Winterberg. Tatort Sauerländer Wald: Tote Schafe bei Meschede und Winterberg. Die Vermutung: Es war der Wolf. Doch wer steckt wirklich dahinter?
Tatort Hallenberg: Der Hals ist vom Kiefer bis zum Bauchraum aufgerissen. Weichteile wurden gefressen. Fellfetzen liegen herum. Das Opfer ist ein sechs Monate altes Merino-Lamm. Es handelt sich um den einzigen bisher bestätigten Nutztier-Riss eines Wolfes im Hochsauerlandkreis. Sonst gab es bisher nur Berichte über Sichtungen. Aktuell werden zwei Fälle von toten Schafen untersucht. Einer bei Winterberg, einer bei Meschede. Wie viele Verdachtsfälle gab es im Sauerland bisher? Ein Blick auf die Wolfsmanagement Plattform des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) verrät mehr.
Zwei weitere Risse durch Wölfe sind bekannt, in beiden Fällen handelte es sich um Wildtiere. Einmal im April 2020 ein Stück Rehwild bei Meschede und einmal im August 2023 ein Stück Sikawild bei Arnsberg. Ansonsten? 29 Verdachtsfälle mit mindestens 30 Opfern seit 2016. Davon befinden sich die zwei oben genannten Fälle aktuell in Untersuchung.
Täter: Unbekannt
Ein Fall mit drei betroffenen Schafen bei Schmallenberg vom April 2020 wird als unbestätigt angesehen: „Wolf nicht auszuschließen“, steht dort in der Tabelle. In vier weiteren Fällen war unter anderem wegen des späten Auffindens der Tierkadaver keine Bewertung möglich. Es bleiben 22 Fälle, die sich als Falschmeldung herausgestellt haben. Bei 16 Fällen wurde nicht bekannt, wer der Übeltäter war.
In den verbliebenen sechs Fällen waren es wildernde Haushunde. Auch im Kreis Soest sind diese ein Problem. In Rüthen hat ein wildernder Hund im April vergangenen Jahres den Tod von 17 Schafen und Lämmern zu verantworten. Im Frühjahr dieses Jahres wurden dort erneut acht Schafe und Lämmer getötet. Eine der schlimmsten Attacken fand im Juli 2023 bei Geseke statt: 38 Lämmer und Schafe starben.
Ist der Haushund das wahre Problem?
Weitet man den Blick auf ganz NRW sieht die Lage erneut anders aus. 772 Verdachtsfälle seit 2009 mit insgesamt 1.899 betroffenen Nutztieren. In 359 Fällen konnte der Wolf eindeutig ausgeschlossen werden, dabei beläuft sich die Opferzahl auf 589. Davon lassen sich 78 auf Haushunde zurückführen. In 109 Fällen, mit 266 Opfern war keine Bewertung möglich. Acht Fälle mit elf Opfern sind aktuell in Bearbeitung.
„„Keiner möchte sehen, wie ein frischgeborenes Kalb dort gerissen liegt.““
Nur 284 Fälle lassen sich eindeutig auf den Wolf zurückführen, jedoch ist die Opferzahl mit 1.018 Nutztieren dabei enorm. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass bei 58 Fällen, von denen über 50 als Falschmeldung eingestuft wurden, keine Opferzahlen bekannt sind. Der Wolf scheint nichtsdestotrotz seine Spuren zu hinterlassen.
Landwirte haben Sorge um ihre Tiere
Barbara Kruse, Pressesprecherin des Landwirtschaftlichen Kreisverbands Hochsauerland erzählt von den Sorgen der Landwirte. Bei Landwirten sei eine Besorgnis über den Wolf vorhanden. Sie hätten eine Grundangst, um ihre Tiere. Mutterkuhherden würden den ganzen Sommer über allein auf den Feldern umherziehen. „Keiner möchte sehen, wie ein frischgeborenes Kalb dort gerissen liegt“, sagt Kruse.
Die Wolfsschutzmaßnahmen, wie sie vom LANUV vorgeschlagen werden, seien in der Praxis schwer umzusetzen. Elektrozäune müssten an allen Weiden angebracht werden, das seien großflächige Unterfangen. Mit dem Anbringen der Zäune sei dies auch nicht beendet. Es müssten regelmäßige Mäharbeiten verrichtet werden, um das Gras niedrig zu halten. Andernfalls würden die Elektrozäune ihre Effektivität verlieren und den Strom in die Erde leiten, wenn Grashalme an sie heranreichen.
Panik ist ein echtes Problem
Zusätzlich dazu sei auch nicht nur der Riss von Nutztieren durch Wölfe ein Problem. Ein Wolf, der eine Herde bedroht, verstört die Herde. So eine verstörte Herde von beispielsweise Kühen werde schwer berechenbar und auch eine Gefahr für Landwirte. Auch besteht eine große Sorge über in Panik ausbrechende Tiere. Ein Pferd, das in Panik ausbricht und auf eine Straße läuft, wäre auch eine Gefahr für andere.
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Von Problemen durch wildernde Hunde habe sie nichts gehört, allerdings würden sich einige Landwirte durchaus über freilaufende Hunde beschweren. Gerade im Frühjahr, in den Monaten März und April, hätten einige Bauern Probleme durch Hundekot auf den Feldern. Dieser sei schlecht für die Silage und könne bei Mäharbeiten die Futterqualität beeinträchtigen.
In Anbetracht dieser Faktoren, fordert der Landwirtschaftliche Kreisverband Hochsauerland einen geregelten Abschuss: „Die Koexistenz zwischen Wolfsansiedlung und Weidetierhaltung funktioniert nur mit Bestandsmanagement, also der gezielten und frühzeitigen Entnahme von Problemwölfen beziehungsweise ganzen Rudeln zum Schutz unserer Weidetiere.“ Die EU stimmte kürzlich auch für einen niedrigeren Schutzstatus des Wolfs.
Ab wann ist ein Wolf Problem-Wolf?
Bisher werden Wölfe nur zum Abschuss freigegeben, wenn sie als problematisch eingestuft werden. Birgit Kaiser de Garcia, Pressesprecherin des LANUV, sagt ein Wolf wird dann problematisch, wenn er die Scheu vor dem Menschen verliere. Dies sei auch einem Wolf in Niedersachsen zum Verhängnis geworden.
MT6 wurde 2016 unter dem Namen „Kurti“ bekannt. Dieser hatte seine Scheu vor dem Menschen verloren und sich diesen wiederholt genähert. Auch einen angeleinten Hund hatte er angegriffen und verletzt. Daraufhin wurde er vom Umweltministerium Niedersachsens als Sicherheitsrisiko eingestuft und zum Abschuss freigegeben.
Auch Wölfe, die es schaffen würden, den Herdenschutz eindeutig und mehrfach zu überwinden, könnten als problematisch eingestuft werden. Generell sollen Wildtiere nicht gefüttert werden. Ein Wolf, der von Menschen gefüttert wird, könnte schnell seine Scheu verlieren. Das wäre möglicherweise sein Todesurteil.
Perspektive der Jägerschaft
Ansgar Wulf, Sprecher der Kreisjägerschaft im HSK, sagt, dass rechtssichere und praxistaugliche Konzepte erarbeitet werden müssen. Der Abschuss von Wölfen werde derzeit auf zwei Ebenen diskutiert. Zum einen werde der Abschuss von sogenannten Problemwölfen diskutiert und zum anderen die generelle Freigabe einer limitierten Anzahl zum Abschuss, um den Bestand zu kontrollieren. Auf diese Art und Weise werde es auch in Schweden gehandhabt.
„„Die Jäger wie auch andere Naturnutzer werden lernen müssen mit dem Wolf leben zu müssen.““
Wulf führt weiter aus, dass Landwirte, Jäger oder auch einfache Spaziergänger unterschiedliche Sorgen beim Thema Wolf haben. „Die Jäger wie auch andere Naturnutzer werden lernen müssen mit dem Wolf leben zu müssen“, so Wulf. Die Jägerschaft sorge sich zum Beispiel um ihre Hunde, für die Begegnungen mit dem Wolf meist tödlich oder zumindest mit schweren Verletzungen enden würden. Zudem herrsche Sorge um den Einfluss des Wolfs auf Wildtierpopulationen.
In diesem Zusammenhang verweist Wulf auf fehlende Fluchtreflexe beim Muffelwild und auch auf das Damwild, dessen Neigung Kälber zu verteidigen, zu einer erhöhten Todesrate bei Muttertieren führen könnte. Anderes Wild sei besser auf den Wolf vorbereitet und würde auf seine Anwesenheit mit Ausweichverhalten reagieren.
Dies wird Jäger vor neue Herausforderungen stellen, da in Anbetracht von Afrikanischer Schweinepest und der Aufforstung klimastabiler Wälder erhöhte Abschüsse geliefert werden müssten. Dies liege daran, dass neu entstehende Wälder Wildtieren wie zum Beispiel Rehen vorübergehend besonders viel Nahrung und Deckung böten. Die Folgen wären stark wachsende Population und letztlich Nahrungsmangel und Verbissschäden in den neuen Wäldern.