die Praxis zeigt, dass die Zusammenarbeit in solchen Fällen schwierig sein kann. Die türkische Justiz liefert in der Regel keine eigenen Staatsbürger an andere Länder aus, was eine Rückführung des Angeklagten erschweren könnte, sollte er tatsächlich die Flucht ergriffen haben.

Prozess und Strafen

Der Angeklagte wird beschuldigt, zwischen dem 29. November 2021 und dem 17. April 2023 in mehreren Orten Geldautomaten gewaltsam aufgebrochen zu haben. Dabei soll er über 100.000 Euro erbeutet haben. Die Anklagepunkte betreffen Städte wie Winterberg, Schmallenberg, Medebach und Korbach, wo neben dem finanziellen Schaden auch erhebliche Sachschäden entstanden sind.

Sollte der Mann gefasst werden, droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe. Das Strafgesetzbuch sieht für besonders schwere Fälle des Diebstahls Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu zehn Jahren vor. Angesichts der Vielzahl der Taten und des hohen Schadens könnte das Gericht zu einer mehrjährigen Strafe tendieren.

Der Prozess, der ursprünglich für vier Verhandlungstermine angesetzt war, wurde bereits verschoben. Ein Urteil war ursprünglich für den 11. Oktober geplant. Doch nun hängt alles davon ab, ob der Angeklagte rechtzeitig gefasst wird. Der nächste Verhandlungstermin wurde auf den 7. Oktober angesetzt, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Täter bis dahin wieder in Gewahrsam ist.