Medebach. Sarah Richter aus Medebach verliert in der 31. Schwangerschaftswoche ihr Kind Aiden. „Für uns ist einfach eine Welt zusammengebrochen“, sagt sie.
Monatelang hatten sich Sarah und Tobias Richter aus Medebach und auch ihre beiden Kinder auf den Familienzuwachs gefreut. Die Schwangerschaft verlief super, es gab keine Komplikationen, die Ärztin war zufrieden. Doch plötzlich spürte Sarah in der 31. Schwangerschaftswoche keine Kindsbewegungen mehr. Im Krankenhaus bestätigten sich dann die schlimmsten Befürchtungen: Das Herz ihres Sohnes Aiden hatte aufgehört zu schlagen.
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Bis zur 31. Woche war alles o.k.
Sarah Richter ist bereits Mutter von zwei Kindern, hat einen dreijährigen Sohn und eine Tochter, die eineinhalb Jahre alt ist. Als Sarah am Abend des 13. September in ihrer dritten Schwangerschaft keine Kindsbewegungen mehr spürt, denkt sie zunächst an nichts Schlimmes, zumal die Schwangerschaft deutlich besser verläuft als die vorherige. Im März 2023 musste ihre Tochter nämlich nach diversen Komplikationen mit einem Notkaiserschnitt auf die Welt geholt werden, war viel zu klein und zu leicht. „Das war eine sehr schwierige Schwangerschaft damals und wir haben uns viele Sorgen gemacht. Aber bei dieser dritten Schwangerschaft war alles total schön. Ich fühlte mich sicher“, erinnert sich die 22-jährige Medebacherin.
Doch als sie am nächsten Morgen immer noch keine Bewegung in ihrem Bauch spürt, ruft sie besorgt die Hebamme an, die ihr rät, umgehend ins Krankenhaus zu fahren. Gemeinsam mit ihrer Mutter macht Sarah sich auf den Weg ins Kreiskrankenhaus nach Frankenberg. Die Gefühle schwanken zwischen Hoffen und Bangen. Doch bei der Untersuchung gibt es die bittere Gewissheit: Es sind leider keine Herztöne mehr zu hören. Die Geburt muss eingeleitet werden.
Liebevoller Abschied in der Klinik
„Für uns ist einfach eine Welt zusammengebrochen. Wer konnte schon damit rechnen? Wieso passiert uns das?“ Fragen, die seitdem immer wieder in den Köpfen von Sarah und Tobias Richter kreisen. Unterstützt von ihrem Mann bringt Sarah Richter am 15. September um 20.08 Uhr ihren Sohn Aiden still zur Welt. Sie erinnert sich: „Wir durften ihn sehen und kuscheln und küssen, solange wir wollten. Er wog 1465 Gramm und war 43 Zentimeter groß.“
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Im Kreiskrankenhaus Frankenberg fühlen sich die Eltern in dieser traumatischen Situation sehr gut aufgehoben. Sarah Richter erzählt: „Wir hatten ein Familienzimmer. Die Ärzte und Hebammen waren sehr einfühlsam und haben uns ganz toll unterstützt. Wir wurden gefragt, ob wir uns persönlich von unserem Sohn verabschieden möchten. Die Möglichkeit, Abschied zu nehmen, war für uns beide sehr wichtig. Wir konnten uns so viel Zeit lassen, wie wir wollten und die Fotografin Nadine Braun hat Fotos gemacht. So haben wir jetzt wenigsten diese Erinnerungen.“
Bitte um finanzielle Unterstützung
Zurück zu Hause, geht es für die Familie nun darum, irgendwie den Spagat zwischen tiefer Trauer, Familien-Alltag mit zwei kleinen Kindern und bevorstehender Beerdigung zu organisieren. Und dann ist da auch noch der Umzug ins Nachbarhaus, in eine größere Wohnung, der kurz bevorsteht. Sarah und Tobias Richter gehen mit ihrer schwierigen Situation sehr offen um, sprechen über das, was sie gerade aus der Bahn zu werfen droht und haben auf Facebook einen Crowdfunding-Aufruf auf der Plattform „Gofundme“ gestartet, wo sie über ihr Sternekind erzählen. Sie sammeln Geldspenden, um ihren Sohn mit einer liebevollen und würdigen Beerdigung zu verabschieden.“
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Die Familie hat sich für eine Urnenbestattung in einem Kindergrab auf dem katholischen Friedhof in Medebach entschieden. „Wir wollen, dass Aiden bei uns in der Nähe ist. Uns ist es wichtig, einen Ort zu haben, wo wir jederzeit hingehen können. Auch unsere beiden anderen Kinder möchten wir mit einbeziehen. Gerade unser dreijähriger Sohn hat viele Fragen gestellt. Er hat sich ja auch auf das Baby in meinem Bauch gefreut.“
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Thema aus Tabuzone holen
„Ich finde es sehr schön, dass viele Menschen uns unterstützen, sowohl emotional als auch finanziell“, erklärt Sarah Richter. Auch wenn es auf Facebook nicht nur positive Reaktionen gab, möchte die Medebacherin, dass das Thema nicht totgeschwiegen wird. Sie hat die Erfahrung gemacht: „Es kommt viel häufiger vor als man denkt, dass ein Kind still geboren wird. Doch die meisten sprechen nicht darüber. Für mich ist es aber wichtig darüber zu sprechen. Das gehört für mich auch zur Trauerarbeit.“
Zahlen zeigen: Es sind viele Familien betroffen
Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2022 in Deutschland 3 247 Kinder tot geboren. Von einer Totgeburt spricht man, wenn das Gewicht des Kindes bei der Geburt mindestens 500 Gramm betragen hat oder die 24. Schwangerschaftswoche erreicht worden ist. Andernfalls handelt es sich rechtlich gesehen um eine Fehlgeburt, die nicht im Melderegister beurkundet wird.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat sich 2023 mit dem Thema beschäftigt. Darin wird davon ausgegangen, dass es 2021 in Deutschland 39.762 registrierte Schwangerschaften gab, in denen das Baby vor der Geburt gestorben ist. Es wird allerdings vermutet, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Exakte Daten zur Anzahl der Fehlgeburten gibt es demnach nicht, da sie zu einem großen Teil in den ersten Schwangerschaftswochen ohne Symptome verlaufen und teilweise als Menstruationszyklus gedeutet werden.
Was die Erfahrung von Sarah Richter angeht, dass offenbar viel mehr Familien betroffen sind als man denkt, so kommt auch der Wissenschaftliche Dienst zu einer ähnlichen Einschätzung: „Obwohl der frühe Tod eines Kindes für viele Frauen traurige Realität wird, handelt es sich nach wie vor eher um ein Tabuthema in der Gesellschaft. Viele Frauen wissen aufgrund des fehlenden öffentlichen Diskurses oft nicht, welche Möglichkeiten oder Rechte sie in dieser belastenden Situation haben.“
Spenden-Aktion
Wer den Crowdfunding-Aufruf unterstützen möchte, findet die Spenden-Aktion und alle weiteren Infos unter: www.gofundme.com (Stichwort: Sternchen Aiden). Gofundme ist ein US-amerikanisches Unternehmen mit Sitz in Redwood City, Kalifornien, dessen Geschäftsmodell die Vermittlung von Spendengeldern über eine Internetplattform ist.